Sagen vom Hintersteinersee:


Dessen Entstehung, der Galgenstätter Bock, das Rabensteiner Fackei, der Hopfgartner Stuhlreiter.

Wie von so vielen anderen Seen, geht auch vom Hintersteinersee die Sage, daß er das Werk göttlichen Fluches gegen lasterhafte Menschen sei. Wo heute der See liegt, standen einst drei Großbauernhöfe mit Feldern, Wiesen und Obstangern und großem Viehstand. Die Bauern, die darin hausten, waren die reichsten weitum. Aber stolz und hoffärtig, wie sie infolgedessen waren, wollte jeder noch reicher gelten und so gaben sie durch die sündhafte Verschwendung, mit der sie sich gegenseitig zu überbieten trachteten, viel Aergernis vor Gott und den Menschen. Als sich aber eines Tages ihr Uebermut so weit verstieg, daß sie mit Butterkugeln kegelten, da schüttete der Himmel seinen Zorn über sie aus und ersäufte sie für ewige Zeiten mit all' ihrem Hab und Gut.

Nach einer anderen Gestalt der Sage hätten die reichen Hintersteiner Bauern einen heftigen Streit um eine Quelle gehabt und hätten einmal selbst am Antlaß-Feierabend den ganzen Tag gestritten und geschimpft und zuletzt zur Rosenkranzzeit gar noch gerauft. Wie am anderen Tage in aller Früh die gemeinsame Sennerin der Bauern, ein rechtschaffenes, frommes Ding, dem die Streiterei schon lange zuwider gewesen, auf die Heimötz, melken geht, sieht sie vor dem Hause eine kleine Wasserlacke, wo sonst nie eine gewesen. Sie meint, es haben Nachbarbuben ihr wegen des Unfriedens einen Spott antun wollen, und geht auf den Berg. Da hört und sieht sie ihre Kühe nicht. Nach langem Suchen erst geht eine verlorene Glocke her und den frischen Trittspuren folgend, findet sie zu ihrer Verwunderung die Kühe in einer Grube beisammenhocken. Sie melkt geschwind und eilt heim, um in die Kirche zu gehen. Wie sie aber über den Berg hinschaut, steht sie nur mehr das Dach eines Hauses aus dem Wasser herausschauen. Sie stellt die Milchbutten nieder, läuft in die Kirche und jammert den Leuten vor, sodaß man sie für verrückt hält. Als man aber inne  wird, daß von den drei Bauernhäusern niemand in der Kirche ist, geht man schauen und überzeugt sich von der Richtigkeit ihrer Aussage.

Dieselbe Sage wurde übrigens auch vom Hechtsee erzählt. Und wie vom Hechtsee, heißt es auch vom Hintersteinersee, daß er unergründlich tief sei und daß, als man ihn einmal mittels eines Senkbleies ausmessen wollte, aus dem Wasser eine schreckliche Stimme erschallte: "Ergründst du mich, so schlünd ich dich."
Auch sonst sagt oder sagte man dem See einige Besonderheiten nach. Da soll er nie früher als eine Woche vor Weihnachten zugefrieren und eine eigene Art von Fischen enthalten, ganz kleine Neunaugen, ein bis zwei Finger lang und kaum halb so dick Wie ein Federkiel, die sehr schmackhaft und gesund seien. Sein Abfluß — sichtbaren Zufluß, hat er keinen — bildet einen Wasserfall, dessen schwächeres oder stärkeres Tosen den Bewohnern der Umgebung  das  kommende Wetter anzeigt.

An einer Stelle des südlichen Seeufers heißt es zum Rabenstein. Dort geht nächtens manchmal das "Rabensteiner Fackai" um, ein flackerndes, hüpfendes Lichtl, das eine  unerlöste arme Seele ist.
Gegenüber am westlichen Nordufer steht der Bauernhof Galgenstatt. Hier hauste einst der gefürchtete "Galgenstatter Bock". Wie das Schießlhaus abgebrannt ist, nahm der Schießl R..... im Dachkammerl zu Galgenstatt Notquartier. Er bildete sich viel auf seine "Schneid" ein und war ein bekannter "Leonhards-Hagmoar".   Eines Abends beim Hoangoascht wurden recht viel gruselige Geschichten erzählt, die grausigste von R..... selbst. Nach dem allgemeinen Schlafengehen dauerte es nicht lange - Bauer und Bäuerin waren kaum eingeschlafen —, so polterte es mit großem Lärm über die Stiege herunter, und wie der Bauer nachschauen hinaus geht, steht der R.....mit dem ganzein Bettzeug, käsweiß und am ganzen Körper "latternd" draußen und schreit: "Da oben bleib i um koan Preis da Wölt mehr, da geht's grausig zua!" - Ja, was es denn gegeben habe? — Er habe sich kaum niedergelegt gehabt, da hörte er es in der Rem hereinkommen mit schweren Tritten, wie von einer Kuh, dann klockte es an seiner Kammertür wie mit Hörndln und dann gar an seiner Bettstatt. Da habe er sich auf- und durchgemacht. "Dö  Kammer  siecht  mi  nimma."

Ein andermal waren zwei Schneiderinnen in Galgenstatt auf der Stör, Mutter und Tochter, ein sauberes Diandl. Da gab es halt viel Besuch aus den Nachbarschaft, und einmal sind die jungen Leute den ganzen Abend besonders übermütig gewesen, haben allerhand Dummheiten getrieben, sind über die Tische und Bänke gehupft und bis in die StrohschuPfen hinausgekommen. In der Nacht hören die Diandln, die zu fünft in einer Kammer geschlafen haben, zuerst in der Stube die Nähmaschine gehen, dann ist's, wie wenn jemand auf die Bank und wieder heräbhupfen täte, dann, wie wenn die WandKastltür knarrte, wie wenn jemand über den Gang, über den, Söller und auf die Labn ginge, und schließlich klockt es deutlich am Kammerfenster erst wie ein kleines Kind im Hause schrie, hörte der Spuk auf. Die Diandln in Todesängsten stammelten ein Stoßgebet nach dem anderen und trauten sich bis zum Aufstehen kein Wort miteinander zu reden, und da stellte sich heraus, daß sie alle das gleiche gehört. Ein extrig ungueter Geist ist vor Zeiten beim Grüeblerbauern umgegangen. Er stieß die Buabn beim Gaßlgeh'n von der Leiter herab und trieb sonst allerlei! Bosheiten. Einmal erwischte ihn der Bauer und trischakte ihn ordentlich. Er wurde dann von einem Kapuziner in den Kaiser hinein verbannt; er sei wohl zufrieden und werde ganz ruhig sein, wenn man ihm nur einen gestumpften Besen überlasse; aber der Kapuziner kannte kein Erbarmen, bannte ihn dennoch, und zwar auf solange, bis der Schreibname des Bauern auf dem Hofe ausgestorben sei, was  seitdem eingetreten ist.

Auch der Hopfgartner "Stuhlreiter" ist in das Kaisergebirge verbannt, wie die achtzigjährige Erzählerin obiger Geschichten weiß.

Quelle: Sagen aus dem Kaisergebirge, Anton Karg, Kufstein 1926, S. 89
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Leni Wallner, Juli 2006.
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