DAS GURGLER GELÖBNIS

Vor alten Zeiten nach einem langen schrecklichen Kriege war in Gurgl eine Hungersnot. Da auch sehr wenig Aussicht auf bessere Zeiten war, machten die Burschen von Gurgl in ihrer kleinen Kirche vor dem Altare das Gelöbnis, 20 Jahre lang nicht zu heiraten. Die Mädchen aber, die in den hinteren Stühlen in der Kirche das Gelöbnis mitanhörten, weinten bittere Tränen. Einige Jahre lang hörte man tatsächlich nichts von einer Heirat eines Gurgler Burschen oder sonst von einer Übertretung des Gelübdes. Da brachte aber auf einmal ein Mädchen ein Kind zur Welt. Wer der Vater sei, war aus ihr trotz alles Fragens nicht herauszubringen. So wurde sie denn samt ihrem Kinde an Stelle des unbekannt gebliebenen Vaters aus Gurgl verbannt.

Falkner, Christian, Sagen aus dem Ötztal, in: Ötztaler Buch (= Schlern-Schriften 229), Innsbruck 1963, S. 129
aus: Sagen und Geschichten aus den Ötztaler Alpen, Ötztal-Archiv, Innsbruck 1997