DER FELDGEIST

Auf den Hofer Böden" in Sölden sah man in der Nacht oft einen Geist herumirren. Er hielt einen Stecken in der Hand und rief: Wohin? Wohin?" Die Leute fürchteten sich sehr vor diesem Feldgeist und hüteten sich, bei Nacht in diese Gegend zu kommen. Auf die Frage des Geistes zu antworten getraute sich erst recht niemand. Da ging einmal ein Betrunkener in der Nacht über die Hofer Böden heimzu. Als er den Geist rufen hörte: Wohin? Wohin?" gab er ihm die kurze Antwort: Tu ihn hin, wo du ihn her hast!" sofort steckte der Geist seinen Stab als Marchstecken an eine Grenze zwischen zwei Wiesen und reif zum erstaunten Betrunkenen: Du hast mich erlöst!" Dann war er verschwunden und man hörte nie mehr etwas von ihm. Dieser Geist hatte wohl während seines Lebens ungerechterweise die Grenze seiner Wiese verrückt. Zur Strafe dafür mußte er nach seinem Tode so lange mit dem Marchstecken in der Hand herumirren, bis ihm ein Mensch sagte, wohin er ihn stecken solle.

Falkner, Christian, Sagen aus dem Ötztal, in: Ötztaler Buch (= Schlern-Schriften 229), Innsbruck 1963, S. 142
aus: Sagen und Geschichten aus den Ötztaler Alpen, Ötztal-Archiv, Innsbruck 1997