Der Kirchenbau zu Ebbs



Man will zu Ebbs im Land Tirol sich eine Kirche bau'n,
Und schön zwar; auf dem Lande soll man selten schönere schau'n.

Der Meister spornt die Leute an: "O, traget Steine zu!"
Und gerne haben’s die getan fast ohne Rast und Ruh.

S  lagen um den Kirchengrund bald  Steine ohne Zahl.
Es sprach schön klüglich mancher Mund: "Die braucht man ja nicht all""

Der Meister geht an's Fundament: doch war der Plan zu groß:
Die Steine gehen früh zu End, das Schmähen gehet los:

Was hat sich denn der Tor gedacht? Welch' Schande wird uns das!
So viel wir Steine schon gebracht, noch sieht man ja kaum etwas!

Da sprach der Meister ernst und gut: "O, lasset euch's nicht grau'n!
Was ihr zur Ehre Gottes tut, wird ihn und euch erfreu’n.

Brecht Steine an dem Berge dort! Es ist ja nicht so weit!"
Sie taten's, bauten wieder fort, doch wieder kam der Streit.

Man wird verzagt,- denn was man bringt, man bringt da nie zu viel,
Und ach, was auch der Bau verschlingt, noch zeigt sich gar kein Ziel.

Der Jammer wird da vollends Herr. Der Meister steht verhaßt
Und sieht betrübt,  wie niemand mehr sich mit dem Bau befaßt.

Er sitzt nun manche Mitternacht noch schlaflos, kummervoll,
Und fleht, wenn er auch immer wacht, nicht, wie er helfen soll.

Da fleht' er einst: "O, lieber Herr du siehst die Herzen ein.
Ich wollt', daß zu deiner Ehr' groß sollt' die Kirche sein.

Ich wußte wohl, was ich getan, als ich den Grund gebaut.
Keck war's, doch fing ich mutig an, ich habe dir vertraut.

So glaubt' ich. Aber ach, es scheint, daß ich mich selbst betrog,
Und daß des Guten ärgster Feind, die Hoffart, mich belog.

Dann, Herr, verzeih'! Ich habe, ach, dann freilich weit gefehlt!
Der bringt den Bau nicht unter Dach, der nicht auf dich gezählt!"

D'rauf schlief er ein. Da träumte er: Vollendet sei der Bau,
Zur Kirchweih ziehe alles her mit Fahnen durch die Au;

Und alles staunt und alles sagt: "O, seht dies Gotteshaus!
Wie nimmt, wo man auch schauen mag, es sich so herrlich aus!"

Und als der Bischof weihend stand und sich der Meister bückt',
Ergriff der Bischof seine Hand und hat sie fest gedrückt.

Da störte seines Traumes Lauf ein Tosen, d'rauf Geschrei.
Erschrocken hört der Meister auf, zu horchen, was das sei.

Ist's Aufruhr? etwa gegen ihn? am eh'sten könnt es sein.
Doch alles eilt zum Berg  hin, dort donnerte Gestein.

Es hat sich eine Felsenwand vom Berge losgemacht
Und ohne alle Menschenhand Gestein zu Tal gebracht.

Die Stein' im Wege müssen fort, die in den Feldern auch.
Man schafft nun gern zur Kirche dort, was man auch immer braucht.

Der Meister hat sie ausgebaut, es ging jetzt ohne Not,
Natürlich: er hat Gott vertraut und hat gebaut für Gott.

Quelle: Sagen aus dem Kaisergebirge, Anton Karg, Kufstein 1926, S. 22f
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Leni Wallner, Mai 2006.
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