DIE HEXEN IN ÖSTEN

In Östen bei Umhausen sollen einst wirkliche Hexen gelebt haben. Sie wußten jeden Unglück bei Vieh und Leuten immer voraus. Deshalb meinten viele, sie wären die Urheberinnen. Wenn eine oder die andere Hexe neben der Ache taleinwärts ging, schwoll in einigen Tagen das Wasser so hoch an, daß die Äcker und Wiesen am Bachufer beschädigt oder gar fortgeschwemmt wurden. Vor dem Hause der Hexen war ein herrlicher Garten mit allerlei wohlriechenden, in allen Farben leuchtenden Blumen. Die Leute gingen gerne daran vorbei, um wenigstens von der Ferne den süßen Duft einzuatmen und die Augen an der seltenen Blumenpracht zu weiden. Doch die Hexen pflegten diesen Garten nicht zum Wohle, sondern zum Schaden der Menschen. Alle diese Blumen waren vergiftet. Kam jemand vorbei und schaute in den Hexengarten hinein, war sofort eine oder die andere Hexe da, pflückte einen kleinen, schönen Strauß und reichte ihn dem hocherfreuten Wanderer. Aber niemand, der an diesem Blumenstraße roch, kam ohne irgend eine Krankheit davon.

Falkner, Christian, Sagen aus dem Ötztal, in: Ötztaler Buch (= Schlern-Schriften 229), Innsbruck 1963, S. 163
aus: Sagen und Geschichten aus den Ötztaler Alpen, Ötztal-Archiv, Innsbruck 1997