Das Bergmännchen.

Ein anderer Hutmann war mit seinen Leuten im Bergwerk beschäftigt. Da hörten sie ein Klopfen, als hämmere jemand im Stollen daneben an die Wand, Das dauerte eine gute Weile. Darüber ward der Hutmann ängstlich und sagte: "Es droht uns Gefahr, das Bergmännchen warnt uns." Die Knappen lachten und arbeiteten weiter. Am nächsten Tag klopfte und rauschte es wieder und diesmal noch stärker als das erstemal. Sie bemerkten zudem an der Stollenwand eine kleine Leiter, die nie vorher an diesem Platze gewesen war. Immer stärker wurde das Klopfen und Rauschen. Plötzlich rief der Hutmann: "Heilige Barbara, steh uns bei!" und stieg eilends über die schwache Leiter hinauf, die anderen liefen zum Grubenausgang, aber es war zu spät. Mit schrecklicher Gewalt drangen die Wassermengen aus den Spalten und durch die Stollengänge hervor und erfaßten die Fliehenden, noch bevor sie den Ausgang erreicht hatten. Der Hutmann droben glaubte, die Leiter müsse jeden Augenblick unter den heftigen Stößen nachgeben und umfallen. Aber sie blieb stehen, als wäre sie festgemacht, und obwohl die reißenden Wogen mit aller Macht anprallten, wankte sie nicht einmal. Als das Wasser immer höher stieg, kletterte auch der Hutmann höher und es war ihm, als ob auch die Leiter immer höher stiege, und wie er hinauf sah, erblickte er auf der letzten Sprosse ein kleines Männlein mit einem langen Weißen Bart. Nach zwei Tagen hatte sich das Wasser verlaufen und jetzt verließ auch der Hutmann die Grube, In der Nähe des Ausganges lagen die Leichen seiner unglücklichen Gefährten.

Quelle: Schwazer Bergwerkssagen, mitgeteilt von Alois Prantauer, in: Tiroler Heimatblätter, 9. Jahrgang, 1931, Heft 2, Februar 1931, S. 63.