DAS VENEDIGERMANDL
So lange ist es noch nicht her. Der Großvater meines Großvaters ist ihm noch begegnet. Alle Sommer kam ein "wallisches Lötterle", quartierte sich auf der Mellitz ein und suchte ungesehen in der Firschnitz und im Ledraun nach Gold. Dazu hatte es einen geheimnisvollen Spiegel im Rucksack, der ihm mit Hilfe der Sonnenstrahlen die Goldminen anzeigte. Beim ersten Absuchen der Virger Berge soll das Mandl laut vor sich hingesungen haben:
"Du reicher Berg, du armes Tal,
zu wenig Futter überall.
Aber zwischen Wun und Ochsenbug
Gibt's Gold und Silber viel genug."
Blick auf die Berge bei Virgen, wo sich das Venedigermandl
herumgetrieben hat
mit freundlicher Genehmigung von der Gemeinde
Virgen zur Verfügung gestellt
© www.virgen.at
So recht glauben wollte dem Mandl niemand. Als Jäger und Hirten
dem Goldsucher, der meist kurz nach Mitternacht sein Lager verließ,
nachschlichen, verloren sie allemal seine Spur. Auch den großen
Rucksack, mit dem das Venedigermandl allsommerlich Virgen verließ,
hielt er immer in einem Versteck. Steinesucher, die zwischen Wun und Ochsenbug
selbst heimlich nach Gold suchten, brachten nur Kristalle und "Katzengold"
(Schwefelkies) heim. Gold haben sie keines gefunden und Virgen blieb ein
armes Tal.
Quelle: Virgen im Nationalpark Hohe Tauern, Louis Oberwalder, Innsbruck 1999, S. 266