Das Silberbrünndl am Granderfall.



"Buben!" sagte der alte Hütlingbauer zu seinen beiden Rangen, „daß ihr es wißt, droben am Wasserfall ist das Silberbrünndl, da sind Geister drinnen, und rinnt das reine Silber heraus, wenn man es nur zur rechten Zeit trifft.   Drei   Stunden  hab'  ich  einmal hingehalten,  und eben schaute das Silber heraus, da kam der verfl..... Forstner von St. Johann und hat mich irre gemacht."

Und die Buben horchten und machten große Augen und träumten viele Nächte vom Silberbrünndl und seinen Geistern. — Wer es aber dem alten Hütlinger nicht glauben wollte, dem sei es offen gesagt, daß der Grander- (auch Rettenbacher-) Wasserfall wirklich recht sehenswert ist. Von der Grander Hochalpe, die gerade vor der Flohspitze liegt, fällt das Wasser über eine mehr als 100 Meter hohe Felsenwand und löst sich in Staub auf. Da die Wand weit überhängt, kann man ganz bequem hinter den Fall sich begeben, wo ein weiter, trockener Raum zur Rast einladet. Dort nun fließt aus einer dunklen Spalte eine Quelle, so frisch und klar, daß man sie wie Silberbrünndl nennen darf, wenn auch der alte Hütlinger und seine Buben vergeblich, auf das Silber gewartet haben. Durch die niederfallenden Wasserschauer kann man wie durch einen Schleier in das Tal von Kitzbühel und St. Johann, die grünen Berge und darüber die weißschimmernde Tauernkette betrachten und findet sich für die geringe Mühe (von Going 1 ½ Stunden)  reichlich  belohnt.

Quelle: Sagen aus dem Kaisergebirge, Anton Karg, Kufstein 1926, S. 65
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Leni Wallner, Juli 2006.
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