Vom Hagauer Wald

Im Hagauerwald soll vor dem Bergsturz ein Kloster gestanden sein, und man will da einen Mönch, büßend und betend, noch vor nicht Langem in der Nacht gesehen haben.

In der Sage heißt es: Es war ein gar großes und überaus strenges Kloster, auch damals ganz vom Wald umwachsen, und kein eigentlicher Weg führte zu ihm. Die meiste Speise der Mönche bestand aus Wurzeln und Kräutern und auch diese wurden noch sparsam genossen, da sonst für vierzig Mönche ein Mangel zu befürchten war. Kopfkissen waren scharfe Steine, so daß bei allen das Hinterhaupt eine mit frischem Blute und alten, eitrigen Geschwüren bedeckte Wunde bildete, auf welche sie sich immer wieder legten. Auf der bloßen Brust trug jeder einen mehr oder weniger schweren Stein überall hin als schwere Last mit. Die im Wald beim Barfußgehen eingetretenen Dornen durften nicht entfernt werden, weil sie von selbst ausschwuren. Auch war es strenge verboten, zu sprechen und den singenden Vögeln zuzuhören. Doch trotz dieser harten Buße erreichten viele ein gar hohes Alter und glaubten dabei die Gewißheit zu haben, nicht verloren zu gehen. Doch auch die Schuld war bei den meisten sehr groß. Raubritter, denen das Zucken von Menschenleibern ein Vergnügen war. und deren Genuß aufhörte, sobald das Opfer nicht mehr fähig war, sich zu winden und zu schreien. Solche, die Kirchen und Ordensleute schändeten, Sakramente zum Spott empfingen. Einer soll sogar dem Teufel bei feinem Tode verschrieben gewesen sein und wollte sich im Kloster der "Geretteten" eine Hoffnung verschaffen. Elternmörder und Sodomiten, alle wandelten hier mit gesenktem Haupte stumm nebeneinander. Auch Weiber der öffentlichen Lust, Kindsmörderinnen und solche, deren Schönheit vielen zum Verderben wurde, fanden hier Aufnahme und hatten so um diese strenge Ueberwindungsaufgabe mehr, was oft das schwerste von allem gewesen sein mag. Die Aufsicht hatte eine Mißgeburt von Mensch, welchem wegen seines eigenen Unvermögens jedes menschliche Gefühl und alle Leidenschaften grimmig verhaßt waren, und bei dem geringsten Vergehen gab es Peitschenhiebe auf der Folterbank.

Quelle: Sagen von verschwundenen Orten und Gebäuden, Simon Rendl, Zimmermoos, in: Tiroler Heimatblätter, 1938, Heft 4, S. 122