Geheimnisvolle Berge

 „Das einsame, öde Bergland und durch Lage, Form und Wolkenbildung am Gipfel auffallende Berge werden überall seit alters als Tummel- und Wohnplatz verschiedener Dämonen und Wohnsitz von Göttern angesehen!“ 75)

75) Handwörterbuch des Aberglaubens, unter „Berg“, Spalte 1043.

Welch starken Eindruck machen schon heute die Berge auf den Menschen, dem sich die Natur in aller Macht zu offenbaren scheint! Wie gewaltig aber mögen die Berge auf den Menschen der Vorzeit gewirkt haben, der noch nicht in die Geheimnisse der Natur eingedrungen war und sie zu entschleiern begann! Wenn schon die alten Römer die Alpen und Berge als schrecklich empfunden hatten, so müssen die Berge auch in den germanischen Eroberern einen tiefen und nachhaltigen Eindruck erweckt haben. Nur langsam mögen sie sich in die letzte Wildnis vorgewagt haben. Sie mussten die Berge erst erleben. Sie mussten erst eine tausendjährige Erfahrung sammeln, bis sie all die Wassergänge der Muren und Lawinen, all die Eigenarten der Natur im Sommer und Winter, die Stürme und Jahreszeiten richtig abschätzen gelernt hatten. Und viele Berge blieben den Bewohnern bis zur neueren Zeit heraus ein einziges Rätsel und Geheimnis! Keines Menschen Fuß hatte sie betreten und das Volk glaubte, dass dies auch nie möglich wäre. Noch um die Mitte des vorigen Jahrhunderts schrieb der Bahnbrecher der tirolischen Heimatkunde, der Meraner Professor Beda Weber vom Pflerscher Tribulaun, dass er bis jetzt nur von Gemsen erstiegen sei! ja, „er wird selbst von den kühnsten Jägern für unersteiglich gehalten und im Munde des Volkes lebt die Sage, dass auf dessen Gipfel Wünschelruten zu erheben wären, welche den Mut und die Mühen des Ersteigers überreich belohnen würden“!

Die alten Pflerscher Bergbauern glaubten, dass ein Adler das Güldene Kegelspiel auf dem Gipfel bewache. Ein Bauer wollte einmal den Gipfel besteigen. Da verstieg er sich so furchtbar, dass er sich die Schuhe auszog und mit dem Messer in die Füße schnitt, um am Felsen zu kleben. (Eisendle, Pflersch.)

Auch die Namen vieler Wipptaler Berge schließen fast unerforschbare Geheimnisse in sich ein! Da sei vor allem an die schöne Gestalt des Wolfendorn am Brenner gedacht, der manchmal mit Recht mit dem Matterhorn verglichen wird. Bis nach Innsbruck hinaus zieht die edle Gestalt dieses Berges das Auge des Beschauers auf sich. Wolfendorn ist der Name! Man könnte vielleicht denken, dass der Name auf die dornähnliche Gestalt Bezug nimmt. In Wirklichkeit hat sich diese Namensform aber erst später entwickelt. Der Beiname „Wolf“ ist erst im letzten Jahrhundert dazu gekommen, weil die dortige Alm zum bekannten Wolfenwirtshaus am Brenner gehörte. Nur der Name „Dorn“ zeigt, wenn auch in gewisser Entstellung, die ursprüngliche Form, wie sie in der Peter-Anich-Karte überliefert ist: Nornberg!

Egger nimmt an, dass der Berg mit dem Tale zusammenhängt, das von hier nach Süden abzweigt und Norital hieß. Auch der Norigau wurde danach benannt. 76)

76) Egger, Flurnamen, S. 365 und 543; Steinberger erklärt den Berg als „Nordenberg“, und zwar soll der Name von Pfitsch aus entstanden sein, von wo der Berg tatsächlich als Nordberg in Erscheinung tritt. Aber der Name ist sicher nicht von Pfitsch aus entstanden, sondern von der Brenner Senke, was jedem Ortskundigen sofort ins Auge fällt. (Tiroler Heimatblätter, 1930, S. 214.)

War der Giggl-Berg an den Südhängen der Brenner- Senke dem „Guggu“ (Kuckuck) oder dem Hahn geweiht oder hat sich der Name sonstwie ergeben . . .? Im Volk spricht man heute noch vom „Giggl“, dem Hahn. Der Name mag sich daher nicht auf den Kuckuck, sondern auf den Hahn bezogen haben. Was aber bedeutet dies . . .? Der Hahn als Sinnbild der Wachsamkeit (ein christliches Zeichen) findet sich auf vielen Kirchtürmen des Wipptales, auch in St. Magdalena im Gschnitztal. „Die Bedeutung von bloßen Wetterfahnen scheinen die Hähne auf den Kirchtürmen nicht gehabt zu haben.“ 77)

77) Grimm, Mythologie, S. 387. Auch in Natters gibt es einen erhöhten Hof namens Gigglberg. Vgl. A. Dörrer, Wie einst im Mai! Innsbruck 1939, S. 47 f. Handwörterbuch des Aberglaubens, unter „Blitz“, Sp. 1413.

Auffallend sind aber im Wipptal die sogenannten Thor-namen, mit denen besonders im Gschnitztal einige Berge benannt sind. Dort steht neben dem majestätischen „Kirchdach“ die „Thorsäule“, im Bauernvolk jedoch heute noch „Thaursäule“ benannt, sowie der „Thorspitz“. Dort befinden sich auf der anderen, südlichen Bergseite am Bergstock des Tribulaun, weitere Thornamen: Das hohe Thor, das Thorkar, das Thorschartl, daneben die Thörlesgrube, der Thorschlag und Thoreben und vor allem „die Thoaren“ oder Thoarfelder bei Trins.

Was soll nun der Name Thor . . .? Bezieht er sich auf ein Tor, eine Eingangstür oder einen Bergübergang . . .? Vor allem steht das eine fest, dass es die Lage der Thorsäule von vorneherein ausschließt, auch nur im entferntesten an einen Übergang zu denken. Die dortige Gegend — in der nächsten Nähe der schon erwähnten Ilmspitzen — ist so wild und abgelegen, dass auch heute noch kein gangbarer Weg in das jenseitige Pinnistal führt. Die Thorsäule bildet daher gewiss kein Übergangstor. Außerdem wurde schon betont, dass die alte Bezeichnung nicht Thor- sondern Thaur-Säule lautet. In dieser Hinsicht stimmen sowohl die alten Gschnitzer als auch Jäger überein. Welche Bedeutung aber hat dies Wort Thaur . . .? Ist vielleicht das Stammwort „taurus“ oder das alte Grundwort, das heute noch in den „Tauern“ gesprochen wird, enthalten? Oder hat V. Hintner recht, der die Thaursäule zum germanischen Donnergott Thor bezieht? 78) Egger verweist auf diese Erklärung, obwohl er auch daran denkt, es könnte sich um eine Säule zum nahen Kirchdach handeln. Aber die Bauern sagen „Thaursäule“, nicht „Thorsäule”. Dann muss aber betont werden, dass der Bergname Kirchdach nicht von Gschnitz aus entstanden ist, sondern von Trins und Steinach aus. Nur von dieser Seite nimmt sich der Berg wie ein gewaltiges Kirchdach aus. Ein Kirchdach hat es nach Angabe der alten Gschnitzer auch im Moarthor, im Gebiet der schon vorhin erwähnten Thorberge, gegeben! Der Name hat sich jedoch heute verloren.

78) Hintner, Stubaier Ortsnamen, S. 199.

Und wie verhält es sich mit den anderen Thornamen? . . . Die volkstümliche Aussprache lautet eigentlich wie „Toar“ im Sinne eines Tores. Nur der alte, 85jährige Salzer, der diese Berge bis zur letzten Felskuppe von Jugend auf kennt und begangen hat, spricht nicht von einem „Toar“, sondern genau „Tor“. Fragt man ihn, ob dieser Name so viel wie „Tor“ bedeutet, ob sich dort ein Übergang findet, dann stellt er dies entschieden in Abrede. Tatsächlich machen auch die umliegenden Berge im Moar-Toar einen geradezu abschließenden Eindruck. Von allen Seiten fühlt man sich beengt und bedrückt. Ungeheuer eindrucksvoll ist der weite Kessel der Roßgruebe. Wohin oder woher sollte ein Übergang oder ein Tor führen . . .? Selbst heute gibt es keinen gangbaren Weg ins jenseitige Sandestal, keine Markierung auf die dortigen Bergspitzen, nur über das südlich gelegene Muttenjoch führt ein Übergang in das Obernberger Tal. Die örtlichen Verhältnisse sprechen daher auf jeden Fall gegen die Annahme, dass der dortige Thorberg nach einem Tor oder Übergang benannt worden wäre. Noch weniger trifft dies beim Toar-Schlag und den Thoaren zu. Diese Meinung vertritt auch Egger und jeder, der das dortige Berggebiet von Sehen aus kennt. Allerdings gibt es noch das schon erwähnte „Thorschartl“. Aber es handelt sich um einen ganz unbedeutenden Übergang, der kein besonderes Gepräge zeigt. Nicht die umliegenden Berge wurden nach dem Schärtl benannt, sondern das Schärtl nach den dortigen Bergen. (Z. B. das Mutten joch nach der Mutte; die Hammerscharte nach dem Hammerspitz, die Alpeiner Scharte nach der Alpeiner Alm und so weiter!) Der Thorspitz wird als solcher schon im maximilianischen Jagdbuch erwähnt!

Alois Egger denkt an die Möglichkeit, dass sich der Bergname Thor vom alten Donnergott Thor abgeleitet hat. Kein Zufall wäre es, da das ganze Berggebiet in der Umgebung so seltsame Namen aufweist. In nächster Nähe findet sich auch das christliche Wahrzeichen, da ein überragender Bergspitz nach dem dort befindlichen Wetterkreuz mit dem gleichen Namen „Wetterkreuz“ benannt worden ist.

Die Erklärung nach Steinberger führt auf romanisches Sprachgut zurück, während der ortskundige Messner die einfache Deutung mit „Tor“ vorzieht.

Die Sonne lebte in höchster Verehrung beim alten Naturvolk in den Bergen: Die Frühlingsstürme waren ein Kampf der bösen Mächte gegen das erstarkende Licht der Sonne. Wenn die Sonne höher und höher stieg, freute sich der Mensch auf den kommenden Langes (Frühling). So ist es kein Wunder, wenn viele Berge nach der Sonne bezeichnet sind, so der Sunnenstein (Serles), der Sunnenkopf, Sunnenspitz, Rosenjoch, weil die Sonne dort so rosig entschwindet. Es gibt aber auch Berge, die nach dem jeweiligen Auf- oder Untergang der Sonne zu verschiedenen Jahreszeiten bezeichnet sind.

Von Sonnenglanz umleuchtet strahlen auch heute noch früh am Morgen und spät am Abend, Sommer und Winter, die schönen Berge der Feuersteine im Wipptal. „Dort schlägt die Sonne an“, wie das Volk so treffend den Vergleich mit den „Feuersteinen“ ausdehnt. „Wie man ja auch anschlägt, dass die Funken spritzen!“ Der Fuirstoan im Gebiete des Olperer, heute zu dem sinnlosen Fuß-Stein verunstaltet, hat außerdem noch die spitze Form eines Feuersteines, so dass schon deswegen sein Name sehr zutreffend ist. Und wenn am Abend die Sonne anschlägt, dann leuchtet und strahlt der sonst so matte, graue Fels in fast magischem Glanze. Die Feuersteine im Hintergrund des Gschnitztales, der östliche und westliche Feuerstein, sowie der apere (schneefreie) Feuerstein, bestehen aus einer breiten Schneekuppe und nur an den Spitzen zeigt sich ein rötlicher Fels. Sommer und Winter scheint dort die Sonne am frühesten und am längsten. Vielleicht, dass die Feuersteine im Vals im Sonnenaufgang, die Feuersteine im Gschnitz hingegen im Sonnenuntergang stehen und von diesem zeitlichen Standpunkt aus benannt wurden.

Mit diesen „Sonnenbergen“ hat man schon ein Gebiet berührt, das vielleicht bisher am wenigsten erforscht werden konnte, ja, das vielleicht immer unbekannt und geheimnisvoll für die Nachwelt sein wird: Die Zeitbestimmung des Tages und der Jahreszeiten! Sonnenaufgang, Sonnenuntergang, Sonnenwende! So wie heute, hat auch in der Urzeit die Sonne nach den ewigen Gesetzen der Natur ihren Kreislauf in immer wiederkehrender Reihenfolge beschlossen. Heute kennen wir die Gesetze. Damals aber war alles ein Geheimnis. Erst die fortwährende, jährliche Beobachtung der ständigen Wiederkehr und Wiederholung der Sonnenbahn brachte dem Menschen den einzigen Wegweiser und auch — den einzigen Zeitweiser! Aber wie, fragt man sich heute mit Recht! Und was ist beim Volk noch verblieben . . .? Welche Spuren haben sich im einfachen Bergvolk bis zur heutigen Zeit erhalten?

Darauf muss geantwortet werden: Herzlich wenig oder vielleicht überhaupt nichts! Ja, vielfach ist man nur auf Vermutungen angewiesen! Aber doch scheint es mir, als ob noch die letzten Spuren einer ältesten Zeitrechnung auf uns gekommen wären:

Die ältesten Bauern stimmen nämlich damit überein, dass man den Tag früher nur nach der Sonne gemessen hat. In allen Tälern findet sich eine genaue Sonnenbeobachtung, nach der man sich teilweise, zum Beispiel auf den Bergmahdern heute noch richtet. Diese Sonnenbeobachtung aber erstreckte sich auf die Jahreszeit. So kennt man in der „ganzen Leite (Berghänge bei Vinaders- Obernberg) viele Örtlichkeiten, wo die Sonne an diesem oder jenem Tage im Winter zum ersten Mal wieder erscheint“. (Fürst.) In Vals sagte der alte Lutzer, dass die Alten genau gewusst haben, wo die Sonne zu Weihnacht oder Lichtmess aufgeht und wann sie wieder zu den unteren Höfen scheint. Ähnliche Verhältnisse treffen auch in Schmirn und Gschnitz zu. Nur in Trins scheint man im Dorf selbst nicht oder wenig darauf geachtet zu haben, weil ja dort die Sonne den ganzen Winter hindurch scheint. In vielen Tälern sagt man am 21. Dezember: „Itz kehrt die Sunne um!“ „Bis zum Kinigentag geht die Sunne dann nur einen Huhneschritt.“ (Fürst.)

Dann aber wurden auch die Tageszeiten genau nach dem Stand der Sonne beobachtet. Einige Flurnamen erinnern daran! In Schmirn (Hoggeneiner Gegend) wurde der Fünfer-Stadel deswegen so benannt, weil bei diesem Stadl zur Mahdzeit im Sommer um fünf Uhr die Sonne verschwindet. Der alte Lutzer sagt: „Die Sunne ischt die böschte Uhr!“ Er weiß genau, wann er um 12 Uhr bei der kleinen Kapelle zu läuten hat. Er braucht gar nicht auf die Uhr zu schauen. In den Valser Bergen gibt es mehrere Stellen, die mit der Zeitrechnung verbunden sind: Der „Siebener Stoan“ ist danach benannt, weil dort die Sonne um sieben Uhr zur Mahdzeit untergeht. „Wenn am Moarstroahl im Winter die Sunne aufgeht, dann ists zechen!“

Auch der First von Vinaders erwähnt mehrere solcher Beispiele: „Wenn beim Mahnen die Sonne an der Beilwand entschwindet und der erste Schatten auf den ‚Groaßen Stoan‘ fallt, dann ist es drei viertel auf Drui!“ Mehrere solcher Zeitbenennungen finden sich im Gschnitz. (Öttl.) Auch die Neuner-, Zehner-, Elfer- und Zwölferspitz im Stubai (Habichtkamm) sind nach dem jeweiligen Sonnenaufgang benannt.

Aus diesen wenigen Beispielen, die ums vielfache vermehrt werden können, ersieht man deutlich, wie genau und eingehend früher die Sonnenbeobachtung üblich war, obwohl man die Uhren doch schon lange Zeit kannte. Vor etwa 50 Jahren waren noch die sogenannten „Sunnenringe“ üblich, kleine Sonnenuhren, die man in die Tasche stecken konnte, ein volkskundlich recht interessanter Gegenstand. Wie alt aber die Uhren auf den Kirchtürmen sind, ersieht man daraus, dass es in Steinach schon 1587 eine Turmuhr gab. Infolge eines 1585 erfolgten Feuers wurden die Türme teilweise zerstört und dann musste der „Maller zu Ynnsprugg, Conradt Leygeb“ zwei „Vrscheyben“ bemalen und die zwei Zeiger übergolden, wie in der Kirchenrechnung von 1587 geschrieben steht. Demgemäß muss also die Kirchenuhr schon vor dem Jahre 1587 bestanden haben! 79)

79) In der 1587 erstellten Kirchenrechnung anläßlich des Umbaues der Kirche von Steinach nach dem Brand von 1585 (Kirchrenarchiv Steinach). Das Ziffernblatt ist an der Innenseite des alten Turmes heute noch zu erkennen.

So hat also auch auf dem Lande schon vor 400 Jahren eine hohe Kirchenuhr die Zeit angekündigt, um dann langsam die natürliche Zeitrechnung, die sich auf den Kreislauf der Sonne stützt, zu verdrängen, bis heute fast jede Erinnerung an die „alte Sonnenuhr“ erstorben ist. Nicht ganz selten im Wipptal, so in Mauern beim Ruepe, im alten, gemauerten Stadel des Gasthofes „Wolf“ bei Steinach usw., ist noch die Sonnenuhr zu sehen.

Wenn man heute von einer „Sonnensucht“ der Jugend spricht, so scheint dies in alten Tagen nicht minder der Fall gewesen zu sein. „Hart g’wartet hat man auf die Sunne“, sagt der alte Lutzer in Vals, wo die Menschen ja auf vielen Höfen von Allerheiligen bis Lichtmess keinen einzigen Sonnenstrahl sehen. Sehnsüchtig haben die Leut auf den Schatten geschaut, wenn er im Spätherbst immer höher an der sonnseifigen Wand emporstieg und im Winter immer tiefer rückte, bis endlich um Lichtmess die Sonne wieder über die Berge schaute. Sunnenseite und Nederseite (Norden) spielen ja bei der Talbesiedlung eine große Rolle. Auf der Sonnenseite wird es fast einen Monat früher „Langes“ als auf der Nederseite. Und die Trinser gehen auf St. Magdalen „Sunnebeten“, wenn das Wetter im Sommer gar nit tuen will. Das hat immer geholfen, erzählen die alten Trinser. Auch in der Volkssage kommt diese „Sunnensehnsucht“ bei den Schmirnern recht urwüchsig zum Ausdruck. Allerdings lieben es die Schmirner nicht, wenn man dieses echte Schildbürgerstückchen zu oft erzählt:

Da hat den Schmirner Bergbauern der Winter zu lange gedauert und die Sonne wollte sich auch im Frühjahr kaum sehen lassen. Sie dachten, es wäre nur bei ihnen so spät an der Jahreszeit. Dann gingen einige rechte „Tölderer“ (Talbewohner) zur selben Zeit auf einen Markt nach Steinach, wo es allerschönstes Wetter gab. Ja, wieso es denn käm, dass da heraußen die Sunne scheint und bei ihnen im Schmirn drein nit, fragten die Schmirner verschüchtert. „Oh — mir hob’n sie genueg“, gaben die weltklugen Steinacher zur Antwort. Und nun wagte sich ein Schmirner Bäuerl hervor, ob sie denn nit eine Sunne zu verkaufen hätten. „Ja, ja, ginueg! Ginueg!“, gaben die Steinacher nun schnell zur Antwort. So wurden sie handelseinig und schließlich kehrten die Schmirner am späten Nachmittag voller Freude heimzu, in einem großen „Panzen“ (Fass) hatten sie sich ein ordentliches Stück Sonne um hohen Preis erworben. In diesem Fass summte und brummte es ganz ungeheuer. Dies wäre die Sunne, sagten die Steinacher. „Aber ja nit auslassen, vor sie heimkommen“, gaben sie ihnen vorsichtigerweise den Rat. Auf dem steilen Bergweg bei den „Öggen” hatte jedoch das Hochwasser den Damm unterspült und die kleine Greie, auf der sie das Fass aufgeladen hatten, kam ins Rutschen.
Das kostbare Faß fiel über einen Felsen den Abgrund hinunter. Der Deckel schlug auf einen spitzen Stein und nun ergoss sich die ganze kostbare „Sunne“ summend und brummend in die freien Lüfte. „Ganze Schwärme voll Sunne sein dervun!“ Da wussten sich die armen Schmirner, die schon so nahe am Ziele waren, nicht mehr zu helfen. Aufgeregt schrien sie und winkten der kostbaren Sonne:

„Sunne, Sunne! Schmirn zue!
Sunne, Sunne! Schmirn zue!“

Aber die „Sunne“ ging ihre eigenen Wege und der ganze summende Schwarm Bienen flog in die freien Lüfte.
Dieser etwas boshafte, auch sonst weitverbreitete Volksschwank von den „sunnehungrigen“ Schmirnern hat immerhin diesen wahren Kern, dass man die Sonne in den alten Tagen hoch geschätzt hatte, wohl höher als heute. Denn heute weiß man, dass sie ein Gestirn ist, damals hat man die „Sunne“, in der germanischen Sage allgemein als „Frau Sonne“ benannt, als etwas Höheres angesehen! Die Trinser gingen nach St. Magdalen „um Sunne beten“.

So wie die Alten die Tageszeit nach dem Sonnenstand gemessen haben, so hat man in Urzeiten als einziges Mittel zur Bemessung der Jahreszeit nur die Sonne und Gestirne gehabt. Damit ist ein Problem berührt, das — wie schon früher erwähnt — dem heutigen Menschen vielleicht für immer geheimnisvoll bleiben wird. Aus einigen Anzeichen kann erschlossen werden, dass auch beim Bergbauernvolk des Wipptales in früheren Zeiten die Sterne beobachtet wurden und der Lauf gewisser Gestirne bekannt war. Der alte Cajetan Gratl sagt, dass die Alten die Sterne gekannt haben. Die Zach Nanne sagt: „Am Himmel hat es das ganze Arbitszuig gegeben.“ Demgemäß waren die Sternbilder nach den bäuerlichen Arbeitsgeräten eingeteilt. Es sind ihr jedoch nur das Bild des „Rechens“ (Heurechen) und das Bild der „Kegelbahn“ erinnerlich. Ihre im Alter von über 90 Jahren verstorbene Mutter hat viele solche bäuerliche Sternbilder gekannt. Dass der Kreislauf des Mondes gerade bei den Bergbewohnern sehr genau beobachtet wurde, dass eine Unmenge Bräuche beim „ohnemit’n“ (abnehmenden) oder „wochsit’n (wachsenden) Mune“ (Mond) eingehalten und beobachtet wurden, ist bekannt. Viele Bergbauern richten sich bei Aussaat und Ernte oder besonders beim Holzhacken heute noch nach dem „Mune“. Ebenfalls sollen die Haare nur beim wachsenden Mune geschnitten werden und so weiter. In Steinach scheint der Flurname „Mune“ an den Mond zu erinnern. Das betreffende Feld ist etwas höher gelegen, mit freiem Blick besonders nach dem offenen Süden. Volkstümlich nennt man den Mond ja heute noch „der Mune“. Auch die kleinen Gänseblümchen werden „Munilen“ (kleine Möndlein) genannt.

Aber noch viel tiefer greifend als der Kreislauf von Mond und Sternen, scheint der Kreislauf der Sonne auf alle Lebenserscheinungen der Vorzeit gewirkt zu haben, besonders jedoch auf den Wechsel der Jahreszeiten und die damit verbundenen Bräuche. Alois Egger vermutet in einer Abhandlung mit Recht, dass „der Volkskalender, die althergebrachten Bräuche, Sagen, Meinungen, die Berechnungen und Sinnbilder für die regelmäßigen Zeitabschnitte in unseren Alpenländern mit der alten arischen Zeitrechnung in Einklang“ gebracht werden dürfen. Dann würde die ganze „heimische Festordnung, Mythen- und Sagenwelt eine systemgerechte, wohlgegründete, weithin nachweisbare Erklärung finden“. 80)

80) A. Egger, Das große Neujahr und die indogermanische Zeitrechnung in: Monatshefte für deutsche Erziehung, Wien 4. Jg. 1926, 12. Heft, S. 441 ff.

Unschwer erkennt man in den heiligen zwölf Nächten (vom 24. Dezember bis zum 6. Jänner) die Schaltfrist, die bei Einführung der babylonischen Zeitrechnung zwischen zwölf vollendeten Mondesläuften zu 29½ Tagen (6. Jänner bis 24. Dezember) und dem vollendeten Sonnenjahr eingeschoben werden! Diese zwölf Nächte bilden gewissermaßen ein kleines Vorjahr, in dem jede einzelne einen kommenden „Mond“ vorausspiegelt. Die Heilige Nacht bildet den Anfang dieses „kleinen Jahres“, während der „Kinigen-Abend“ den Abschluss darstellt. Der „Kinigentag“ galt und gilt noch heute beim Bauernvolk als einer der größten Feiertage des Jahres. An diesem Abend trifft die uralte „Perchtensage“ auf. Die vielen Sagen während der zwölf heiligen Nächte stehen daher auch in innigem Zusammenhang mit der ältesten Zeitrechnung.

Aber damit wurde schon eines der schwierigsten und dunkelsten Kapitel der volkskundlichen Forschung berührt: Die astronomische Zeitmessung und Zeitberechnung!

Bei der prähistorischen Wallburg am Jobenbühel in Südtirol konnte von G. Innerebner der wohl genügend begründete Nachweis einer „zeitweisenden Kultstätte der Urzeit“ erbracht werden. „Die Zeitbestimmung“ hing „von der Richtung des Sonnenauf- und -Unterganges, von der Winter- und Sommersonnenwende“ ab. Um dies jedoch jährlich genau festzustellen, war die sogenannte „Ortung“ erforderlich. Der Verfasser wies darauf hin, dass für den Boden Mitteleuropas schon eine Menge georteter Kultstätten mehr oder weniger sichergestellt wurden. Aber als erste, auf Grund von mathematischen Berechnungen mit größter Sicherheit festgestellte „Ortung im Gebirge kann „die Anlage auf dem Jobenbühel“ gehalten werden. 81)

81) G. Innerebner, Der Jobenbühel — eine zeitweisende Kultstätte der Urzeit, Der Schlern, Bozen.

Mag nicht auch das Volk in den Bergen in ähnlicher Naturbetrachtung des Auf- und Niederganges der Sonne an gewissen Standorten und an gewissen Bergen jährlich beobachtet haben, um die Jahreszeit zu erschließen und festzustellen? Vielleicht war der „Sunnenstein“ (Serles) ein solcher „Sonnen-Stein“ im wahren Sinne des Wortes für das Stubaital, wo der Sonnenaufgang im Winter an manchen Stellen ja ein ganz seltsames Schauspiel bietet. Zwei- und dreimal geht bei Mieders hinter der Serles die Sonne im Winter auf, um immer wieder zu verschwinden (Elfer- und Zwölfer-Spitz). Allerdings wird es sich nicht um eine solche prähistorische Ortung gehandelt haben, wie vorhin beschrieben. Das war bei einer so auffallenden Bergform wie der Serles auch keineswegs nötig. Da genügt ein Standpunkt auf einem kleinen Hügel, dessen Spitze vielleicht jährlich am 21. Dezember genau beschienen wird. Viele Bergbauern wissen heute noch genau den Stand der Sonne beim Auf- oder Untergang am 21. Dezember und am 21. Juni. Das ist keine neue Errungenschaft, sondern der letzte Rest einer früher sehr genauen Naturbeobachtung und tausendjährigen Erfahrung!

So viel steht zweifelsohne fest, dass der naturhafte Mensch den Lauf der Sonne und Gestirne beobachtet hat. Ganz von ferne ahnen wir, dass manche Berge die Bedeutung von zeitmessenden Bergen gehabt haben, besonders solche Berge, die irgendwie das Tal gebieterisch beherrschen und im Winter beschatten. An manchen schattseitigen Höfen in Osttirol werden noch bis zur Gegenwart Speisen als Opfergaben auf den Söller gestellt, wenn die Sonne um Maria Lichtmess das erste Mal wieder den Hof bescheint. Dass es im Wipptal ebenfalls „zeitmessende Berge“ gegeben hat, steht außer Zweifel. In Urzeiten hat es keine Uhr und keinen Kalender gegeben. Noch heute schauen die Valser Bauern auf „Moarstroal“ genau im Süden des Tales, wo im Winter um zehn Uhr die Sonne aufgeht. Die Schmirner verfolgen sehnsüchtig die Lichtbahn am „Hoger“ und in Obernberg schaut man auf den Tribulaun. Es besteht kein Zweifel, dass es in jedem Tal solche zeitmessende Berge gegeben hat. Aber die Naturbeobachtung des Menschen der modernen Zeit ist so oberflächlich geworden, dass die uralten Zusammenhänge kaum mehr geahnt, geschweige erlebt würden!

So wie die Miederer in Stubai den Sunnenstein, die Valser Moarstroal, die Pfitscher die Wilde Kreuzspitze, andere wieder ihren Morgenkogel oder Mittagkogel, ihren Elfer oder Zwölfer hatten, so gab es auch im Gschnitztal einen Berg, der die wichtige Aufgabe eines zeitmessenden Berges erfüllte, nämlich der Zeisspitz! Der Zeisspitz hebt sich düster und schwarz gerade an der Südseite des Gschnitztales in nächster Nähe der Thorberge in die Höhe. Karg leuchtet die Sonne in den dunklen Wintermonden über das von allen Seiten mit hohen Bergen eingeengte Gschnitztal. Nur die Ilmspitzen, die Thaursäule, das Kirchdach und der Habicht leuchten in strahlendem Sonnenglanz. Auf der anderen Seite aber bietet der Zeisspitz einen seltsamen Gegensatz: Wie ein ungeheurer Kegel stülpt sich seine dunkelbeschattete Gestalt in die Höhe und überschattet das ganze Gschnitztal. An den jenseitigen, sonnseitigen Hängen zeichnet sich das wuchtige Schattenbild des Berges. Ende Jänner aber beginnt der ganze Kamm des Berges in feurigem Lichte zu strahlen. Ganz nah dem Kamm verläuft die Sonnenbahn in konzentrischer Linie mit den Umrissen des Berges. Täglich weitet sich der Sonnenbogen. Täglich wird der Schattenkegel im Tal enger und kleiner. Aber doch zeichnet er sich haarscharf ab. Langsam wandert er mit der Tagesstunde von Westen gegen Osten in umgekehrtem Lauf mit der Sonne. So scheint der Zeisspitz für das Gschnitztal wahrlich als der Licht und Sonne bringende Berg! Der Gschnitzer Bergbauer findet sich damit ab, indem er scherzhaft sagt: „Den Zeisspitz hatt’n mer foal“, das heißt, sie möchten ihn gerne an den Mann bringen!

Von Gschnitz aus reckt sich die einige hundert Meter hohe, dunkel angehauchte Nordwand des Zeisspitz wuchtig und unnahbar in die Höhe, dunkel umrandet von dem darunter befindlichen Geigerwald. Auch dieser Name ist auffallend ähnlich wie der Klinglerwald im Gebiet des Obernberger Sees. Steil und schroff, felsenzerrissen ist das Berggelände. Weiße Lawinenstreifen und Murengänge haben sich durch den spärlich bewachsenen Bannwald durchgefressen und brechen fast jedes Jahr wieder durch die altgewohnten Bahnen, von denen sie keine Menschengewalt zurückhalten kann. Unnahbar, drohend und geheimnisvoll muss der Anblick dieser dunkeln Felsenwand in Urzeiten gewesen sein. Erst in den letzten Jahren haben junge, verwegene Bergsteiger zum ersten Mal die Wand bezwungen. In weitem Halbkreis, schwer und doch von kühn geschwungener Linienführung, mit kleinen Felsgriffen durchsetzt, hebt sich der Gipfelteil der Wand scharf vom hellen Himmel ab. Besonders im Winter, wenn ein ganzer Kranz von Sonnenstrahlen hinter den dunklen Felsen hervorsprüht, dann erst fühlt man den großen Eindruck des Gegensatzes: Licht und Dunkel!

Gegen Westen hin zieht sich dann ein zerrissener Grat gegen das Thor, die Thorwand, die ebenfalls schroff und abweisend gegen das Gschnitztal zu abfällt. Lawinenrisse und Murgänge ziehen sich von der Wand weg durch den Wald ins Tal wie beim Zeisspitz. Die Thorwand versperrt den Anblick des eigentlichen Thorspitzes oder des Hohen Thor dem Auge des Beschauers von Gschnitz aus. Erst vom Prangerhof sieht man den Hohen Thorspitz, der sich viel höher emporreckt als der Zeisspitz. So liegen beide Berge, der Zeisspitz und das Hohe Thor, im Mittelpunkt des Blickfeldes vom Gschnitztal. Unnahbar und geheimnisvoll muss der Eindruck dieser Berge in Urzeiten gewesen sein. Keine Alm, keine Weide, keine wie immer geartete Nutzung boten sie — wie noch heute — dem Menschen von damals. Nur Lawinen und Muren bedrohten von dieser Seite das Tal. Und im Winter verdeckten die beiden Berge die Sonne. Erst jenseits im Moartoar befindet sich eine Alm und Weide, die jedoch nach Trins gehört.

Ganz seltsam und eindrucksvoll aber ist der Anblick des Zeisspitzes vom Gschnitztal aus, auf halber Entfernung zwischen Trins und Gschnitz. Da bietet der Berg ein ganz anderes Bild. Als ein spitzer Kegel reckt er sich in die Höhe, ganz allein und frei. Wie eine riesige Fackel schaut er aus. Bis nach Trins beherrscht er das Blickfeld. Ja sogar bis in die Gegend von Steinach sieht man diesen aus dem wuchtigen Massiv des Tribulaunkammes losgerissenen, ganz freien Berg. Und wenn an trüben Wintertagen die Sonne gegen Nachmittag, von gewissen Standpunkten aus gesehen, genau über dem Berggipfel leuchtet, dann schaut er aus wie eine ungeheure Riesenfackel der Natur!

So war der Zeis-Spitz von Natur aus bestimmt, den Bewohnern des einsamen Hochtales in Urzeiten Kalenderdienste zu leisten. Sehnsüchtig mögen die Alten emporgeschaut haben, wenn in den dunklen Wintermonaten die Sonne höher und leuchtender den Berggipfel umstrahlte. Das ganze Tal stand im Schatten dieses Berges . . .

Aber auch der Name Zeis-Spitz schlägt uns ganz in den Bann, selber wie von einem Geheimnis umschattet. Als „Zeysspitz“ wird der Berg schon im maximilianischen Jagdbuch genannt, gleichzeitig auch mit dem benachbarten „Torspitz“. In einer Urkunde von 1537 (von Verfasser nicht eingesehen!) findet sich der „Zeilspitz“. Diese Form soll — nach Meßner — mehrmals erwähnt werden. Die volkstümliche Aussprache kennt jedoch nur den „Zeisspitz“, eine Form, die auch 1780 wieder auftaucht. Ich würde daher nicht — wie Meßner — denken, dass sich der Zeisspitz lautlich aus der Urform „Zeilspitz“ entwickelt hat, sondern vielmehr ist die Schreibung „Zeilspitz“ zufällig umgebildet und dann durch eine Zeit beibehalten worden. Meßner erklärt das Wort unter Zugrundenahme des Stammes „Zeil“ mit mhd. „Zil", das ist Busch oder Reihe. Als Vergleich erwähnt er das Wort „Tschoadl’n“, wie die kleinen „Reihen“ oder Scheiben des Bergheus genannt werden. Als Ortskenner müsste sich jedoch Meßner vor Augen halten, dass das ganze Gebiet des Zeisspitzes ausgesprochenes Ödland darstellt, wo weder Heu- noch Weidenutzung getrieben wird. Höchstens, dass sich einige Schafe gelegentlich verirren. Der Berg selbst ist öd, voller „Steinreißen“, voll „Gelämmer“, an den untern Hängen mit Zuntern bewachsen, sonst nur felsig. Dass dem Namen daher ein solches Wort zugrunde liegt, das auf menschliche Arbeit Bezug nimmt (Heuarbeit), dürfte grundsätzlich abzulehnen sein.

Die Erklärungen von Egger, wonach das Wort mit „Ziu“ zusammenhängt, werden von Meßner abgelehnt. Steinberger sowie auch Finsterwalder denken an den romanischen Wortstamm „Incisa“, ein Wort, das an den Cisa-Paß in den Apenninen erinnert. Aber alle Versuche einer Deutung klären nicht das Dunkel dieses Wortes!
So tragen die abgelegenen Berge des inneren Gschnitztales tiefe Geheimnisse in ihren alten, seltsamen Namen, die wohl für alle Zeiten rätselreich bleiben. Beherrschend ragen die Tribulaune in den Himmel hinein, „auf deren Gipfel Wünschelruthen zu heben sind“, und wo der versteinerte Bergkönig eifersüchtig in der Form des Goldkappls Wacht hält, in der Nähe der Garklerin und am Enneskamp. Dann gegenüber der Hobach, auch Hoager genannt, der schon im alten Tiroler Sprichwort als der „Höchste im Land“ bezeichnet wurde. Dorthin wurden die Hexen und Geister vom Wipptal und vom Stubaital gebannt. Dann die Feuersteine und Wetterspitzen, wo die Hexen die Wetter brauen und mit Eispickeln Eis hacken. Dann der wilde Simming und Traul, wo heute noch das sogenannte „Glättemanndl“ geistert. Endlich die lichtumwobenen Ilmspitzen mit den kleinen Zwergfiguren, die Thaursäule und das Kirchdach, auf der anderen Seite der Thorspitz und die Thorberge und der Zeisspitz!

Was könnten uns diese Berge erzählen, wenn sie lebendig wären oder wenn ihre Namen sprechen könnten? Sie bleiben stumm und behalten ihr Geheimnis für sich und werden dadurch noch geheimnisvoller und auch reizvoller! Und wie die Menschen in Urzeiten, so schlagen sie auch uns in ihren berückenden Bann . . .!

Quelle: Wipptaler Heimatsagen, gesammelt und herausgegeben von Hermann Holzmann, Wien 1948, S. 196 - 210.