SAGEN UM NASSEREITH

Man erzählte sich, daß auf der Nassereither Alm (Muthenaualm) einmal ein Jäger einen Hirsch geschossen habe, dessen Zähne vergoldet gewesen seien. Dies sei darauf zurückzuführen, weil dieser Hirsch immer aus einer Quelle geschöpft (getrunken) habe, deren Wasser goldhältig sei. Jäger und Hirten waren dann eifrig bemüht, dieses »Wasserloch« zu finden, doch gelungen sei es ihnen nie.

Der »Grundlose See«, früher rund einen Hektar groß, heute fast nicht mehr vorhanden, war jahrhundertelang ein sagenumwobenes Gewässer. Irrlichter hätten die bei Nacht unterwegs gewesenen Fußwanderer »verführt« und diese seien in dem tiefen See ertrunken und nie mehr ans Tageslicht gekommen. Einmal habe ein »Frühmesser« (Kooperator) am Ufer eine Stockente geschossen und als er ihrer habhaft werden wollte, sei er versunken.

Als auf der Nassereither Alm noch gesennt wurde, hatte es große Stallungen gegeben. Der anfallende Mist sei in das »Kasbachle« geworfen worden und mit dieser »Sur« (Jauche) habe man in Fernstein die Schloßwiese gedüngt.

Im sogenannten Kag, einem schönen Grundstück am Fuße des Gafleintales, habe einmal ein reicher Bauer seinen Hof gehabt. Dieser sei aber mit den Dienstboten und den armen Leuten so herzlos gewesen, daß ihn viele verflucht hätten. Eines Tages sei dieser Fluch in Erfüllung gegangen; eine große Mure aus dem Gafleintal habe seinen Hof vernichtet und die ganze Familie ausgelöscht.

Die Geistergeschichten nahmen in Nassereith seit Jahrhunderten einen breiten Raum ein. Vermutlich durch die Postillionen, die tagaus tagein die Strecke von Nassereith nach Imst befahren hatten, kam es immer wieder zu »Vorfällen« mit Geistern. So erzählte man sich, daß gerade die Brücke beim »Klammerbachle«, östlich von Tarrenz, von den Fuhrmännern gefürchtet war. Einmal hätten die Pferde vor der Brücke gescheut und selbst durch gutes Zureden oder einen Knall mit der Peitsche konnten die Pferde nicht bewegt werden, die Brücke zu passieren. Da sei der Fuhrmann auf den Einfall gekommen, selbst auf die Brücke zu gehen und mit der Geisel das Kreuzzeichen zu schlagen. Sofort hätten sich die Pferde beruhigt und ungeschoren sei das Fuhrwerk nach Hause gekommen. Ein anderes Mal habe ein Postillion am Andelsberg ein Licht aufleuchten gesehen, das bald grell und bald düster gewesen sei. Die Pferde hätten starren Blickes nach oben geschaut und am ganzen Leib gezittert. Der Postillion sei vom Bock gestiegen und habe den Lichtschein angerufen: »Wenn du ein Geist bist, so sage was du willst!« Darauf sei die Antwort gekommen: »Ich leide und weiß nicht warum, sag du, wie ich in den Himmel komm!« Darauf der Postillion: »Schlag ein Kreuz und bet still, dann kommst du in den Himmel, wie Gott will.« Auf einmal sei das Licht verschwunden und niemand habe es mehr gesehen.

In der Fasnachtzeit habe einmal ein lebhafter Bursch den Ausspruch getan, daß er um Mitternacht mit einer Larve auf durch den Friedhof in Dormitz gehen will und den Geistern das Fürchten beibringen werde. Das ganze Zureden, dies nicht zu tun, habe nichts genützt. Ein paar beherzte Burschen seien ihm nachgegangen und haben vor dem Friedhof auf die Dinge gewartet, die nun kommen sollten. Es sei für sie gewiß gewesen, daß diese Tat nicht gut ausgehen werde. Auf einmal erschallte ein lauter Schrei und wie von Furien gehetzt sei der junge Mann an ihnen vorbeigelaufen. Am anderen Tag habe er strohweiße Haare und schwarze Flecken im Gesicht gehabt. Sein Erlebnis im Friedhof aber sei sein Geheimnis geblieben, das er nie gelüftet habe.

Als ein Bauer einmal in seinem Heustadel auf seiner Wiese am Rande des Seewaldes übernachtete, habe er um Mitternacht schreien und rufen gehört: »Wo soll ich den hintun, wo soll ich ihn denn hintun?« Der Bauer habe geantwortet: »Tu ihn hin, wo du ihn her hast!« Daraufhin habe das Rufen aufgehört. Ein Bauer hatte zu Lebzeiten gerne die Markstecken-Flurgrenzpfähle-versetzt und sei deshalb im Tode nicht zur Ruhe gekommen.


Quelle: Heimatbuch Nassereith, Nassereith 1987