Der Teufel mit der Kopfkraxe und das Sonneck.



Ob der Teufel hinüber zum Teufelsloch unter der Ackerlspitze oder zum Herstein unter den Törlspitzen oder ob er wohl in die Scharlingerböden hinab wollte, das weiß man nicht: diese wenigen Lücken dazwischen hätten ihn gewiß nicht geniert, so eine kleine Kaiserpartie wäre für ihn doch nur ein Spaziergang gewesen; aber etwas muß ihm doch dazwischengekommen sein, denn er hat da oben am Wiesberg abgesponnen, wie man sich gerne in Touristenkreisen ausdrückt. Der Schwarze kam einmal nachts vom Scheffauer Kaiser über die Hackenköpfe herüber mit einer voll mit Schätzen beladenen, riesig großen Kopfkraxe. Vom Wiesberg zum Sonneck hinüber ist eine Einsattelung, die jäh in das Gamskar abstürzt. Der Geizteufel hatte sich wahrscheinlich zu viel aufgeladen und die schwere Last hatte ihn ermüdet; darum setzte er sich dort bei dieser Einsenkung nieder, ruhte aus und schlief ein. Als er aber wieder erwachte, schien die Sonne bereits über das Sonneck im hellen Lichte, und er sprang, seine schwere Kopfkraxe zurücklassend, in die Tiefe des Gamskars hinab und verschwand. Die Kopfkraxe samt den Schätzen versteinerte sich, und wer von Hinterstein aus auf das  Sonneck will, muß darübersteigen.

Obwohl die Ersteigung des Sonnecks nach derjenigen des Scheffauers die leichteste Kaiserhochtour ist, so hätte es da über die Kopfkraxe doch für manchen sein Häkchen, wenn nicht die Sektion Kufstein darüber ein Drahtseil hätte spannen lassen. Man kann nun von Hinterstein aus diese Tour mit einem Führer ganz ruhig unternehmen und dann über den bequem angelegten Steig durch das Gamskar nach Hinterbärenbad absteigen. Von Hinterstein geht man zur Bärenstatt, dann bei den Höfen Beinstingl und Schöß vorüber, von da weg, sich östlich, haltend, in 11/2 Stunden zur Steiner Niederalm. Von hier in östlicher Richtung in einer Stunde zur Kaiserhochalm, dann links am sagenhaften Sonnenstein vorbei und teils durch Latschengassen, teils über steile Grashänge in zwei Stunden auf den Wiesberg und von da über die Kopfkraxe in einer halben Stunde auf das Sonneck, wo sich eine prachtvolle Fernsicht und ein sehr interessanter Einblick in die Scharlingerböden und die Ellmauer - Haltgruppe bietet. Der Abstieg durch das Gamskar nach Hinterbärenbad bedarf genauer Kenntnis und ist ohne Führer  nicht zu empfehlen.

Teufel mit Kopfkraxe

Noch ein kleines Geschichtchen dazu: Es war noch zur Zeit, als kein Führerwesen im Kaiser geordnet und auf der Kopfkraxe noch kein Drahtseil angebracht war. Da kamen zwei Touristen zum Sonneck aufgestiegen, die sich zur Führung einen Wildschützen mitgenommen hatten. Als sie zur Kopfkraxe kamen, führte der Wildschütz erst sein kleines Söhnchen hinüber, dann kam er wieder, holte seine Büchse und die Rucksäcke der Herren. Wie er damit drüben war, rief er den Herren sehr einladend hinüber: "So, jetzt könnt's herüber geh'n, aber gebt acht, daß ihr nicht hinabfallt; denn da ist erst ein Offizier hinuntergefallen." Das war nämlich so: Eine
k. k. Militär-Expedition begab sich zur trigonometrischen Vermessung am 6. Juni 1851 auf das Sonneck. Wie sie zur Kopfkraxe kamen, wollten die Träger, hiesige Leute, die im Kaiser gut vertraut waren, nicht hinüber, weil auf der Kraxe noch eine Schneewächte lag, welche bei dieser Jahreszeit stündlich abzugehen drohte. Der Leiter der Vermessung, der k. k. Oberleutnant und Trigonometer Anton Prohaska, befahl den Leuten, vorwärts zu gehen; diese aber weigerten sich und machten ihre Vorstellungen.   Nun, da wollte er mit gutem Beispiel mutig vorangehen; allein als er in der Mitte der Kopfkraxe war, ging die Schneelawine und er damit in die Tiefe des Gamskars ab, wo man seine Leiche unter vielen Mühen holte. Er war das Opfer seines Diensteifers und, wie bekannt, der erste Verunglückte im Kaisergebirge.

Quelle: Sagen aus dem Kaisergebirge, Anton Karg, Kufstein 1926, S. 85
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Leni Wallner, Juli 2006.
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