Wie Haymo den Thyrsus erschlug

Vor Zeiten hauste in Leithen auf winddurchbrauster, rauher Alpenhöhe bei wild aufragenden Felsengipfeln der Riese Thyrsus. Sein Stamm war schon seit undenklichen Zeiten dort gesessen. Da kam vom Rheine ein zweiter Riese und ließ sich in der Gegend nieder. Thyrsus wollte nicht dulden, daß ein anderer sich im Bereiche seiner Berge niederlasse, und sann darauf, den Fremden wieder aus dem Lande zu verdrängen. Als Haymo von dem wütenden Gegner vernahm, zog er ihm entgegen. Sie trafen sich auf der Wiese oberhalb des Ortes, der heute Dirschenbach heißt, und gingen aufeinander los, Haymo mit seinem Schwert, Thyrsus setzte sich mit einer ausgerissenen Birke zur Wehr. Weitum ertönten Berg und Tal von den grimmigen Schlägen, und im Walde bebten darob die Bäume bis tief in die Wurzeln hinab. Haymo traf seinen Widersacher, und aus der tiefen Wunde sprang ein Strahl hellen Blutes. Thyrsus nahm einen Wasen, stopfte sich damit die Wunde zu und sprang keuchend bergan, über den Leithner Kogel hinauf bis zum Durschkopf. Haymo holte ihn ein und schlug ihn nieder. Der Boden trank sich voll vom Blute des todwunden Riesen, der mit ersterbender Stimme rief:

"Spritz Bluat, ist für Viech und Leut guat!"

Der Kampf des Haymo gegen Thyrsus
Kirchentürdetail St. Nikolaus, Reith bei Seefeld
Der Kampf des Haymo gegen Thyrsus, eingerahmt von einem
feuerspeienden Drachen, Schnitzerei
Signatur: H. Obleitner 1949;
Johann Obleitner, 1893 in Absam b. Innsbruck geb.,
wählte Reith (Leithen) als Alterswohnsitz 1984 †
© Berit Mrugalska, 13. September 2004

Bis in die jüngste Zeit wurde aus dem Stein dieser Gegend das heilsame Thyrsusblut (Dürschöl) gewonnen und im ganzen Lande und darüber hinaus von den "Dirschlern" von Haus zu Haus und auf allen Jahrmärkten feilgeboten. Sie trugen auf ihren Rückenkraxen die kleinen Holzfäßchen mit dem heilsamen Steinöl.

Alte Ychtiolgewinnung
Wandmalerei in Reith bei Seefled
Alte Ychtiolgewinnung in Reith
Johann Obleitner
, Bildhauer und Maler
© Berit Mrugalska, 13. September 2004

Quelle: Nach Hans Gamper, zit. nach Hans Schermer, Reith bei Seefled, Innsbruck 1985, S. 70.