Eine Belagerung Schrofensteins

Die Sage erzählt uns von dem mächtigen Rittergeschlechte der Schrofensteiner, daß die ersten Sprossen dieses Geschlechtes sich durch Herzensgute, Frömmigkeit und Edelmut auszeichneten und ein Hort der Witwen und Waisen gewesen sein sollen. Durch diese Tugenden sollen sie sich aber den Neid der umliegenden Ritter zugezogen haben und wurden von ihnen belagert. Ein solcher Schrofensteiner Ritter zeichnete sich durch besondere Tapferkeit und Biedersinn aus und wurde aus Groll ebenfalls belagert. Hiebei stürmten sie vergeblich die Veste und sperrten alle Zugänge dahin ab. In der Burg selbst war kein Brunnen und die Insassen litten bald großen Mangel an Wasser. In dieser trostlose Lage begab sich der edle Ritter in einer Nacht in die Burgkapelle und betete vor einem Marienbilde voll Vertrauen.

Burgruine Schrofenstein © Lukas Morscher
Burgruine Schrofenstein, Stanz
© DDr. Lukas Morscher, 19. Juni 2005

"Und wenn auch Schrofenstein fallen sollte, so werde ich doch die Gesetze deines liebsten Sohnes niemals übertreten. Herr, dein Wille geschehe, wie im Himmel, also auch auf Erden",

waren die Schlußworte seines Gebetes. In der Nacht erschien ihm eine Frau in himmlischer Schönheit und meldete ihm:

"Habe Mut, edler Ritter! Gott hat deine Seufzer und das Gebet der armen Witwen und Waisen gehört. Schrofenstein soll nicht fallen. Grabe in der Mitte des Gartens unter dem Rosenstrauch und es wird aus dem nackten Felsen eine Quelle süßen Wassers hervorspringen und dich und die Deinigen laben, und der Wein in deinem Weinfaße wird niemals altern."

Der Ritter erwachte aus dem schönen Traume, begab sich mit einigen Mannen sogleich an die bezeichnete Stelle, ließ nachgraben und nach kurzer Zeit sprudelte eine reichliche Quelle hervor. Alles labte sich und der alte Etschländer im großen Fasse wurde nicht weniger. Der Feind mußte unverrichteter Sache wieder abziehen. Heute ist an dieser Stelle bemerkbar, daß ehemals wirklich eine Quelle geflossen sein muß, die aber sich in dem Kalktuf verloren haben wird.

Quelle: Zit. nach Burgen, Schlösser, Ruinen in Nord- und Osttirol, Beatrix u. Egon Pinzer, Innsbruck 1996, S. 44, aus: Der Sammler, Blätter für tirolische Heimatkunde und Heimatschutz.