Die Runsa *)

Wenn Senne und Hirte und Almvieh heim geht,
Die Bethglocke [Betglocke] leise im Herbstwind verweht,
Dann ziehet ein häßliches Weibsbild ins Haus
Mit Toben und Braus:
Die Runsa mit rothen [roten] Augen!

Wirft drinnen mit Milchschüsseln polternd herum,
Drauf dreht sie am Butterfaß glotzend und stumm,
Dreht mondenlang fort, doch kein Butter gedeiht;
Drob stampfet und schreit
Die Runsa mit rothen Augen.

Die Runsa war Sennin der Alpe im Thal [Tal],
Die Butter verfälschte, den Almnutzen stahl,
So ist sie verfallen dem Gottesgericht,
Kann sterben auch nicht
Die Runsa mit rothen Augen.

Geht Nachts an der Hütte ein Senner vorbei,
Der schleichet fein stille und denket dabei:
Will ehrlich stets käsen und buttern allhie,
Nicht fälschen wie sie,
Die Runsa mit ihren rotehn Augen.

*) Nach der Sage ein weiblicher Alpengeist, welche wegen schlechter Wirtschaft der Strafe Gottes anheim gefallen ist, und auf der Alpe Fundes im Pitzthale [Pitztal] wandern muß.

Quelle: Die Alpenzither aus Tirol, Gedichte und Erinnerungsblätter aus den Jahren 1848 und 1849, Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Innsbruck 1855, S. 141ff