Verwunschene Schätze und Goldbrünnlein

Überall in ganz Tirol spielten verwunschene Schätze und Goldbrünnlein eine große Rolle in der Volkssage, so auch im Wipptal. Solche verwunschenen Schätze, die am Hannestage blühen, kommen in fast allen Orten des Wipptales in den vielfältigsten Formen vor. Da finden wir verzauberte Goldschätze in Gebieten, wo einst reicher Bergbau bestand, so in Navis, Obernberg und Pflersch, oder von Unholden bewachte Schätze an althistorischen Stätten, so am Schloss Aufenstein oder am sagenhaften Kirchlein St. Ursula in Mauern, dann wieder die zahlreichen Goldtröglein der Venediger Männlein da oder dort in den wildesten Bergen. Immer hat auch das Volk solche Stätten mit wundersamen Begebenheiten ausgeschmückt:

Solche Sagen haben sich vor allem in Gebieten mit früherem reichen Bergsegen in vielfältigster Form erhalten. Der ganze Bergkamm des Tribulaun, im Pflerschertal so gut wie in Obernberg und Gschnitz ist von einer Menge solcher Sagen in Erinnerung an den einstigen Bergbau reichlich ausgeschmückt.

Dort am Rasselstein in Obernberg liegt das güldene Kegelspiel begraben und eine silberne Geige, wo der geizige Bergkönig und allerhand Geister Wache halten. Diese Sage vom güldenen Kegelspiel und von der silbernen Geige ist auch jenseits des Joches in Pflersch gut bekannt. Dort wird vom geizigen und habgierigen Bergkönig erzählt, dem einst alles Land und alle Berge untertan gewesen sind. Noch drohte nicht die Felswildnis des Tribulaun in der gleichen zerrissenen Form wie heute, sondern, an Stelle der Felsen dehnten sich fruchtbare Almen und grüne Bergmatten und Wälder aus. Aber der Bergkönig war so geizig und habgierig, dass er die armen Bauern und Bergknappen misshandelte und bis aufs Blut ausnützte. Dann ist es geschehen, dass einmal ein Bäuerlein in seiner Angst dem Bergkönig entfloh und immer höher und höher in die Berge kam, um dem grausamen Verfolger zu entrinnen. Da aber erschien plötzlich der alte Bergriese, der am Tribulaun Wacht hielt und wies den geizigen Bergkönig zurecht, er solle ablassen von der Verfolgung des armen Bauern, und er solle seinen goldenen Popanz wegwerfen und aufgeben. Aber der Bergkönig wandte sich ab und wollte dem Riesen wieder entfliehen und hetzte dem Bauern weiter nach. Da schlug der Riese mit der Faust auf den Gipfel des Tribulaun, dass er sich spaltete und heute noch doppelgipflig ist. In dieses Loch hinein flüchtete sich das Bäuerlein, während der geizige König fliehen wollte, aber der Alte hatte ihn in einen Felszacken verwandelt, der heute noch zu sehen ist: das Goldkappel. Und immer noch trägt der geizige König seinen goldenen Popanz, wohl das Sinnbild seines Reichtums und seines Geizes, bei sich. Auf dem Tribulaun sind Wünschelruten, wie die Sage erzählt, und wer Glück hat, wird einst den goldenen Schatz finden. 61)

61) Die Sage schildert Nieberl, Im Reich der Tribulaune, Zeitschrift des D. u. Oe. A. V., Jg. 1922.

Diese Sage vom goldenen Kegelspiel und von der silbernen Geige ist im ganzen Tribulaungebiet lebendig, vor allem in Obernberg. Am Hannestag blüht dieser Schatz, so glaubt das Volk noch heute. Genau um Mitternacht muss man an diesem Tage mit abgewandtem Gesicht eine Haselgerte abschneiden, um eine Wünschelrute zu bekommen. Aber man darf nicht hinschauen, sonst ist man verloren. Mit dieser Wünschelrute kann man den Schatz beheben. (Fürst.) Noch in den letzten Jahren haben einige Bauern in der Hannesnacht beim Kienberg den verborgenen Schatz gesucht. Einem anderen Bauern ist es früher gelungen, den Schatz fast zu heben. Er ist schon „bis zur silbernen Geige“ gekommen und gerade darunter ist das Güldene Kegelspiel begraben. Aber er hat während der Arbeit umgeschaut, weil ihm so angstvoll zu Mute war. Er dachte, es stünde jemand hinter ihm. — Daraufhin hat es „einen Tusch getan“, ein Hund ist aufgetaucht, er ist bewusstlos geworden und am nächsten Tag hinter der Kapelle beim Waldbauern aufgewacht. (Töchterler.)

Während die Sage vom Güldenen Kegelspiel und von der Silbernen Geige noch gut bekannt ist und überall erzählt wird, ist die Sage von der „Güldenen Gans“ im Obernberger See fast vergessen. Nur der alte Töchterler weiß davon zu erzählen, dass man immer von der „güldenen Gans“ geredet hat, aber an genauere Einzelheiten kann er sich nicht erinnern. Die Güldene Gans ist unter dem großen Stein ganz am Rande des Sees versteckt. Der Stein heißt noch heute der „Gänsestoan“. (Töchterler.)

Ein sagenhafter Schatz liegt auch unter dem großen Wegkreuz vor der Kirche von Obernberg, wo der Weg hinüber zur Frode führt. Diese Sage war früher bei den alten Bauern sehr bekannt und volkstümlich. Eine Dirn beim Micharn (heute Honser) hatte den Schatz einmal schon fast „d’erhebt“, aber auch sie konnte sich nicht mehr halten und schaute um — da war alles verschwunden und nichts.

Also wiederum dasselbe Motiv wie im früheren Beispiel: Wer umschaut und Angst bekommt oder sich ablenken lässt, verliert den Schatz. Auch später werden wir einige solche Sagen aus dem Navis-Tal kennenlernen.

Demgegenüber wollte auch der alte Peerler, ein wilder verwegener Raufer, den Schatz unter dem großen Wegkreuz vor der Kirche von Obernberg einmal heben. Mit Hacke und Pickel hat er in der Hannesnacht unter dem Kreuz gegraben. Mit aller Bärenkraft grub er tiefer und tiefer, bis er wirklich auf die Schatzkiste kam. Angst kannte er nicht, so dass er nie absetzte und auch nicht umschaute. Aber er konnte den Schatz trotzdem nicht heben — die Kiste sank tiefer und tiefer, je tiefer er grub, bis er den seltsamen Wettlauf endlich aufgab...

Eine Erzählung berichtet sogar von geheimen Wesen, die im alten Bergwerk von Obernberg herumspuken. Als einmal der Josiler-Seppl von Oberberg allein in den großen Stollen bis zur hallenartigen Erweiterung am hinteren Ende gegangen ist, saß dort auf einmal ein „altes graulodenes Mannl auf einer Bank“. Aber Josiler-Seppl ist auf und davon und hat sich niemehr in den Stollen getraut. (Penz, Obernberg.)

Ein Schatz lag unter der Penzen-Kapelle in Stafflach verborgen. Da ist einmal der Steidl Hans von Kasern (und Steidlhof Steinach) mit zwei anderen Gesellen ausgegangen den Schatz zu heben. Der Steidl Hans hat den andern gesagt:

„Hier leit das Geld begraben. Es wird heiß hergehn, aber grad keine Tür aufmachen und weiterarbeiten und nichts reden, auch wenn es schiech zugeht!“

Dann haben sie im Innern der Kapelle zu graben begonnen. Kaum dass sie begonnen haben, hat man zwei Köpfe beim Fenster hereinschliefen gesehen und die haben noch die Zungen herausgehängt und schiech getan. Aber sie haben weiter gegraben, bis sie zum Schatzkistlein gestoßen sind. Doch die Geister haben so schiech gearbeitet, dass die Schatzgräber alles liegen und stehen gelassen und voller Angst auf und davon sind . . . (Draxler.)

Auch im Navisertal haben sich noch Sagen erhalten, die auf den einstens so reichen Bergsegen zurückgehen. So lag am sogenannten Hundsnock in der Möslalm ein Goldschatz begraben, der in der Hannesnacht blühte. In dieser Nacht hat immer ein Lichtlein gebrannt. Nach anderer Darstellung soll hier ein alter Möslbauer ein Goldkastl eingegraben haben. Einige Naviser gingen einmal dort hinauf Schatz graben, aber sie haben sich nicht mehr weiter getraut. Andere Naviser sind ebenfalls in der Hannesnacht hinaufgegangen, den Schatz zu heben und da ist ihnen ein Hund begegnet mit einem Schlüssel im Maul. Sie haben angefangen zu pickeln und zu schaufeln und kein Wort bei der Arbeit gesprochen, wie es ja vorgeschrieben war. Aber als sie schon an das Goldkistchen gestoßen waren, fanden sie auf einmal den Pickel nicht mehr und da entwischten dem einen der beiden die Worte: „Wo ist der Pickel?“ In dem Augenblick war alles wieder entschwunden. (Penz und Rögeler.)

Nach anderer Darstellung gestaltet sich dieselbe Sage folgendermaßen: Beim Oslerbauer war ein gewisser Picheler kleiner Knecht. Abends kam einmal ein altes Manndl mit langem Bart in alter Tracht und sagte: „Im Kopferberg am Hundsnock liegt ein Schatz in einer eisernen Kiste. Da sitzt ein Hund darauf und hat einen glühenden Schlüssel im Maul. Den Schatz sollst du holen. Du darfst auch jemanden mit dir nehmen.“ Osler Veit, später Gratl genannt, erklärte sich bereit, mitzugehen. Als sie dann in der Johannesnacht hinaufgingen, begannen sie sich plötzlich so zu fürchten, dass sie beide auf und davon sprangen. Von weitem hörten sie das Männlein schreien und weinen und es jammerte immer wieder: „Ietzen mueß ich noch 50 Jahre leiden!“ Auch später hörte man noch oft den seltsamen Hund bellen, wovon sich sogar der Name ableiten soll: Hundsnock!

Schätze sind auch im hintersten Navistal an mehreren Orten verborgen, so vor allem auf der Klamm-Albe bei der sogenannten Schoberlacke. Dort hörte man in früherer Zeit bei dunkler Nacht oft ein teuflisches Hohngelächter, so dass jedem gruselte. Auch in der darunterliegenden Almhütte hat es manchmal in der Nacht unheimlich gelacht. Dort hausen bösartige Schatzhüter oder anderes Teufelsvolk. Der Sage nach ist der Grund der Schoberlacke mit Gold gepflastert. In früheren Zeiten wurden die Ochsen dieser Alm sehr teuer angekauft, weil man in ihrem Magen mehr Gold fand, als die Ochsen wert waren. Manche Schatzsucher, darunter auch der Bauer Simon Pfeifer aus Navis, wollten schon ihr Glück versuchen, wurden aber durch das Teufelslachen vertrieben. Im Jahre 1852 sollen einige Bauern mit einem „Windling“ in das Wasser auf den Grund gebohrt haben. Sie freuten sich schon, als sie den „Windling“ wieder herauszogen und bloßes Gold daran klebte. Als sie aber nochmals bohrten, brach er ab und der Schatz war für immer versunken. (Prechtl.)

Mit dem Bergbau zusammen hing auch das Auftreten von Venediger Manndln und Goldtröglein, die im Wipptal in der Volkssage eine große Rolle spielten. In Obernberg hatten die Venedigermännlein mehrere solcher Goldbrünnlein, vor allem bei den sogenannten Bärflecken am Tribulaun. Dorthin kamen die Venedigermännlein jährlich einmal, um das Gold abzuschöpfen. Die Goldtröglein sind heute verschwunden. Ein weit bekanntes Goldbrünnlein befand sich auf dem sogenannten Grüenerbl ober Nößlach, früher Unterstell genannt. Das dortige Goldbrünnlein hat dem Bauern jährlich so viel Gold eingebracht, als ein Paar Ochsen wert war. (Töchterler.)

Ein Goldbrünnlein befand sich auch am Moarkofl am Steinacher Berg. Als einmal der alte Schneider-Toadl dort beim Viehsuchen vorbeiging, hat er das kleine Tröglein gefunden und am Grunde war alles gelber Sand. Beim Rückweg wollte er wieder vorbeigehen, um den Sand abzuschöpfen, aber da war alles verschwunden. Auf der Gartenseite in den Egger Bergmahdern aber floss verborgen das „Silberbrünnl“, das dem Pauler-Bauer am Waldmannshof auf Egg (Pauler-Hof) jährlich 60 Gulden eingebracht hat. Dann ist einmal ein „Engländer schauen gegangen. Seit der Zeit ist das Brünnlein verschwunden“. Als einziges Beispiel dieser Art findet sich in dieser Volkssage die Erwähnung von Ausländern. (Vogelsberger.)

Das Goldbrünnlein zu Laponnes im Gschnitztal hing bestimmt mit dem dortigen sagenhaften Goldbergwerk zusammen, das sich gegenüber der Laponnes-Alm auf der Schattenseite unterm Schnabele befand. Die Bauern zeigen heute noch auf einen Erdbruch, wo der Stollen hineingeführt hat. „Die Knappen waren so reich und hatten so viel Gold, dass sie in ihrem Übermut nicht wussten was tun und den Kindern sogar mit Küecheln den Orsch abgeputzt haben.“ Zur Strafe ist dann das Bergwerk eingefallen und alle sind zugrunde gegangen. Gold soll man früher auch unter der Garklerin gegraben haben. (Feiser.) Das Goldbrünnlein an der Bockgruebe unter der Thaursäule in Gschnitz war der Sage nach ebenfalls ergiebig. Der alte Hanserbauer hat dort jedes Jahr so viel Gold abgehoben, als ein Paar Ochsen wert war. Einmal sind Buben in diese Gegend gekommen und einer hat sich beim Trögl niedergesetzt, ohne dass er wusste, dass es sich um das Goldbrünnlein gehandelt hat. Als er dann aufgestanden ist, „hat er die ganze Hose voll Gold“ gehabt.

Ein solches Goldbrünnlein, „Sandbrünnl“ genannt, floß auch verborgen in der Alm Martitsch im Venntal. (Steckholzer.)

Das bekannteste Venediger Männlein im Gschnitztal trieb sich beim Lauterer-See herum, wo es öfters von Hirten gesehen wurde. Ein Alpenauge im wahren Sinne des Wortes ist dieser wunderschön gelegene, spiegelklare See. Einmal fand ein Hirte das Hütlein und das „kleine Gschölderlein“ des Venediger- manndls am Ufer des Sees. Bald tauchte das Männlein aus den Felsen auf und bat flehentlich um den Hut und das Gschölderlein. Der Hirte erbarmte sich des kleinen Wichtes und gab ihm alles zurück. In späteren Jahren befand sich der Hirt im Krieg und kam sogar mit anderen Landsleuten nach Venedig. Da schrie plötzlich eine bekannte Stimme von einem Fenster herab: „Simminger Ochsner!“ Es war der kleine Zwerg, der den Hirten erkannte und ihn nun freundlichst bewirtete und mit Gaben beschenkte. Er durfte auch in den Bergspiegel schauen, wo er den Simminger Berg innen und außen sah, „Und die Goldzapfen hingen von den Wänden.“ . . . (Öttl.) Der alte Hiesner erzählte, dass der Hirte das G’schölderlein und das Hüetl aus Übermut in den See werfen wollte. Aber dann hat er es doch liegen lassen und dem Männlein zurückgegeben. Zum Dank dafür hat ihn dann das Männlein in Venedig in seinen Palast eingeladen. Dort breitete es eine Decke aus, er musste sich darauf legen und war dann auf einmal daheim.

Auch im Sandestal hat sich eine seltsame Frauengestalt herumgetrieben, die einsamen Hirten erschien und sie traurig angeschaut hat. Die Hirten jedoch fürchteten sich und gingen davon, ohne sie zu grüßen. Da hat sie ihnen nachgeschrien:

„Hätt ihr viel gefragt,
Hätt ich viel g’sagt!
Und ich hätt euch gelernt,
aus Jute Gold zu spinnen!“ (Silbergasser.)

Dieser Ausspruch erinnert an die Worte des Wichteles in der Modhäusers Kaser, das ja auch gesprochen hat:

„Wenn du mich viel gefragt hättest,
hätte ich dir viel gesagt,
und du hättest aus der Jute Gold sieden gekonnt!“ (s. S. 108.)

Auch am Larcherhof im Valsertal wird derselbe Spruch erzählt, aber dort hat es der Bauer verstanden, „aus Jute Gold zu machen“. Die letztere Sage weist wohl nur auf den Reichtum des Hofes sinnbildhaft hin. 62)

62) Diese Sage erzählt Franz Gratl, Innsbrucker Nachrichten, 31. 12. 1912.

Neben den Bergbausagen gibt es aber noch eine Reihe von verwunschenen Schätzen, die auf Bergbau nicht Bezug nehmen, aber doch in der Volkssage reich und vielfältig vertreten sind. Ein solcher Schatz soll beim sogenannten Schwarzenhof in Schmirn begraben sein, wo ja der einstens so blühende reiche Hof von den Muren aus Strafe für den Übermut des Bauern verschüttet worden ist (vgl. S. 88). Dort geistert auch das Staudenroß und das Staudenliechtl herum.

Der Schatz im Wildenlahner-Tal blüht einmal im Jahr am Hannestag beim Feierabendläuten. (Cajetan Gratl.) Einmal wollten einige Schmirner den Schatz heben, aber sie haben sich dann doch nicht getraut.

Auf Hochgenäun erschien alle hundert Jahre ein Schatzmanndl. Einmal hat eine Dirn in aller Früh bei der Mühle Feuer gesehen. Ein kleines Manndl war dabeigesessen — wie ein Bettelmann, der sich wärmen wollte. Zufällig ist das Herdfeuer über Nacht ausgegangen und so hat die Dirn von dem seltsamen Feuer an der Mühle Glut holen wollen. So ging sie mit der Glutpfanne hinüber —aber kaum, dass sie die Pfanne voll gehabt hat, war alles nur mehr Stroh. Voller Zorn und Ärger hat sie das Zeug wieder weggeworfen, worauf das Männlein plötzlich weinend verschwunden ist. Hätt sie das Stroh zum Haus genommen und hätt sie geglaubt, dann wären alles Taler geworden und das Männlein wär erlöst gewesen. So musste es wieder hundert Jahre warten . . .

Ein Schatz soll auch in Velpereben auf dem Weg von Steinach nach Nößlach verborgen sein. Der Hafner Franz von Haarland hat dort zum letzten Mal ein in alter Tracht gekleidetes Weiblein gesehen, das unter der Feichte „Ströbe kratzte“. Da hat ihn aber so die Angst gepackt, dass ihm jedes Härlein von Schweiß nass wurde. Das Weiblein ist verschwunden. An derselben Stelle befindet sich ein altes Muttergottesbild mit Jahreszahl 1834. Kinder sollen dort einmal bei der Holzarbeit ein Brett gesehen haben, wie den Deckel einer Kiste. Darinnen soll viel Geld gewesen sein. Aber die Kinder sind davongesprungen und „hinter ihnen flogen und schwirrten und schrien lauter schwarze Raben“. Der alte Marteierbauer vonNößlach hat immer zu den Kindern gesagt: „Wenn ihr vorbeigeht, müsst ihr drei Vaterunser beten“. Manche alten Nößlacher sollen früher an dieser Stelle oft nicht vorbeigekommen sein, so dass sie den Umweg über den Steidlhof gemacht haben. (Zach Nanne.)

Ein seltsamer Schatz befand sich auch am Hobach im Gschnitztal. Ein alter Gschnitzer hat einmal eine Schindel weit ober der Waldgrenze gefunden und wollte sie aufklauben. Er wunderte sich, dass in dieser Höhe Schindeln herumliegen. Aber die Schindel war an einer großen Kette angebunden. An dieser Stelle soll der sagenhafte Goldschatz gelegen sein. Ein anderer Gschnitzer fand einst am Kühberg unterm Pflerscher Pinggl einen Stein mit seltsamen, wie lateinischen Inschriften darauf. Er wollte hernach mit einem „Hearischen“ wieder hinaufgehen. Aber es fand sich keine Spur mehr von diesem Stein. Er erinnert an den Beschriebenen Stein im Vikartal. (Hiesner und Feiser.)

Der verzauberte Schatz unter dem sogenannten Knotich-Stein oder Knotte-Stein im innersten Navistal machte viel von sich reden:
Beim Hof neben dem Knotich-Stein war einmal eine junge Dirn angestellt, die an einem Nachmittag nach dem Kirchen heimging. Da stand auf einmal ein Zwerglein hinter ihr und schüttete einen Sack voll Gold in ihren Schurz, wobei es sagte: „All das Gold darfst Du behalten, wenn Du bis zum Knotich nie umschaust!“ Sie freute sich darob, ging weiter und versprach, niemals umzuschauen. Beim Weitergehen ging nun das Männlein hinter ihr her und begann jämmerlich zu heulen und zu weinen und zu schreien. Dann wieder lachte es ganz unbändig, um das Mädchen zu versuchen. Aber sie hielt bis vor die Haustüre stand, wo sie jedoch ihre Neugier nicht mehr beherrschen konnte. Fast ohne es zu wollen, schaute sie um. Da begann das Männlein bitterlich zu weinen und jammerte: „Warum hast Du mir das antun können? Jetzt muss ich noch hundert Jahre leiden.“ Darauf verschwand das alte, seltsame Männlein. Als die Dirn in ihre Schürze schaute, war all das Gold in gewöhnliches Laub verwandelt. (Rosina Penz.)

Wie schon eingangs erwähnt, hat das Volk vor allem alt-historische, schon längst vermoderte und vernichtete Schlösser und Burgen mit geheimnisvollen Sagen ausgeschmückt. Man spürt fast aus den alten Erzählungen den oft ganz schaudervollen Reiz vergangener großer Geschehnisse heraus. Vom längst zerstörten Schloss Lueg (1809) ist kaum mehr ein Stein zu sehen. Aber die Erinnerung an das alte Schloss lebt immer noch im Volk weiter. Wenn auch keine besonderen Sagen darüber erzählt werden, so gilt der Ort dennoch als unheimlich und gefürchtet: es geistert! Nicht selten soll man dort auch in dunklen Nächten Lichtlein umherhuschen sehen. Auch die Erzählung von der sogenannten Schwarzen Frau, die der Tiroler Volksschriftsteller Reimmichl so schön gestaltet hat, spielt in dieser romantischen Gegend. Die Erinnerung an das sagenhafte Schloss Egg bei St. Jakob (Gries am Brenner) lebt ebenfalls im Volke weiter, ohne dass jedoch besondere Sagen überliefert werden. Wohl aber spielt ein unterirdischer Gang in der Ortsgeschichte eine große Rolle. Solche unterirdische Gänge finden sich fast bei allen Burgen oder älteren Bauten im Wipptal, so in Gries am Brenner, in Steinach, im Gerichtsgebäude — Bildhauer (Neuenthurn), im Pirchethof, Gschwendt usw.

Ein wirklicher Schatz jedoch befand sich in nächster Nähe der Kirche von Mauern, etwas nördlich davon im sogenannten Glier’n. Der Sage nach befand sich an dieser Stelle ein „Fürstenschloss“. Einmal haben ein Knecht und eine Dirn auf dem Felde gearbeitet. Da haben sie gerade unter der aufgepflügten Erde ein Geldkistlein gesehen. Der Knecht, der von dem Schatz wusste, wollte das Geldkistlein allein heben und sagte daher: „Wir gehen heim, Mittag halten!“ Hernach wollte er allein weitergraben und den Schatz heben. Aber als er zurückkehrte, war keine Spur mehr von dem Geldkistchen und von dem Loch zu sehen. (Schneiderin.)

Nach Angabe der alten Schneiderin von Steinach wurden früher oft auf dem dortigen Acker „Silberstücklen“ gefunden, wo deutlich „ein Kopf abgebildet gewesen war“. Offensichtlich besteht zwischen diesen Funden und der erzählten Sage ein leicht erkennbarer Zusammenhang. Die Funde selbst wurden nie fachmännisch untersucht.

Der Schatz unter dem Brunnentrog in St. Kathrein am Eingang ins Navistal hat früher die Leute ebenfalls viel beschäftigt. Dort an der althistorischen Stätte des Schlosses Aufenstein war unter dem Brunnentrog eine Goldkiste verborgen. Einmal haben zwei wagemutige Burschen in der Hannesnacht ihr Glück versucht und sind beim Graben bis auf eine große Kiste gekommen. Während der Arbeit ereignete sich alles Mögliche, um die Burschen abzuschrecken und sie zum Reden zu bringen. Ja, es erschien sogar die Braut des einen Burschen, ohne ein Wort zu sprechen. Die Beiden aber haben alle Versuchungen überwunden und das Schweigen nie gebrochen, bis plötzlich der Himmel in der Richtung über Matrei ganz grellrot beleuchtet war. Da schrie der eine voll. Entsetzen auf: „Matrei brennt!“ Damit hatten sie das Schweigen gebrochen. Der Zauber wurde zunichte und der Schatz war wieder verschwunden. So hat immer der alte Kastnerbauer erzählt. (Rögeler.)

Quelle: Wipptaler Heimatsagen, gesammelt und herausgegeben von Hermann Holzmann, Wien 1948, S. 120 - 129.