KATZENGESCHICHTE

Zu Gries bei Längenfeld kam oft eine schwarze Katze, ein recht unheimliches Tier, in einen Stall. Es gelang meist recht schwer, sie zu vertreiben. Schlug man sie mit einer Gabel oder einem Besen irgendwo herunter, raunzte sie ein wenig und war nicht mehr zu sehen. Sie war auch sehr schädlich. Einmal war sie drei Wochen lang nicht aus dem Stall zu vertreiben; während dieser Zeit erhielt der Bauer von seinen fünf Kühen nicht einen Tropfen Milch. Auch das Schwein schien plötzlich verhext zu sein, denn es fraß nicht mehr. Man holte den Geistlichen. Dem fraß das Schwein aus der Hand. Da griff der Bauer zu einem, wie er glaubte, sicheren Mittel: er wollte die Katze einfach erschießen. Aber sooft er mit der Büchse kam, war die Katze verschwunden. Niemand wußte, wohin. Jetzt glaubte der Bauer, daß die Katze ein Teufelsvieh oder eine Hexe sei. Um sich davon zu befreien, ging er zu den Kapuzinern nach Imst. Die konnten auch nicht helfen. Er wandte sich nun an die Jesuiten in Innsbruck. Diese sagten; das Vieh im Stall sei von neidischen Nachbarn verwünscht worden, sonst fehle nichts. Sie gaben ihm den Rat, er solle drei Tage lang nichts herleihen, dann werde das Übel im Stalle schon verschwinden. Der Bauer befolgte diesen Rat. Doch merkwürdig; während dieser drei Tage kamen ungewöhnlich viele Leute, die sich etwas ausborgen wollten. Noch am dritten Tage abends kam ein Nachbar Salz zu leihen. Der Bauer aber blieb fest und lieh nichts her. Und wirklich; von dem Tage an war das Unglück aus dem Stalle gebannt. Die schwarze Katze aber war verschwunden. Die Kühe gaben wieder Milch und das Schwein fraß wie vor dem Auftreten der Hexenkatze.

Stalltür mit Glücksbringer © Berit Mrugalska
Eine Stalltür in Gries im Sulztal, Längenfeld (Tirol)
mit einem Hufeisen als Glücksbringer
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© Berit Mrugalska, 8. Mai 2005

 

Falkner, Christian, Sagen aus dem Ötztal, in: Ötztaler Buch (= Schlern-Schriften 229), Innsbruck 1963, S. 140
aus: Sagen und Geschichten aus den Ötztaler Alpen, Ötztal-Archiv, Innsbruck 1997