Hexen und Truten

„Wenn an einem Samstag keine Sunne scheint, dann kommt eine Hexe zur Welt oder es stirbt eine. Das trifft dreimal im Jahre zu.“
„Die Hexen haben meist glänzend schwarzes Haar und tragen den Scheitel genau in der Mitte, daran kann man sie erkennen.“
„Die Hexen haben sich am längsten im Navisial gehalten, wo es auch viele Truten gab.“ (Zach Nanne.)
„Hexen gehen niemals über einen Besen.“
„Wenn der Wind auf den Bergmahdern das Heu verträgt und Wirbel bildet, dann muß man das offene Messer in den Heuwirbel werfen, dann hat man Ruh.“ Solche Heuwirbel werden daher „Hexendrahl“ genannt (von drehen). (Zach Nanne.)

Diese und ähnliche Aussprüche sind Erinnerungen an den früher so bekannten Hexenglauben im Wipptal. Soweit es die erhaltenen Bräuche und Sagen zulassen, war der Hexenglaube auch im Wipptal stark, ohne dass es jedoch zu groben Auswüchsen gekommen ist. Größere Hexenprozesse wie in anderen Landschaften haben nie stattgefunden. Auch in den Geschichtsquellen des 16. Jahrhunderts, den sogenannten Gerichtsbüchern, finden sich nur ganz wenige Hexenprozesse. Darauf kommen wir noch zurück. Die berühmte Chronik von Vinaders des Pfarrers Muigg (1870) berichtet ebenfalls nichts von solchen Auswüchsen. 63) So abergläubisch aber heute manche Erzählungen auch anmuten so hat die Art der hiesigen Bevölkerung doch keine Übertreibung geduldet — ganz gewiss ein gutes Zeugnis für die nüchterne Auffassung und Sinnesart der Wipptaler Bewohnerschaft!

63) Chronik von Pfarrer Muigg, Vinaders, Kirchenarchiv (um 1870 bis 1880).

Die Hexen galten als etwas Böses. Sie wurden daher gefürchtet, vielfach in abergläubischer Angst. Dagegen musste man sich mit überirdischen oder abergläubischen Mitteln schützen und sichern. Alle die religiösen Abwehrmittel, die man früher in und außer Haus angewandt hatte, galten hauptsächlich der Abwehr und dem Unschädlichmachen der Hexen. Die Haustür und die Türschwelle wurden als Eingangstür besonders geschützt. In die Türschwelle wurden geweihte Pfennige, sogenannte Benediktenpfennige, sowie weißes Elxenholz eingesteckt. Dadurch wird alles Böse abgehalten. Das weiße Elxenholz hat überhaupt eine besondere Kraft. Alte Leute glauben auch noch heute daran. In Obernberg aber sollen die Alten bei einem Hausneubau auch einen Pferdekopf unter den Stallboden eingegraben haben. (Erzählt von Notburgl Staud, Staudhof, gest. etwa 1930, 80 Jahre alt.)

Als anderen Schutz gegen die Hexen brauchte man geweihte Gegenstände und besondere Gebete. Als bester Schutz aber galt der Bann. Man bannte die Hexen in die abgelegenste Wildnis der Berge, so in der Schwarzen Wand am Tribulaun, dann in der Schwarzen Wand in Padaster oder am „Hobach“ in Gschnitz, wo das ganze verdorbene und verrufene Schönberger Wirtsvolk gebannt worden ist. In der Schwarzen Wand in Padaster gab es so viele gebannte Hexen, dass man sie manchmal raufen und schreien hörte. Nur in einem Fall aber lebt in der Erinnerung der Untergang von Hexen am Scheiterhaufen fort. Dieses Ende musste der sagenhafte Pfeifer Huisile von Pflersch erleben, wovon noch später die Rede gehen wird . . .

Der Hexenglaube war also stark verwurzelt. Daher gab es auch in allen Tälern und Ortschaften des Wipptales Hexen. Teilweise glaubt man noch daran. Die heutige ältere Generation bezeichnet manche Personen allen Ernstes als Hexen. Hexen und Hexenmeister gab es überall, in Tälern und Ortschaften. Wenn es im Stall nicht stimmte, wenn das Vieh verwarf oder wenig Milch gab, dann waren die Hexen schuld. Wenn es beim Schlägeln zu langsam ging und der Rahm „nicht buttern“ wollte, dann waren die Hexen schuld oder es steckte sogar eine Hexe im Schlögkübel, die mit einem geweihten Eisen gebrannt wurde. Wenn zwei Stück Vieh im Stall plötzlich an einer Kette hingen, dann waren auch die Hexen schuld. So hat der Midi Kaspar von Steinach, ein bekannter Hexenmeister, der etwa 1890 gestorben ist, einmal eine verhexte Kuh, die anstatt Milch Blut gegeben hat, so lange verprügelt und geschlagen, bis sie gesundgeworden ist. Dafür aber ist eine im Dorf als Hexe bekannte Person krank geworden.

Merkwürdig, dass sich auch in Steinach der Hexenglaube sehr stark und sehr lange erhalten hat. Als wirkliche Hexe galt und gilt bei den alten Steinachern teilweise noch heute ein altes Weiblein, das vor etwa 50 Jahren gestorben ist, und allgemein die „Glaser-Schilche“ genannt wurde. Sie war ein sonderbares, armes Weiblein mit allerhand seltsamen Gewohnheiten. Wenn sie weinte, dann schloss sie die Augen und trocknete mit den Fingern die Zunge ab. Denn ihre Augen waren so trocken, dass keine Tränen mehr fließen wollten. Mit einem Auge schielte sie „schrecklich schiech“. Oft saß sie stundenlang an einer Haustür oder beim Stiegenaufgang der Häuser. Die Leute wichen ihr dann scheu aus oder hatten Angst. Kein Mensch, vor allem nicht die Kinder, ließen sich von ihr anrühren. Denn sie hatte die Kraft, Menschen und Kinder in Tiere zu verwandeln. So waren einmal die Kinder im Oktober beim sogenannten „Nochzig-geben“. Das ist ein heute noch üblicher Brauch am Abend, wo ein Kind das andere mit der Hand berührt und dann sagt: „Nochzig!“ Das Kind, das zum letzten Mal angerührt und geschlagen wurde, „das bleibt nun nochzig“, wie der Ausdruck lautet. (Was bedeutet es . . .?) Nun streifte unversehens eines der Kinder die alte Hexe, die eben des Weges kam, als ob sie aus dem Boden gekrochen wäre. Das alte Weiblein murmelte zornig einige Schimpfworte vor sich her. Da erschraken die Kinder und liefen eilends nach Hause. Sie dachten, ihre Gespielin wäre nun von der Hexe verzaubert worden. Sie würde in ein Schwein verwandelt werden. Einige begannen zu weinen und fürchteten sich noch mehr. Verängstigt liefen sie nach Hause und schauten dabei neugierig auf die Kleine, „ob sie nit bald verwandelt würde“. Einige Kinder fragten halb ängstlich, halb neugierig, ob sie noch nichts spüre. Das kleine Mädchen weinte und dachte mit Entsetzen an die baldige Verwandlung. (Nach Mitteilung von Frau Schulrat Plankensteiner und Schneiderin von Steinach.)

Die Glaser Schilche galt auch als Wetterhexe. Einmal ist sie bei unsicherem Wetter aufs Feld gegangen, zu „hagen“ (= heuen). Da haben die Leute auf den Feldern gesagt: „Noch können wir immer hagen, weil die Glaser Schilche noch an der Arbeit ist!” Aber wie sie aufgehört hat, ist das Wetter schon bald gekommen. (Schneiderin.)

Als Hexe galt in Salfaun die sogenannte Taxer Ursche, die auch die Wetter genau voransagen konnte. Wenn ein Wetter kam, sagte sie manchmal den Leuten: „Heunt müßt ihr euch schleunen, heunt kommt ein Wetter!“ (Schneiderin.)

Bei alten Leuten spukt dieser Glaube noch heute, vor allem, wenn es im Stall Unglück gibt. Da steckt dann häufig eine Hexe dahinter.

Im Valsertal gab es 32 Hexen. Man sagte: „Ein ganzes Kartenspiel voll!“ (weil es 32 Karten gibt). Kein Wunder, wenn sie auch im nahen Padaun ihr Unwesen trieben, wo sie ja am „Pfinztig ihre nächtlichen Zusammenkünfte“ hatten, wie später noch erzählt wird. Da hat einmal der Senner auf der „Postolbe“ geschlögelt. Eine Stunde lang hat er den Schlögkübel getrieben und wieder eine Stunde und noch eine Stunde. Aber der Rahm ist nie Butter geworden. Da hat der Senner die Kühe untersucht, ob vielleicht eine krank wäre. Aber da alle gesund waren, dachte sich der Senner, da mueß eine Hex dahinterstecken, und er hat gesagt: „Ich mueß mir eine Eisenstange holen!“ Diese Eisenstange steckte er in die heiße Glut hinein, bis sie rotglühend geworden war. Dann hat er sie mit Weihwasser bespritzt und in den Butterkübel „einigezizert“, dass der Rahm ganz schwarz geworden ist. Zu guter Letzt, um die schwarze Kunst der Hexe für immer auszutreiben, hat er noch zwei geweihte Pfennige in den Kübel hineingenagelt. Seitdem ist das Schlägeln wieder in Ordnung gegangen. (Steckholzer, Padaun.)

Zu den Hexen gehörten auch die Hexenmeister oder Zauberer. Solche Hexenmeister hat es vielfach gegeben, so in Mauern bei Steinach, in Vals und in Obernberg, in anderen Tälern wahrscheinlich auch. Der bekannteste Hexenmeister im Obernberger Tal war der Neggl-Gogl, ein verschrobener, larchgrindiger Gesell, dessen Gedenken noch heute lebendig ist. Er hatte vor allem einen Ruf gegen die Hexen als Wetterbeschwörer. Bei jedem Hochwetter tanzte er in seltsamer Aufmachung mit „einem roaten Mantele“ wie verrückt um einen Hackstock und murmelte seltsame Sprüche daher. „Hart ist’s gangen“, sagte er hernach, „aber han’s grad noch d’errichtet!“ Einmal fragte ihn ein Bauer im Wirtshaus, was denn wäre, wenn er einmal sterben müsst, wer dann die Wetter bannen tät. Da hat sich der verschrobene Dickschädel lange besonnen, dann hat er gemeint: „Hart wer’n sie’s hoben, verfluecht hart — mit die Wötter moan i — —!“ Am Karsamstag ging er beim Wandlungläuten mit einem Dreschflegel auf die Felder hinaus und schlug den Flegel wie beim Dreschen auf die Äcker und Fluren. „Das vertreibt alle Schere“, (Maulwürfe), sagte er dann. In der Neujahrsnacht horchte er in die „Mogenstampfe“ hinein. Wenn es brummte, gab es Hochzeit, wenn es läutete, gab es Tod!

Sein größter Widersacher und Nebenbuhler war nun ein zweiter Zauberer, der alte Christler von der Obernberger Leite, die damals als Nachbarn nebeneinander hausten. Beim Gogl hingen eines Morgens zwei Kühe an einer Kette. „Verhext, verhext“, schrie da der alte Gogl auf und begann auf die zwei Kühe mit einem geweihten Palmbuschen loszudreschen, was es nur das Zeug hatte. Nach einiger Zeit scheint es wirklich geholfen zu haben; denn die Kühe hingen plötzlich richtig an beiden Ketten. Darauf machte der Gogl heimtückisch einen Besuch beim Christler (Salchner!). Unauffällig schaute er sich um, wo denn die Frau vom Christler wäre, die als Hexe einen üblen Ruf genoss. Da er sie weder in der Stube noch in der Küchel sah, fragte er den Christler, wo sie wär. Der gab ihm zur Antwort, sie läg im Bett, sie wär krank. Da ist der Gogl wild geworden und hat den Christler angeheischt:

„Sie ist nit krank wie ein ander Mensch! Sie ist eine verzauberte diebische Hexe!“

Das ließ sich der Christler auch nicht gefallen und so kamen sie beide in einen solch grimmen und höllischen Wortstreit, sie fluchten und teufelten, „bis justament der Teufel selben zwischen den beiden Zauberkünstlern gesessen ist.“ Daraufhin lief dann der Gogl auf und davon, hinunter zu seinem Haus, wobei er immerfort schrie: „I schuiß! I schuiß!“ Der Christler aber lachte nur höhnend und schrie ihm nach: „Ja — schuiß nur! Schuiß nur!“ Richtig hat der Gogl die Büchse geholt und auf den Christler angelegt. Der aber hat seine Hose heruntergenommen, hat ihm den Hintern entgegengereckt und immerfort gespottet:

„Ja schuiß nur! Schuiß decht!“

Doch die Büchse war verzaubert und kein Schuss ist abgegangen! Da erkannte der Gogl, daß der Christler der stärkere Hexenmeister war als er selbst. (Fürst.)

Die Gogl-Sippe von Obernberg, nämlich der ganz alte Gogl, seine Frau und die drei Söhne, waren „knorrige und sektische“ Leut, wie man sie auch im Wipptal nicht viele fand. Der alte Gogl hatte einen Kopf wie einen zerprügelten und zerhackten Larchstock. Die drei Brüder hatten alle „irgendwelche Sekten“. Den einen nannte man den Neggl-Gogl, weil er beim Neggl hauste, der andere wurde der „Uhrengogl“ genannt, weil er sich am liebsten mit Uhren abgab. Das war seine Leidenschaft. Als Hexe galt ganz allgemein die Frau vom Gogl Hans. Wenn sie mit einem Haus Freundschaft schloss, dann ging bei diesem Hof bestimmt ein Stück Vieh um das andere zugrunde. Einmal kam ein Bauer mit einem Kalb des Weges. Das strich die Goglin wie unauffällig gegen den Rücken des Tieres und redete. Der Bauer aber kannte ihre Absicht und strich die Haare wieder gerade. Dann ließ sie die Hand an einer Stelle auf dem Fell des Tieres für längere Zeit. Die Hand blieb deutlich schwarz abgebildet. Aber da sie der Bauer durchschaute, konnte sie das Tier doch nicht verhexen. Dass sie imstande war, Diebe ausfindig zu machen, wird später erwähnt. (Fürst und Töchterler.)

Als Hexe galt auch die alte Urschilerin von Obernberg. Dass sie imstande war, hinter der Ofenbank aus zwei Handschuhen heraus richtige Milch zu melken, behauptet noch heute der 87jährige Töchterler steif und fest. Sie hat auch nicht selten das Vieh verhext. Eine andere Hexe-war die alte Mulse beim Borthen-Hof, eine Schwester des erwähnten Gogl. Diese hatte melken und schlöglen gekonnt, soviel sie gewollt hat. Einmal wollten die Zimmerleut nicht mehr arbeiten, da sie keine Butter zum Essen bekommen hatten. Daraufhin hat sie mit Nichts zu schlögeln begonnen. Der Borthenbauer wollte dies jedoch nicht leiden und hat sie davongejagt. (Fürst und Töchterler.)

Als Hexenmeister von Steinach galt der sogenannte „Roten-Krumpe“ von Mauern, der einen Geißfueß gehabt haben soll. „Wenn er zu die Weiber gangen ist, dann hat er einen Bötschen angehängt und nachgezogen“ (Reisigbesen).

Jeden Pfinztig (Donnerstag) abends nach dem Betläuten fand dann die Zusammenkunft der Hexen statt. In Steinach kamen sie beim Hof Malsein ober Mauern auf freiem Felde zusammen, wo ein schwarzer Hexenkreis ausgesprungen war. An der Stelle wuchs kein Gras. Da flogen die Hexen beim Kamin heraus und ritten auf einem Besen nach Malsein. Einmal hat ein Knecht eine Hexe namens „Wegrammel“ beobachtet, wie sie sich zur Ausfahrt bereitmachte. Sie hat sich aufgeputzt und angestrichen. Dann hat sie sich zum Ofen gestellt und gesprochen:

„Dumidum aus
Und ninderscht un!“

Im gleichen Augenblick flog sie schon beim Kamin hinaus. Der Knecht stellte sich dann auch vor dem Kamin auf und sagte das Sprüchlein her. Aber er verwechselte es in der Eile und sagte:

„Dumidum aus
Und überall un!“

Da ist er in den Kamin geflogen und es hat ihn hin und her gebeutelt, dass er ganz zerschunden und voller Flecke und Pinggel irgendwo aufgewacht ist.

Ein anderes Mal ist der alte Joggen Seape (Schafferer) am Abend beim Wegmacherhaus in Steinach vorübergegangen auf dem Weg heimzu nach Mauern. Die alte, als Hexe verschriene Wegmacherin hat gerade vor dem Hause gekehrt. Da hat er ihr spöttisch zugerufen: „Romm’l! laß mich aufhocken!“ (gemeint hat er auf den Besen aufhocken!) Von dem Augenblick an hat er nicht mehr gewusst, was mit ihm vorgegangen ist. Er wollte heimgehen und heimgehen und kam einfach nicht mehr heim. Die ganze Nacht hindurch ist er gegangen und gegangen und hat gemeint, er müsse endlich nach Mauern kommen, aber er hat Weg und Richtung verloren, bis es endlich betgeläutet hat. Da ist er in der Nähe von Patsch aufgewachen, als er gerade durch einen Türkenacker hindurchgehen wollte. (Hofer Kathl.)

Noch lebendiger und ursprünglicher aber hat sich die uralte Sage vom „Hexenkreis“ oder „Hexensabbath“ im Valsertal erhalten, vor allem auf der Hochsiedlung Padaun. Die schon erwähnten 32 Valserhexen hatten ihren „Hexenkroas“ gar am Padauner-Kogel, ganz knapp am Gipfel. Der Hexenkroas war rund aus dem Gras ausgetreten, etwa doppelt so groß wie eine Bauernstube, aber ganz rund. Hier hielten die Hexen am Pfinztig ihren Tanz ab. Ein zweiter „Hexenkroas“ fand sich beim sogenannten „Hoachen Toar“ in Padaun, wo man oft die Hexenmusik spielen hörte.

Am häufigsten aber haben die Hexen ober der Kolbens-Kaser in Padaun ihren Tanz abgehalten. Der alte Steckholzer erzählt, dass er diesen Kreis in der Jugend noch gesehen hat und dass er deutlich zu erkennen war. Das Gras war ganz ausgetreten, aber nicht verbrannt. Einmal ist sein Onkel Steckholzer Todl von Gries heimgekommen. Bei der Kolbens-Kaser hat er die Hexenmusik gehört, so dass er voller Angst zum Hof gesprungen ist. Dort hat er erzählt: „Zuerst bin ich stehn blieben, dann han ich zueg’hört. Die Trummel hat g’schlagen und los ist’s gangen! Und an Glogg’n-huet (Musikinstrument) haben sie a no g’habt.“

So mag es im Tal der 32 Hexen manchmal recht lustig zugegangen sein. Der Padauner Kogel war wie geschaffen für solch lustige Zusammenkünfte! Aber oft waren die Valser-Hexen auch gefährlich, besonders beim Wettermachen. Immer noch ist jenes furchtbare Hochwetter vom Jahre 1877 in grauser Erinnerung bei den Alten. „Da blitzte und gluhnte es so hell, dass es gar nicht mehr Nacht geworden ist“. (Gatt.) In Valseben hat es alle Felder zugrunde gerichtet und überschwemmt und viele Städel abgetragen. Den Futterstadel vom Gasteiger-Bauern hat das Hochwasser samt dem Vieh mitgerissen. Einmal sind auch bei „glasehellem Himmel die Steine und Fölsen vom Alterer-Berg heruntergefahren ins Tal wie von Geisterhand bewegt“.

Dieser Vorstellung liegt die Erinnerung an einen Bergbruch oder Gletscherbruch im Olperer-Gebiet zugrunde, wie einer erst im Jahre 1927 zum letzten Mal erfolgt ist. Das gewaltige Naturereignis wird ebenfalls in Verbindung mit den Hexen gebracht.

Es heißt, dass nach dem Hochwetter zwei Hexen den Berg hinaufgewandelt sind, deren Beschreibung ein recht lebendiges Bild gestaltet: „Es waren zwei alte Weibilen mit hülzernen Milchseihen auf dem Kopf anstatt eines Hutes. Um den Hals trugen sie fuirrote Florlen und in der Hand hatten sie einen langen Stock.“ Diese redeten dann unter sich, dass es die Leute beim Vorbeigehen bei einem Stadel hörten:
„Wenn sie nit die Joaser Schelle (Wetterglocke) geläutet hätten, dann hätten wir das ganze Tal ausgeschwemmt!“ (Steckholzer und Gatt J.)

Damit spielten sie auf die Wirksamkeit der Wetterglocke von St. Jodok an, die bei den Hexen kurzweg die „Joaser Schelle“ genannt wurde.

Die Wetterglocken genossen überall in Tirol in alter Zeit und auch bis zur Gegenwart herauf die größte Bedeutung.

Als Pfeifer Huisile das ganze „Obernberger Tal ausschwenzen wollte, hat der Obernberger Stier zu früh gebrüllt“ (so wurde die dortige Wetterglocke genannt). Als derselbe Hexenmeister das Tal von Pflersch, sein Heimattal, in der gleichen Weise vernichten wollte, „haben die Tuniger Glögglen von Pflersch zu früh geläutet“ (Antonius-Glocken). Gute Wirkung hatte auch die Wetterglocke von Mauern, St. Ursula. In Ridnaun haben die „Laurenzischellen“ das Wetter abgewehrt. Bis zur Gegenwart herauf glaubten die Bauern an die Hilfe und den Schutz der Wetterglocken. Wie die Wetterglocke von Mauern während des Weltkrieges weggekommen ist, sah man darin die Schuld, dass die Ernte vom Hagel schwer getroffen worden ist. Bekannt ist auch die Große Glocke von Steinach, 1797 gegossen und 1853 beim Brande zerstört, bald hernach aber wieder neu gegossen. Diese Glocke trug folgenden Spruch, der 1946 bei der neuen Glocke von Steinach wieder aufgeschrieben wurde:

„Anna Maria heiß ich.
Alle Wetter weiß ich.
Wer mich zuicht,
Alles Wetter fluicht!“

Von der Wetterglocke auf St. Jakob hat der alte Gogl sogar ein Kreuzlein herausgestemmt, das er zu Wetterbeschwörungen verwendete. (Fürst.)

Auch im Ellbögner Gebiet hat der Hexenglauben absonderliche Blüten getrieben. Noch in der letzten Generation war der Hexenglaube ungemein tief verankert, während in der Gegenwart die Erinnerung und der Glaube an die Hexen stark verblasst oder fast schon entschwunden ist.

Wenn dem alten Schneider von Ellbögen einmal bei einem Hochwetter am Wege ins Arztal ein altes Weibele begegnet ist, das Bretter anstatt der Schuhe trug und seltsam schwarz gekleidet war, so handelte es sich um eine Hexe. Das Weibele stand unter einer Feichte und trug einen „Zegger“ (Korb). Aber der Bauer konnte sie einfach nicht anschauen und wusste nicht, wie sie genau ausschaute. Sobald er den Blick auf sie richtete, liefen ihm die Augen voll Wasser und alles wurde verschwommen. Daraufhin haben sich die beiden Bauern, der Schneider und sein Begleiter, im Wald verloren und fanden kaum mehr nach Hause. (Schneider.) Diese Gestalt erinnerte an die Frau auf der Sattelalm (vgl. S. 92).

Als wirkliche Hexe galt die alte Schmiedin von Erlach. Diese hatte fast keine Kühe im Stall, aber sie schlögelte oft Tag für Tag. Dafür aber blieb bei der Jener-Bäurin überhaupt fast keine Butter im Schlögkübel. Da ist dann einmal ein Handwerksbursch des Weges gekommen und hat um Butterbrot gebettelt. Die Bäurin zeigte auf den leeren Kübel und gab ihm Brot ohne Butter. Zum Dank sagte er, dem könne man leicht abhelfen. Sie sollten ihn allein in der Kuchel lassen. Dann sind die Leute wieder hereingekommen und die Bäuerin begann den Schlögkübel zu drehen, bis der Rahm zu Butter geworden war. Nun gestand ihr der Handwerksbursch, er habe hineingaggen müssen, aber das mache der Butter nichts. Sie solle nur den Kübel aufmachen. Und richtig war alles voll Butter. Dafür aber erzählten am folgenden Tage die Kinder der alten Schmiedin:

„Heunt hat die Muetter gar einen Menschendreck aus dem Kübel genommen.“

Nun verstand man erst den Zusammenhang . . . (Fuchs Kathl.)

Als dann die alte Schmiedin, von der einstens noch viele seltsame Geschichten erzählt wurden, im Sterben lag, war auf einmal das ganze Haus voll Ameisen. Überall krochen diese „Mistviecher herum, in Stube und Kuchel. Als dann ein Tischler die verstorbene Schmiedin in den Sarg legen wollte, krochen die Ameisen überall herum, sogar der Schnaps, der auf dem Tische stand, war voll von diesen Tieren. Sobald jedoch die Schmiedin in der Truhe lag, krochen die Ameisen seltsamer Weise alle miteinander in den Sarg hinein nach, ja sogar aus der Schnapsflasche flüchteten sie, so dass der Tischler den Schnaps lustig austrinken konnte. Beim Begräbnis haben vier Mann den Sarg getragen, aber er war so leicht, wie wenn Federn drinnen wären. Man nimmt an, dass die alte Schmiedin bestimmt nicht mehr im Sarge war. (Schneider.)

Beim Mühltaler Wirt sind wieder einmal Rösser und Vieh krank geworden und kein menschliches Hilfsmittel wollte nützen. Eine als Hexe verschriene Person, die alte Nazin, wurde nun geziehen. Nun hat der Bauer Stück um Stück des Viehes und der Pferde geschlagen und endlich hat sein Knecht voller Zorn den Melchstotz auf die Türschwelle geschlagen. Zur gleichen Stunde ist die Nazin zu Tode geprügelt worden. Sie war ganz zerschlagen und voller Blut. (Schneider.)

Mit Hexen und Truten und allem Aberglauben hängen auch die sogenannten „Gertrauden-Büchlein“ zusammen. So weit es sich jetzt noch feststellen lässt, handelte es sich durchwegs um handgeschriebene und wohl auch pergamentgebundene Büchlein. Die Schrift war alt und kaum zu lesen. Man brauchte lange Zeit zum „Einlesen“. Mit diesem Hexenbüchlein konnte man zaubern und hexen in allen Arten. Aber man musste festen Glauben daran haben. Außerdem musste wenigstens eine Person des Hauses, wo ein solches Büchlein aufbewahrt wurde, einmal täglich in die Kirche gehen, sonst bekommt der Teufel sofort Macht über die Person, die sich solch schwarzer Kunst hingegeben hat. (Gatt Josef.) Zum eigenen Schutz und zur Bekämpfung der Hexereien anderer Personen durfte man sich der schwarzen Mittel und des Büchleins bedienen. Damit der Zauber nicht in Erfüllung geht, musste man auch das erste und das letzte Wort einer Hexerei auslassen. Dann bleibt man selbst beschützt. Aber zusammenhängende Hexenformeln darf man beileibe nicht aussprechen. Also das erste und letzte Wort auslassen!

Solche Hexenbüchlein oder Gertraudenbüchlein scheint es früher ziemlich viele gegeben zu haben. Tatsache ist, dass z. B. die alte Schneiderin von Vals ein solches Büchlein gehabt hat.

Auch der Fürstbauer von Vinaders hat vor etwa 40 Jahren (1906) beim Abbruch des unteren Huisiler-Hofes auf Egg ein solches pergamentenes Gertraudenbüchlein hinter dem Stubengetäfel gefunden, wobei der alte Jockler anwesend war. Beide haben das Büchlein versteckt und heimlich gelesen und die Anweisungen durchgeführt, bis sie beide kaum mehr sicher gewesen sind. In der Nacht ist es im Haus „umgangen und hat gepoltert und gekracht“. Ständig hat es in der Nacht, wenn er auf die Jagd oder sonst wohin gegangen ist, „um ihn gemusiget oder ein Radiwind (Hexenwind) ist gegangen, oder es hat gepfiffen“. Er war einfach nicht mehr sicher. Auf dem Zaun neben dem Haus oder am Weg sind häufig schwarze Katzen gehockt. Einmal wollte er und sein Begleiter, der Jockler, beim Klingler-Wald auf einsamem Jagdgang eine solche schwarze Katze vom Zaun herunterschlagen. Da sind immer mehr Katzen geworden, dass sie auf und davongesprungen sind. (Fürst.) Bald hernach hat der Vater des Fürstbauern das Büchlein erwischt und verbrannt.

Als bester Schutz gegen persönliche Verhexung galt die Person des Papstes Urban IX. und seine besonderen geheimen (?) Hilfsmittel. In den letzten fünfzehn Jahren ist es noch geschehen: Da hat der einzige Sohn eines Bauern ganz plötzlich einen stechenden Schmerz in der Seite gefühlt. Er war seitdem „krump“. Es bestand kein Zweifel, dass hier eine „Verhexung“ vorlag. In diesem Fall konnte auch das Gegenmittel angewandt werden. Es wurde Feuer angemacht, „dann in der Pfanne etwas so lange aufgekocht, bis nichts mehr übrig blieb“. Welch geheimnisvolles Zeug da zusammengebraut wurde, gab der Betreffende nicht kund. Dann bleibt im Grunde der Pfanne deutlich erkennbar der Abdruck eines Totenkopfes. Später erfuhr dann der betreffende Bauer, dass eine als Hexe verschriene Person durch einen Unfall so schwer verbrannt worden ist, dass sie sterben musste (Angabe des Erzählers kann nicht gemacht werden): dieses geheime Schutzmittel geht auf Papst Urban IX. zurück.

Und was ist weiterhin in einem solchen Gertrauden-Büchlein enthalten? Alles Mögliche und aller „Teuxel und auch aller Unsinn“, geben die Leute zur Antwort. Man konnte hexen und verhexen, man konnte auch Schutzmittel gegen andere Hexen finden. An erster Stelle stehen Sprüche und Anweisungen zum Blutstillen, Gamsstellen, Feuerstellen, Leutstellen und andere Hexereien.

Das Blutstillen war früher gang und gäbe. Es wurde bei Verletzungen ebenso häufig angewandt wie bei Frauen, die nach schweren Geburten den „Blutfluss“ haben. Blutgestillt hat der alte Christler in Obernberg. Als sich einmal ein Bauernbursch in den Bergmahdern so schwer verletzte, dass er fast ausblutete, hat ihn der Christler sofort geheilt. Sehr häufig wurde der Zauber vom selben Zauberer (Saxen Thumile oder Christler) auch bei Nasenbluten angewandt. Blutgestillt hat auch der alte Gogl und der jüngere Gogl von Obernberg. Bekannt als Blutstiller war der Midl-Kaspar von Steinach, der diese Kunst nicht selten ausübte. In schweren Fällen ersuchte man ihn sogar darum.

In dem alten Gertrauden-Büchlein werden drei Arten von Blutstillen angegeben: Die erste und schlimmste enthält die Wandlungsworte. Der Name muss genannt werden und drei Kreuze werden gemacht. Bei der zweiten Art musste folgendes Sprüchlein gesagt werden:

„Glücklich ist die Wunden,
Glücklich ist die Stunden,
Glücklich ist der Tag,
An dem Jesus Christ geboren ward!“

Das Sprüchlein erinnert in Art und Form ganz an die weitverbreiteten „Blutsegen“.

Bei der dritten Art wurde ein Spruch gesagt und das Kreuzzeichen gemacht. (Der alte Gogl soll das Blut mit einem geheimen Stein gestillt haben!)

Neben dem Blut wurde auch Feuer und Brand gestellt. Zum Feuerstellen mussten auf einen Zinnteller einige geheimnisvolle Buchstaben aufgeschrieben werden. Der Zinnteller wurde dann in die Flammen geworfen. Dann musste das Feuer sofort zusammenbrechen. Es brauchte keine Feuerwehr, keine Spritzen und kein Wasser. Das Feuer war gestellt und gebannt.

Als etwas Schreckliches galt beim Volk das Gamsstellen, das früher von manchen Wilderern angewandt wurde. Eine gestellte Gams kam keinen Schritt mehr weiter und musste angstvoll und zitternd, „ganz nass vom Schweiß“, das Herankommen des Wilderers abwarten. So lautete der alte frevelhafte Spruch:

„Die Gams soll nit vom Fleck mehr kommen.
Wie Christus ist am Kreuze g’hangen!“

Dann stand die Gams am selben Flecke still und konnte sich nicht mehr rühren.

Der alte Pumperer, ein verwegener, von Sagen umrankter Wilderer aus dem Stubaital, hat Gemsen gestellt. Dasselbe erzählte man vom Gogl in Obernberg und vom alten Hogeth in Nößlach. Aber als der alte Pumperer einmal eine Gams gestellt hatte, leuchtete auf einmal zwischen den Hörnern des Tieres ein Kreuz. Seit dieser Zeit hat der Pumperer diese grause Kunst für immer aufgegeben. (Fürst und Grampler von Trins.)

Aber auch die Bluetkugeln fallen in dieses Gebiet hinein. Allerdings musste sich der Wilderer vorher dem Teufel mit persönlicher Unterschrift verschreiben, wenn er solche Bluetkugeln gießen wollte. Zu diesem Zwecke nahm er auf einem Kreuzweg (vor allem, wo die Toten vorbeigetragen wurden) um zwölf Uhr Mitternacht eine Beschwörung vor. Ein Kreis wurde ausgemessen. In diesen Kreis wurden zwei Kerzen gestellt, die schon vor dem Tabernakel gebrannt hatten, eine vorne, eine rückwärts. So konnte der Teufel keine Macht gewinnen. Auch ein Stück Haut einer Jungfrau wurde dabei verwendet. Mag nun kommen, was will und mag es zugehen, wie es will, er darf ja nie aus dem Kreis herausgehen, bis die Beschwörung zu Ende ist. „Der Teufel darf nit ganz an den Mensch im Kreis herankommen.“ Der Kreis und die zwei Kerzen beschützen ihn noch. Die Bluetkugeln selbst wurden während der Mitternachtsmette zu Weihnachten gegossen. In das Blei mischte man eine Kugel, die schon einmal ein Wild getroffen hatte, dann die zerriebenen Knochen vom Kopf eines kleinen Kindes sowie die Asche eines Haselstockes, den der Bach zufällig irgendwo angeschwemmt hatte. In das schäumende Blei wurden unter seltsamen Sprüchen einige Tropfen des eigenen Blutes gemischt. Wohl jammern und winseln die armen Seelen mit aller Macht, um den Wilderer von seinem grausen Vorhaben abzuhalten. Sogar der Teufel erscheint und sucht den Wilderer schon jetzt in seine Gewalt zu bringen. Aber eine geweihte Kerze bildet den Schutz:

„Denn wenn die geweichte Kerze brinnt,
Der Tuifel nit ganz zuechen kimmt!“

Aber dafür schreit er nach gelungener Tat:

„Dein Bluet fang i au
Auf Tropfen genau!
Wer Bluetkuglen gießt,
Die Hölle auschließt!"

Nur 24 Kugeln darf der Wilderer gießen. Die Kugeln schauen etwas dunkler aus als gewöhnliche Bleikugeln, fast von rötlicher Färbung. Auf neun Meilen treffen sie jedes Wild, ja suchen es sogar. Wär das Ziel aber über neun Meilen entfernt, dann springen sie auf den Schützen zurück, ohne das Ziel zu verfehlen. Und sollte der Schütze in seinem Jagdfieber ein Wild anschießen, das schon einmal von einer Kugel getroffen worden ist, dann fliegt die Kugel auch auf den Wilderer zurück. Außerdem befindet sich unter den Kugeln eine, die für den Schützen selbst bestimmt ist. Daher erreicht ihn früher oder später doch sein Los, das er sich selbst bestimmt hat.

Diese Wipptaler Sage erinnert in vielen Zügen an die bekannte Sage vom Freischütz, allerdings in vollkommen eigener Gestaltung.

Aber man konnte auch Menschenstellen, vor allem, dass man sie zwang, gestohlenes oder anderes Gut herbeizubringen. Man konnte Menschen zwingen, gestohlenes Geld wiederzubringen, sofern sich die betreffende Person noch in denselben Schuhen befand, die sie beim Geldstehlen angehabt hat. Wurden die Schuhe schon gewechselt, dann kommen sie allein zurück, ohne Person. Der Fall ging einfach: Man drehte an einer Haspel (Spinnrad zum Aufwickeln) und murmelte ein Versl herunter. Daraufhin musste die betreffende Person wiederkommen oder wenigstens ihre Schuhe.

Die alte Goglin war in dieser Kunst des Menschenstellens bewandert. Als ihr einmal etwas weggekommen war, hat sie sich an die Haspel gesetzt und zu drehen begonnen. „Je schneller sie nun dreht, umso schneller mueß er laufen“, hat sie den Umstehenden erklärt, bis er wirklich verschwitzt bei der Türe hereingekommen ist. (Fürst, Töchterler, Vogelsberger.)

Daneben enthielt das Gertraudenbüchlein eine Reihe von Aberglauben und zauberischen Dingen aller Art, vor allem auch Beschwörungen im Falle von Krankheiten.

Gegen den gefürchteten „Brand“ beim Vieh wurde folgendes Mittel verschrieben: Johannessegen wurde vermischt mit Öl von der Marienlampe in Wilten. (Fürst.)

Das Wiltener Salz, Wiltener Öl und Wiltener geweihte Pfennige wurden im Wipptal überhaupt hochgehalten. Wiltener Salz bohrte man in den Firstbaum des Dachstuhles bei neuen Häusern hinein . . .

Wenn der Hexenglaube so stark verbreitet war, nimmt es uns nicht Wunder, wenn heute noch im Volk eine Reihe von oft ganz seltsamen Sagen und Erzählungen und Gestalten weiterleben.

Die bekannteste Hexe des Wipptales, die schließlich in der berüchtigten Schwarzen Wand im Padastertal endete, war Krieger Thurl, manchmal auch Krieger Burge genannt, die beim kleinen Munggiler-Hof („Bruggenwirt“) in Haarland bei Steinach gelebt hat. Sie war in allen schwarzen Hexenkünsten bewandert. Hinterm Ofen hatte sie einen „Händling“ (Handschuh) hängen, von dem sie jederzeit Milch herausmelken konnte. Dafür gaben die Kühe bei den umliegenden Bauern keine oder wenig Milch. Sie verstand es, Butter zu verzaubern, oder sie verwandelte sich in eine Fliege und trank den süßen Rahm aus der Milchschüssel. Einmal geriet sie sogar in ein Butterfaß und wurde übel zugerichtet, aber sie konnte doch noch davonkommen.

Ganz besonders hatte sie es auf die Fuhrleute abgesehen. Sobald ein schwerbeladener Wagen beim kleinen Häuschen, wo sich auch eine Branntweinschenke befand, vorüberzog, dann begann er zu „fuchsen“, das heißt, der Wagen blieb stecken und konnte nicht mehr weiterkommen. Im Winter war es an dieser Stelle meistens aper, obwohl der Wind besonders kalt wehte und große Wächten anblies. Erst wenn die Fuhrleut zugekehrt waren, konnten sie wieder weiterkommen. Oft verführte die schöne Hexe auch die Fuhrleut. Sie setzte sich zu ihnen auf den Wagen und trieb allerhand „Schieches“. Währenddes aber warf sie heimlich einige Waren zur Seite, wo sie ihr Mann aufklauben musste. Ihren Mann aber hatte sie gezwungen, ihr bei diesem schändlichen Treiben behilflich zu sein. Manchmal schnitt sie die Kornsäcke auf, so dass das Getreide langsam zu Boden sickerte. Aber doch fand man am nächsten Morgen kein Körnlein auf der Straße. Es sah aus, als ob sie von Hennen aufgepickt worden wären. So trieb sie jahrelang ihr schändliches Wesen, wobei sie außerdem ihren Mann grausam misshandelte. Denn der war ob solch armen Lebens „hintersinnig“ geworden. Da sperrte sie ihn in eine alte Dachkammer und ließ ihn Tag und Nacht allein. In der Mitte des Zimmers befand sich eine Säule, an der der Narrete befestigt war. So konnte er sich wohl im Kreise drehen, aber keinen Schritt vor- noch rückwärts kommen. 64)

64) In alten Zeiten hat man "die Narreten" vielfach unter Eisen gelegt und in eine Kammer eingesperrt.

Aber als dann das Ende der Hexe gekommen war, konnte sie keine Ruhe mehr finden. Auf der Straße neben dem Häuslein geisterte sie herum, bis es endlich den Leuten zu dumm wurde. Es wurde ein heiligmäßiger Kapuziner bestellt, der eine besondere Kraft gegen die Hexen hatte. Nach langem Fasten, Beten und Bußetun machte er sich an die schwere Arbeit, um die Hexe zu bannen. Als er sie endlich so weit hatte, fragte er sie:

„Wo willst du weiterhin sein?“

Da gab sie ihm zur Antwort:

„Ins Padaster hinein,
Wo mehrere sein!“

Aber gleichzeitig begann sie so zu jammern und zu klagen, dass die Leute ganz gerührt wurden. „An Ear’n! An Ear’n!“, schrie sie immer wieder und meinte, man solle ihr eine Erde zuwerfen. Schließlich konnte ihr ein Kind nicht widerstehen und warf ihr einige Körnlein Erde entgegen. In dem Augenblick war die Macht des Kapuziners gebrochen; die Hexe hatte wieder die Berührung mit der Mutter Erde gefunden! Erst zum zweiten Mal gelang es dem Kapuziner, die Hexe in das hinterste Padastertal, in die Schwarze Wand, zu bannen. Dort schreien die Hirtenbuben noch heute laut hinein: „Thurloj! Thurloj!“ Dann sollen die Steine herniederkrachen.

Ein alter Hoggeneiner Bauer kam einmal im Spätherbst in die Nähe der Schwarzen Wand. Da ist es grauslich zugegangen. Es hatte den Anschein, als ob alle Hexen miteinander rauften und sich zausen wollten. Ein anderer „fluchte einmal mit ausgespannten Armen hinauf“ zur Schwarzen Wand. Diese Art des Fluchens hat dem Volksglauben nach eine besondere, frevelhafte Wirkung. Da ist dann eine Unmenge von Steinen herniedergekracht, dass sich der frevelhafte Hirte kaum in Sicherheit bringen konnte. (Gratl Hans.) Die Sage von der Krieger Bürge ist besonders im Steinacher Gebiet sehr verbreitet. (Zach Nanne.) Noch heute soll sie manchmal ein Fuder vor dem Haus des alten Bruggenwirtes (Munggiler) bei ebenem Weg umwerfen . . .

Der vorhin erwähnte Zug von der Kraft der Erde findet sich überhaupt in vielen Sagen, zum Beispiel in der schon erzählten Sage von der Entstehung des Schmirner Ferners. Da schwört der Bauer, indem er Erde von seinem Acker in die Schuhe tut. Er will damit eigentlich einen Besitz erschleichen, aber doch deutet er darauf hin, dass die Erde sein Lebenselement ist. Er missbraucht dies Element zu einem falschen Schwur und daher erfolgt die Strafe!

Die Eidesablegung geschah übrigens ganz allgemein, „indem sich der Schwörende Erde oder Rasen auf das Haupt legte“. 65) Die Sage vom Schöpflöffel, den jemand unter den Hut steckt und dann auf seinen „Schöpfer“ schwört, findet sich ebenfalls nicht selten in der deutschen Sagenwelt. 66) (Vgl. S. 46/47.)

65) Grimm, Mythologie, S. 369. Ohne Zweifel ist die interessanteste und seltsamste Sagengestalt „Pfeifer Huisile“. Im ganzen Brennergebiet ist sein Gedenken noch lebendig. Vom Sarntal und Passeiertal bis Ster zing, Brenner und das nördliche Wipptal werden die seltsamsten Geschichten erzählt. Meine letzten Nachfragen in Südtirol ergänzen immer mehr das Bild dieser Sagengestalt. Pfeifer Huisile wächst weit über einen gewöhnlichen Hexenmeister hinaus und stellt fast eine Tiroler Faust-Gestalt dar. Eine zusammenfassende Darstellung ist geplant.
66) Mailly, Rechtsaltertümer, S. 14.

Auch der Verwandlungsglaube war früher im Wipptal allem Anschein nach nicht ganz selten. Der alte Peerler von Obernberg, namens Salchner, war in dieser geheimen Kunst bewandert. Ihm war es möglich, bei verschlossenen Türen in ein Zimmer zu kommen. Jedes Schlüsselloch war ihm groß genug. Einmal gingen einige Bauern zum Lueg hinauf, einstens eine berühmte Zollstätte. Da sagte der Zauberer, er würde sich in einen „Voken“ verwandeln und dann sollten ihn die anderen über die Zollstätte treiben, damit sie die Zollwächter ärgern könnten. Aber die Bauern hätten sich gescheut, solche Zauberei auszuführen. Dafür konnte dieser Zauberer kaum sterben. Mehr als acht Tage ist er in den letzten Zügen gelegen. (Fürst.)

Ein solcher Künstler war auch der später erwähnte Hexenmeister von Pflersch, Pfeifer Huisile. Einmal hat es in einer Bauernstube in Navis einen frohen Tanz gegeben, wie ja solche Tänze früher öfters üblich waren. Auch Pfeifer Huisile war anwesend. Da wimmelte plötzlich die ganze Stube voll von kleinen Mäusen, die den Weiberleuten unter die Röcke krochen, dass sie laut aufkreischten. Es gab ein furchtbares Durcheinander, bis der Zauberer endlich Einhalt tat. Plötzlich waren alle Mäuse verschwunden. Aber auf dem Boden war „ein nettes Häufele Tschurtschelen“ (Tannenzapfen) aufgeschichtet. Die hatte der Zauberer in Mäuse verwandelt. (Zach Nanne.)

Ein anderes Mal wandelte der Hexenmeister allein auf der Landstraße dahin. Da sah er von ferne einen Kraxentrager, wie solche viele durchs Land gingen. Er hatte Glaszeug auf der Kraxe. „Du kommst mir grad recht“, sagte der Zauberer. Dann verwandelte er sich flugs in einen Baumstock und ließ sich neben dem Weg nieder. Ganz einladend schaute diese Raststätte aus. Als dann der Kraxentrager daherkam, setzte er sich richtig auf den Baumstamm. Doch der „kugelte um“ und der alte Kraxentrager fiel fluchend zu Boden. Seine Glaswaren kollerten zerbrochen umher. So boshaft konnte der Hexenmeister sein. Ja, er hatte sogar die Macht, Ochsen zu verwandeln, die er dann zum Markt führte und verkaufte. Aber plötzlich führte dann der Bauer nur mehr einen Strohhalm in der Hand. (Zach Nanne.)

Auch seltsame Frauenspersonen, die plötzlich irgendwo und bei irgendwelcher Gelegenheit auftauchen, werden gerne als Hexen bezeichnet.

In Navis sah man vor einem Hochwetter häufig ein altes Weiblein mit einem Regenschirm bei den Almen vorbeigehen. Dann gab es immer Hochwetter. Aber auch in der Wildnis und Einsamkeit des Waldes tauchte dann oder wann eine solche; „Hexe“ auf. Da ging einmal der Peters Franz von Vals am Seelentag in die Berge, um Marderfallen aufzustellen. Er wurde gemahnt, er soll doch daheimbleiben und in die Kirche gehen. Aber er hat nichts darauf gegeben, zumal er erst vor kurzem vom Militärdienst zurückgekommen war. Beim „spitzigen Stoan“ stand auf einmal ein Weiblein vor ihm, mit einem Stock in der Hand, die Haare hatte sie ganz nach vorne heruntergekämmt und sie trug ein blaues Fürtuch. Sie schaute ihn ganz seltsam an, reichte ihm den Stock und sagte geheimnisvoll:

„Da nimm den Stecken und geh unter dem Zeischfall (Wasserfall) hinein zu den Fallen!“

Daraufhin ist sie so schnell verschwunden, wie sie gekommen war. Er aber ist „ganz außer Sicht kommen“ und hat sich völlig verirrt. Dann aber ist er auf einmal zur Peterers Kaser kommen. Dort ist er unter dem Barren hinein und hat „gebrüllt wie ein Stier“. Der alte Modler-Bauer hat ihn brüllen gehört, ist schauen gangen und hat ihn endlich hochgebracht. Er war wie von Sinnen vor Angst. Beim Angerkreuz ist er wieder auf und davon gesprungen. Ein zweiter Bauer, der gerade des Weges kam, musste helfen, ihn wieder heimzukriegen. Er war bestimmt verhext worden. (Gatt Josef.)

Viele Hexensagen hängen mit Naturereignissen zusammen, vor allem mit Hochwetter, Hochwasser und Murbrüchen. In einem Fall wird eine riesige Schneelawine in Verbindung mit Hexen gebracht, nämlich mit der Verschüttung des Traulwaldes im Gschnitztal. Es muss sich um eine Naturkatastrophe gehandelt haben, wie die einfachen Bauern heute noch sagen: denn die Ausmaße der Lawine müssen übermäßig groß und gewaltig gewesen sein. Eine ganze Bergseite wurde mit einem Schlag des Waldes entkleidet und ist bis heute kahl geblieben.

Bald nach diesem Ereignis ist ein Gschnitzer Bauer aufs „Land“ hinausgegangen und da hat er in einem Gasthaus eine Kellnerin getroffen, die ihm gestanden hat, dass sie bei der Lawine mitgeholfen hat:

„Als Alster weiß bin ich
in Weißel’s Gatter gehockt
und hab zug’schaut!“

Die Hexe war also als weiße Elster verkleidet und hatte zugeschaut, wie die Lawine durch das Holz gebrochen ist. (Hiesner.)

Noch tiefer aber greift eine Hexensage aus dem Stubaital, die auch im Gschnitztal erzählt wird und fast an die nordischen Odinsagen erinnert.

So wie Odin in der nordischen Sage von einem Schmied sein Pferd beschlagen lässt, so ist auch in Schönberg einmal ein junger Gesell mit einem Ross zum Schmied nach Schönberg in dunkler Nachtstunde gekommen. Grimmig hat er ihn angeheischt, er soll ihm sein Ross beschlagen! „Eil Dich! Eil Dich!“ Als die unheimliche Arbeit fertig war, hat der wilde Gesell „plötzlich einen Rearer getan“ und hat den Schmied höhnisch angelacht:

„Itzen hast du dein eigen Fleisch und Bluet beschlagen!“

Daraufhin ist er in wilder Fahrt über das Pinnistal auf den Hobach gefahren, wo ja die Hexen ihr Stelldichein haben. Das Ross war die Tochter des Schmiedes und der Vater hatte keine Ahnung davon, dass er seine eigene Tochter beschlagen habe! (Hiesner.)

Neben dem Hexenglauben war auch der Trudenglaube im Volk tief verwurzelt und ist es zum Teil heute noch. Die Truden legen sich in schlafender Nachtzeit auf die Menschen und drücken sie so stark, dass ihnen der Atem ausgeht. „Wie eine weiße Kugel schaut die Trute aus, die ihres Weges rollt.“ In dieser Form wälzt sie sich langsam bleischwer auf die schlafenden Menschen, zuerst an den Füßen, die ganz starr werden, dann immer höher hinauf bis zur Brust. Dann drückt und lastet das geisterhafte Gewicht und der Mensch kann sich nicht rühren. Nur leise stöhnt er auf, der Schweiß rinnt ihm über den Körper — — bis der Spuk auf einmal verschwunden ist. „Wie eine Kuhwampe schaut sie aus“, besagt eine andere Darstellung. (Zach Nanne.) Der alte Steckholzer aber war einmal spät am Abend noch am Padauner Berg Kühe suchen. Da ist plötzlich vor ihm eine Kugel gerollt und diese Kugel rollte immer genau vor ihm, ob er nun langsam ging oder schnell. Als er endlich zum Hofe kam, war er „windelweiß“ vor Angst. Solche Kugeln waren „Trutenkugiler“ genannt. (Steckholzer.)

Wie kann man die Trude abwehren . . .? Nach einer alten Steinachersage musste man der Trude sagen, sie solle am nächsten Tag um 12 Uhr mittags wieder kommen, wo sie dann drei weiße Gaben erhält, nämlich Eier, Salz und Mehl. Dann wird man von der Trude befreit. Am nächsten Tag aber kommt dann irgendeine als Hexe verschriene Person ins Haus, der man die drei weißen Gaben geben muss. (Allerdings ist in einem Falle der Müller zufällig gerade um 12 Uhr in das betreffende Haus gekommen und das hat zuerst Verwirrung, dann große Unterhaltung gegeben!) (Mitgeteilt von Schulrat Plankensteiner.)

An diese Truden erinnert vor allem der sagenumwobene Trutenstein in Trins. Dort befand sich bis zum Jahre 1912 ein mächtiger dunkler Steinblock, der beim Straßenbau entfernt wurde. Fast überall in der Umgebung finden sich romanische Flurnamen, nur der Trutenstein geht auf deutschen Ursprung zurück. Auch der danebenliegende Acker wird Trutensteinacker genannt. Es mag seltsam sein, dass sich unmittelbar neben dem Trutenstein ein großes altes Feldkreuz mit zwei danebenstehenden Heiligen befindet; ebenso liegt in nächster Nähe die Antonius-Kapelle, kaum 50 Schritt entfernt. Diese christlichen Zeichen mögen als Schutz gegen die mit dem Stein verbundenen heidnischen Vorstellungen und Zeichen gesetzt worden sein.

Trudenstein nennt das Volk in Oberdeutschland Steine auf Höhen, wo diese Unholdinnen sich zu versammeln pflegen, um zu beraten, welche Menschen von ihnen gequält und getreten werden sollten. (Trudenstein auf dem Dillenberg bei Langenzaun in Mittelfranken, vielleicht ein germanischer Opferstein.) 67)

67) Handwörterbuch des Aberglaubens, unter „Trutenstein".

Aus diesen Sagen und Erzählungen ersieht man gut, dass auch im Wipptal wie überall in unseren Landen der Glaube an Hexen tief im Volk verwurzelt war. Wir müssen sogar eingestehen, dass dieser Glaube noch bis in die Gegenwart weiterlebt und nicht erloschen ist. Man wird aber dem Problem nicht gerecht, wenn man diesen Gestalten nur rein mittelalterlichen und daher christlichen Ursprung zubilligt. Vielmehr lässt sich dem ursprünglichen Wesen nach das ganze Hexentum in das Heidentum zurück nachweisen, so dass wir es auch in unserem Falle mit etwas Bodenständigem und Uraltem zu tun haben. 68)

68) Grimm, Mythologie, S. 587.

Andererseits müssen wir hervorheben, dass es im Wipptal nie zu irgendwelchen gröberen Ausschreitungen gekommen ist. In den geschichtlichen Quellen des 16. Jahrhunderts, vor allem in den Gerichtsbüchern des Landgerichtes Steinach, finden sich ganz wenige und inhaltlich vollkommen unbedeutende Prozesse dieser Art. Bringen wir einen dieser Prozesse wieder ans Licht, so ergibt sich hinsichtlich des Hexenglaubens ungefähr dasselbe Bild, das wir bisher mit einigen Beispielen gestaltet haben:

Da stritten sich im Jahre 1557 Ursula, des Hanns Hörtnagl zu Vinaders Ehefrau, mit Ursula Püchler. Die Frau des Hans Hörtnagl wollte nach Pfruntsch hinaufgehen zu ihrer Tochter. Da begegnete ihr die Ursula Püchler, die gerade zum Bach um ein Wasser gegangen ist, und ruft ihr nach:

„Ich pin nit eine arme, verzauberte Huer wie du pist, die die toten Köpf danzen kint machen!“ (Vgl. S. 35.)

Die Hörtnagelin aber verteidigt sich und sagt:

„Du tuest mir vnrecht, indem Du solliches von mir redst! Es hat michs kain Mensch nie bezigen pissher, wirds auch, ob Gott will, niemandt mit Warheit auf mich aussrichten!“ Aber die Ursula ruft ihr wieder schlimme Worte nach:

„Du hast eine Dochter dort oben! Ist mit Zuechten ein pfäffische Huer!“

Daraufhin kommt es vor Gericht, wo sich nun die beiden zornigen Frauen gegenseitig die Wahrheit oder Unwahrheit sagen. Die Ursula Hörtnagl hätt die Püchlerin geziehen: „Ich hab dir die Hennen verzaubert!“ Aber die Pacherin leugnet auf einmal alles und sagt: „Mein Ursl! Du tuest mir vnrecht! Ich hab dich das nie bezigen! Und zaich dichs auch nicht!“ Ein zweitesmal wehrt sich dann die Pacherin: „Ich habs nit than! Will gern ein Mensch hern, ders von mir sagt!“ Nun erzählt die Hörtnaglin, dass sie es von der Hochin gehört hätte. Aber auch die Hochin will von nichts mehr wissen — also richtiges Frauengetratsch! Dann jedoch rückt die Hörtnaglin heraus und sagt:

„Zu wen hast du den Stachl genutzt! Denn du pist kain Schmiedin und. du hast anderst nicht dermit gethan, denn darum gezabert!“

Die Püchlerin ist nämlich heimlich zum Schmied gegangen und hat dort einen eisernen Haken geholt. Sie verteidigt sich aber gegen den Vorwurf: „Dieweil du mich solches zeichst, wie obsteht, so pist du an dir selbs ain zauberin, so lang oder vil pist du solichs, das du mich zeichst, auf mich ausrichtst —

Im Lauf des folgenden Streites erfährt man nun, dass die Ursula Püchlerin (manchmal heißt es Pacherin) tatsächlich zum Schmied am Gries gekommen wär und „einen Stachl begehrt“ hätte. Da fragt die Ursula Hörtnaglin rasch: Wozu sie ihn hat brauchen können! Dann gestand die Püchlerin ein:

„Es legen mir meine Hennen nicht! Und ich denk, die Hochin hat mirs than! (das heißt, die Hochin hat die Hennen verzaubert!) Ich wills wider kehrn!“ (das heißt, sie will den Zauber wieder bannen!)

Noch ein zweites Mal kommt die Rede darauf und wieder sagt die Ursula: „Die Hochin hab ir ire Hennen verzaubert, dass sy nit legen! Das will sy wieder kehren —!“

Auf solche Reden hin und „weil die Sach so hoch wichtig ist, hat der Landtrichter von Obrigkeit wegen beide Frawen in Fron Vest legen wellen“. Durch Fürsprache der Bauern und auf Bürgschaft hin wurde ihnen das Gefängnis jedoch erlassen. Geschehen am 18. February 1558. Hanns Hörtnagl und Steffan Pacher, der Bruder der Ursula, leisteten die Bürgschaft. Damit war die Angelegenheit geordnet.

Aus diesem Beispiel ersieht man, dass der Hexenglaube im Volk bestanden hat. Aber es hat weder eine besondere Bestrafung gegeben, noch können für das Wipptal irgendwie schwerere Fälle aus den Gerichtsakten nachgewiesen werden. Das kann als gutes Zeichen für das einfache, nüchterne und verständige Denken der vorherrschenden Bewohnerschaft gegenüber den in deutschen Landen so übertriebenen Hexenglauben aufgefasst werden!

Quelle: Wipptaler Heimatsagen, gesammelt und herausgegeben von Hermann Holzmann, Wien 1948, S. 130 - 152.