DER GEIST AUF DEM GENICK

Da ging einmal an einem Feiertage abends spät ein Bursch von Sölden aufs Kleble hinauf. Bei Kehrbrugge", wo der Wald ziemlich dicht und dunkel ist, hörte er plötzlich in einer Fichte ein unheimliches Rauschen und Rascheln. Der Bursch war aber kein Fürchter und sagte: Du geh nur her, dir bin ichs leicht!" Auf einmal saß ihm etwas im Genick und drückte ihn fast zu Boden. Er konnte trotz aller Anstrengungen den Vogel oder was es war, nicht von seinem Nacken herunterbringen. Da wurde dem Burschen gruselig zumute. Er wollte nun möglichst schnell auf die Kleblealpe kommen. Doch es ging sehr langsam, denn das Ding auf dem Genick wurde immer schwerer, sodaß er darunter fast erlegen wäre. Als er endlich zu den Leuten aufs Kleble kam, war er käseweiß und schaute aus wie der Tod. Die wußten guten Rat gegen das Übel: sie besprengten den Burschen mit Weihwasser, worauf die unheimliche Last sofort vom Genick verschwand. Ja, ja, mit Geistern darf man nicht spaßen!

Falkner, Christian, Sagen aus dem Ötztal, in: Ötztaler Buch (= Schlern-Schriften 229), Innsbruck 1963, S. 138 f.
aus: Sagen und Geschichten aus den Ötztaler Alpen, Ötztal-Archiv, Innsbruck 1997