Der Wilde Kaiser als Aufenthalt der Verbannten.


Wie der Untersberg bei Salzburg die Wohnung der verstorbenen Helden und Gerechten, so ist der wegen seiner Schroffheit und Unzugänglichkeit einst gefürchtete Wilde Kaiser in Tirol für die Bewohner des Chiemgaues der Aufenthalt der  Verdammten.  Verbannte, Drachen und giftiges Gewürm halten sich dort auf. Wenn der alte Wagner von Marquartstein den Kaiser im feurigen Rot erglühen sah, als die letzte Hexe hineingebannt wurde, und sich darüber entsetzte, so ersehen wir daraus, welch unheimlichen Eindruck auf unsere Altvordern ein Alpenglühen machte, und daß es nur mit dazu beitrug, den Kaiser zu einem Orte des Schreckens, zum Aufenthalte der Verdammten zu stempeln. Oft soll es dort bei Nacht so zugegangen sein, daß in den umliegenden Ortschaften niemand schlafen konnte. Noch heute kann man nachts die armen Seelen als Lichtlein umherirren sehen. Auch die sündigen Mönche und Nonnen von Herren- und Frauenchiemsee büßen im Wilden Kaiser ihren sträflichen Lebenswandel. Auf der Krautinsel kamen sie bei Lebzeiten zusammen, um der Liebe zu pflegen. Zur Strafe blieb diese Insel unfruchtbar und öde und die Mönche und Nonnen wurden für immer in den Kaiserberg gebannt. Sobald nun der Sturm die Wolken des Chiemsee gefahrdrohend für den Fischer bewegt, flucht er den Gebannten im Wilden Kaiser, vermeinend, daß sie wieder ihr Unwesen treiben.

"Der Heimatfreund".
Nach Lehrer Weinold (Innsbruck) glaubt das Volk, daß die Geister im Kaisergebirge nur auf bestimmte Zeit verbannt seien,- jetzt sei die Zeit gekommen  wo sie wieder frei werden.
Der Tagweiderstier vom Reinkarsee (im Windautal) ist auch in den Wilden Kaiser gebannt.   (Nach Opperer.)            
Desgleichen der "Stuhlreiter" von Hopfgarten, ein wegen seiner Bosheit verrufener Gerchtsdiener, und der Sturm zu Lauterbach/ ein prozeßsüchtiger, hartherziger Bauer, der viel unrecht Gut erwarb. (Nach Lettenbichler.)

Quelle: Sagen aus dem Kaisergebirge, Anton Karg, Kufstein 1926, S. 36f
Für SAGEN.at korrekturgelesen von Leni Wallner, Mai 2006.
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