Der Korethgeist

Im Wattental, unweit vom Gasthaus "Zur Säge", liegt die Korethaste. Von ihr erzählen alte Leute, sie habe einstmals ein Kasermandl beherbergt, das war mit Bosheiten so eingeteufelt, daß es lange Jahre ganz unmöglich war, ordentliche Dienstleute für den Almbetrieb zu dingen. Nur grobe Senner, die haben es für teures Geld auf der Aste ausgehalten. Da sei das Kasermandl ganz außer Rand und Band geraten und wollte mit seinem wüsten Treiben offensichtlich den groben Knechten die Wiederkehr übers Jahr verleiden. Die aber ließen das Mandl toben und scherten sich nicht darum, wie feind es ihnen war; solang der Bauer gut zahlte, wollten sie es mit ihrem Hausgeist schon aushalten.

Das ging nun so einige Jahre, und der Bauer, den es arg verdroß, von seinem guten Geld wenig Nutzen zu haben, beschloß nach langem Sinnieren, den Pfarrer mit der Sache zu befassen. Für ein paar fromme Knechte wolle er gerne etliche Gulden opfern, erklärte er; die kämen der Kirche zugute und hülfen vielleicht auch der armen Seele droben auf der Aste, den Frieden zu finden. Der Pfarrer tat nach seinem Willen, die frommen Knechte zogen auf der Aste ein, und siehe da: mit einem Male verhielt sich das Kasermandl ruhig. Ja, mit der Zeit machte es sich sogar nützlich in der Wirtschaft; denn wenn fortan keine Kuh sich verstieg, keine Schelle verlorenging, kein Axthaus zerbrach, wer, wenn nicht das Kasermandl, hatte da seine Hand im Spiele?

Was man in den damaligen Zeiten von der Herkunft des Korethgeistes zu berichten gewußt, das ist die alte Geschichte vom übermütigen Senner, der selber im Überflüsse lebend, für die Not der Armen keinen Gedanken erübrigt und die heilige Gottesgab von Milch, Butter und Käse sündhaft verschwendet und verwirft. Der Senner von der Korethaste hat in teuflischem Übermut Butterkugeln und Käslaibe über den Berghang hinunterrollen lassen und vor Ausgelassenheit laut gegröhlt, wenn ein Stück an einem Stock oder Stein in tausend Brocken oder Fetzen flog. Zur Strafe für seinen Frevel hat er im Tode keine Ruhe gefunden; immer um die Mitternacht mußte er umgehen und hangauf und - ab nach der verworfenen Gottesgabe suchen. Mag sein, daß ihm die Opfergabe des Bauern zum Frieden verholfen hat, denn wenige Jahre später hat man vom Kasermandl auf der Korethaste nichts mehr gehört noch verspürt.

Quelle: Sagen aus Wattens und Umgebung; gesammelt von den Schulkindern in Wattens und Wattenberg. In: Wattener Buch, Beiträge zur Heimatkunde von Wattens, Wattenberg und Vögelsberg. Schlern-Schriften 165, Innsbruck 1958. S. 309 - 326.