DAS WIRTSHAUS IN MAURACH

Als ein Bauer am Pfingstmontag spät abends von Umhausen gegen Längenfeld heimkehrte, hörte er in der Loam viele Leute reden und singen, konnte aber niemanden sehen. Er hob nun seine Füße besser auf und holte ein Stück außer dem Sattelan drei Weiberleute und ein Mannsbild ein. Alle vier waren seltsam gekleidet und wälschten so, daß der Bauer kein Wort von ihrem Gespräche verstehen konnte. Als sie gegen das Sattele kamen, stand ober dem Wege ein Wirtshaus, das so groß wie ein Schloß und hell beleuchtet war. Eine sauber gekleidete Kellnerin lud sie ein, hineinzukommen, und der Bauer kehrte ein, obwohl er ein Panzele Branntwein bei sich hatte. Da waren in einer großen Stube viele Leute und zechten und tanzten, musizierten und sangen, daß es eine Lust war. Dem Bauern sahen sie mit großen Augen an, als ob er ihnen nicht recht wäre. Endlich trat der Wirt zu ihm und sagte, er solle das Panzele, den Näßlrock und den Stecken in einen Winkel tun und sich niedersetzen. Als der Bauer dies getan hatte, wurde ihm Gesottenes und Gebratenes nebst einer großen Kanne Wein vorgestellt. Unter anderem brachte ihm der Wirt eine Wurst, die gar schön aussah. Wie aber der Bauer die Wurst aufgeschnitten, lag ein ungeheurer Beißwurm auf dem Teller. Da schrie er vor Überraschung und Entsetzen: Jesus, Maria, was ist das?" Und im Augenblicke war alles verschwunden. Der Bauer lag in einer großen Lacke und konnte sein Panzele samt Hut und Rock nimmer finden. Seit diesem Begebnis ist er nie mehr in der Nacht durchs unheimliche Maurach gegangen.

Falkner, Christian, Sagen aus dem Ötztal, in: Ötztaler Buch (= Schlern-Schriften 229), Innsbruck 1963, S. 165 f.
aus: Sagen und Geschichten aus den Ötztaler Alpen, Ötztal-Archiv, Innsbruck 1997