Ung'schichten und Aberglaube

Neben den Hexenvorstellungen und Hexengeschichten, neben Geistern und Wichtelen und allerlei Sagengestalten gibt es in allen Tälern des Wipptales eine Unmenge von Berichten und Sagen über seltsame Geschehnisse, die vom Volk ganz allgemein als „Ung’schichten“ bezeichnet werden. Ung’schichten nennt daher das Volk alles, was mit rechten Dingen nicht mehr erklärt werden kann, oder was nur irgendwie einen überirdischen oder übermenschlichen Anstrich zu haben scheint. Auch viele Geistererscheinungen werden häufig Ung’schichten genannt. 69)

69) Alpenburg, Mythen und Sagen, S. 132, erwähnt, daß im Wipptal die „Putze ganz allgemein Unschichten“ genannt werden (Ung’schichten).

Es würde wohl ein kleines Büchlein füllen, wollte man alle im Wipptal bekannten Ung’schichten sammeln und erzählen. So sehr im Folgenden versucht wird, ein umfassendes Bild zu gestalten, so muss doch betont werden, dass all die hier erzählten Ung’schichten nur einen Bruchteil des Ganzen darstellen.

Geistergeschichten haben auf den einsamen Berghöfen der vergangenen Jahrzehnte jeden Abend in dunklen Winternächten immer wieder neue Gestaltung durch den alten Nehdl oder die Großmutter erfahren. Am offenen Herdfeuer sind diese Geschichten erzählt worden, dass sich die Kinder und Erwachsenen gefürchtet haben. In den heimeligen Bauernstuben an den langen Winterabenden haben gottbegnadete Erzähler so viele Geschichten erzählt und so lebendig wiedergegeben, dass sich jung und alt, Knecht und Dirn, gefürchtet haben, dass die Kinder erschreckt die Füße über die Bank gehoben haben, weil sie sich vor Geistern fürchteten, die sie „unter den Bänken zwicken könnten“! Alle diese Sagen von Geistern und Ung’schichten wurden von Geschlecht zu Geschlecht übertragen und sind niemals alt geworden, sondern fast jeder Erzähler hat sie immer neugestaltet. Wer einen solchen alten Erzähler einmal erleben konnte, hat den besonderen Reiz bis ins Tiefste hinein gefühlt, der im lebendigen, überlieferten Worte steckt. Noch heute erzählen 70- und 80jährige Männer, wie schön solche Abende waren und wie Jung und Alt stundenlang dem Heimgart von Großmutter oder Großvater zugehorcht haben. Gerade der Wipptaler Bergbauer und alte Weiblein haben oft eine Erzählerkunst bewiesen, die in wenigen Tälern Tirols übertroffen werden dürfte. Das ergibt sich auch mit Recht aus der einen Tatsache, dass es möglich war, jetzt in dieser leichtlebigen und so ereignisreichen Zeit noch so viele Sagen aus dem kleinen Talgebiet zu sammeln. Wenn Oskar Wilde die Worte gesprochen hat, dass der Irländer als bester Erzähler der Welt zu gelten hat, wenn andere wieder dem Isländer den Vorzug einräumen, so wird auch der Tiroler Volkserzähler nicht an letzter Stelle stehen.

Und wie plastisch sind doch die Schilderungen und Darstellungen! Welch reiche Phantasie, welche Schreckvorstellungen und auch welch heimeliger Humor lebt in den alten Erzählungen! Wie anschaulich ist doch die wahnsinnige Angst des alten Hexenmeisters Gogl von Obernberg dargestellt, der einmal im Frode-Tal ein Ung’schicht erlebt hat, dass er gerne hinunter ins Tal gehetzt ist. „So schnell ist er in seiner Angst gesprungen, dass ihm die Vögel nicht mehr ausd’erstöllt sein . . .!“

Welch homerischer Vergleich!

„Ihr und Sie und alle guten Geister“ — so muss man die Geister bei solchen Erscheinungen anrufen. Dann müssen sie Rede und Antwort geben! Nie darf man Du zum Geist sagen. (Zach Nanne.) Oder man sagt auch: „Alle guten Geister loben Gott den Herrn! Im Namen des Höheren! Was ist Ihr Begehren?“ (Zach Nanne.) Dann müssen die Geister reden.

Am meisten Ung’schichten haben wohl im Gschnitztal herumgespukt. So wollen wir gleich damit beginnen.

Beim Erhartler und Krustner in Gschnitz hat „ein dreischinkiges Roß gegeistert“. (Öttl.) Ein anderes Ung’schicht trieb auf der Rossgrube im Moarthoartal ihr Unwesen. Als einmal der weitbekannte Wilderer Blasigen Tunige (Vgl. S. 25) von Obernberg eine Nacht in der dortigen Almhütte verbrachte, näherte sich ihm dieser Geist. Der Wilderer aber fürchtete sich nicht und sagte: „Geasche nit, schuiß i“. Tatsächlich schoss er dem Ung’schicht eine Ladung nach, dass es zwischen den Wänden hilderte. Da begann das Ung’schicht zu weinen und verschwand. (Fürst.) Vielleicht hat es sich um einen feindseligen anderen Wilderer gehandelt, der ihn zum Fürchten bringen wollte . . .

Noch heute klingen am volkstümlichsten und am humorvollsten zwei Ung’schichten zwischen Trins und Gschnitz. Den einen nannte man „den Stöftenschlager“, der nichts zu tun hatte, als in der Nacht bei den Trinser Mösern Stöften zu schlagen. Vermutlich handelte es sich um einen alten Grenzfrevler, der nun die Grenzstöften neu schlagen musste. Der andere war aber noch viel unheimlicher, aber auch ein langweiliger Geselle, der immerfort nur jammerte und jammerte und deswegen der „Staudenrearer“ genannt wurde. Dieser Staudenrearer geisterte bei den Staudenhöfen (Pranger und Hanser) in Gschnitz herum und „trug eine glüahnige Taxe im Maul“. Dabei schrie und jammerte er immer den „alte Toas“: „O li, o li!“ Nach anderer Darstellung soll er immerfort „Wohin? Wohin?“ gerufen haben. Oft näherte sich dieser Staudenrearer den dortigen Höfen und jammerte ganz verzweifelt: „Och-och-och-li!“ Sogar bis zum Pranger Sölder ist er vorgegangen und dort hat dieser arme unruhige Geist deutlich gerufen: „Och-och-och-li!“ Nach Meinung der alten Bauern handelte es sich um einen schon seit langem gestorbenen alten Trogerbauern, der als ehemaliger „Voarsteher“ von Gschnitz mit der Gemeinde Trins in einen schweren Streit verwickelt war. Um den Grenzstreit der Gschnitzer günstig zu entscheiden, hat er den Trinsern heimlich ihre „Briefe“ gestohlen. Zur Strafe musste er daher als Staudenrearer mit der glüahnigen Taxe im Maul herumgeistern, bis er endlich Ruhe finden sollte. Der alte Hanserbauer von Gschnitz ärgerte sich einmal ganz wild, als der Staudenrearer wieder vor seinem Hofe jammerte: „Wohin? Wohin?“ Zornig rief er ihm vom sicheren Versteck aus zu: „Zwui tuesch es! Röcht gschicht dir, du strittiger Tuifl!“ Da wurde der Geist zornig und hätt’ „ihm bald den Grind umgedreht“. Der alte Hanser war seitdem „etwas einseitig“. (Öttl.) 70)

70) Alpenburg, S. 181, erwähnt eine Ung’schicht, die immer „O Lia, O Lia“ geschrien habe! Was bedeutet aber das Rufen: „O Li, O Li . . .?

Von einem anderen alten Hanserbauer wird erzählt, dass er dem Staudenrearer folgende Antwort gegeben hat, als er wieder geschrien hat: „Wohin, wohin?“ „Tu ihn dorthin, wo du ihn her hast!“ Von der Zeit an war der Staudenrearer erlöst und wurde nicht mehr gesehen. (Pranger.)

Ein besonders gefürchtetes Ung’schicht machte die Leut beim Gasteigerhof in Gschnitz fast bis zur Gegenwart herauf zu fürchten. Dort wurden die Löter immer in der Nacht „gehebt“. Beim Schlafengehen hielt sie ebenfalls eine geheime unsichtbare Hand mit Gewalt und Drohung zurück. Die Gasteiger Geadl hat es einmal vom Stall bis in das Haus hineingeworfen. Da ist der Alte zornig geworden und hat geschrien: „Tausend Saggra! ietz will ich doch sehn, ob a Ruah ischt oder nit!“ (Feiser.) Im Stall hat es oft die Dirn beim Melken vom Stuhl geworfen, dass sie erschreckt auf und davon gesprungen ist. In der Nacht hackt es häufig „Sprühdel in der Kuchel“, obwohl kein Mensch zu sehen ist. Noch heute hört man den Geist „sich mahren“. Es wurde auch ein Kreuz aufgestellt. Im Jahre 1941 ist der junge Gasteiger Seppi mit der Kreissäge verunglückt. Der hat immer folgendes erzählt: „Was ich im Tennen gesehen und erlebt hab, getrau ich mich gar nicht zu sagen.“ (Hiesner.)

Das Ung’schicht beim Gasteigerhof mährt sich noch heute nicht selten und wird von den dortigen Bewohnern nur mit Ängsten erwähnt. Der Glaube an diesen Geist ist noch heute außerordentlich stark!

Eine Menge Ung’schichten finden sich nun in den rauen Bergen und Almen des innersten Gschnitztales.

„Im ganzen Tal hats früager solche Ung’schichten geben“, erzählte der alte Öttl von Gschnitz. So sah man bei der alten Hansers Stiefelhütte oft ein „Jägerlein“ (Teufel?). (Öttl.) Auf den Almen in Laponnes hausten Wichteler so gut wie Ung’schichten. In der Modhäusers Kaser machte auch neben dem schon erwähnten Wichtele ein Ung’schicht von sich sprechen. Ein alter Trogerbauer — zum Trogerhof gehörte ursprünglich die Kaser — fürchtete sich jedoch nicht vor dem Ung’schicht und ging allein in die Kaser. „Dann ist das Ung’schicht kommen und hat ihm fast den Grint umgedrahnt.“ Seit der Zeit war er einseitig wie der Hanserbauer, der mit dem Staudenrearer zu streiten gekommen war. (Schneiderin.)

Auch in der Prangers Kaser in Laponnes hat sich ein Ung’schicht herumgetrieben und die Leut erschreckt. Einmal übernachteten zwei Wilderer in dunkler Herbstnacht. Da ist „ein Ung’schicht wie ein Ballen hereingekommen und hat sie arg zu fürchten gemacht“.

Ein anderes Ung’schicht soll auf der einsamen Badl-Alm öfters gesehen worden sein. Nicht selten wurde dort ein Mann ohne Kopf beobachtet. In der primitiven Steinhütte hat es bei Nacht gearbeitet und gemährt. Einmal hat ein Blitz in dieser einsamen Höhe einen Hirten erschlagen, was von den Leuten im Tal erst nach acht Tagen erfahren worden ist. Ein altes Tuxer Weibele kam beim Wurzensuchen zufällig dort vorbei. Aber die Ochsen sind während dieser Zeit nie von der Hütte weggegangen. (Hiesner.)

Auch auf den steilen Glättemahdern wurde ein Mann ohne Kopf gesehen. Manchmal erschien ein riesiger schwarzer Hund, der immer „gebellt und gekohlt hat“. Aber die Leute sagen, es sei kein Hund gewesen. Ein ähnlicher geisterhafter Hund wurde in der ganz enterischen Schlucht „Kuner“ bei Simming gesehen. Besonders zur Herbsteszeit fühlt man in dieser gottverlassenen Schlucht, wo der Wildbach herunterbraust, ein seltsames Grauen. Der Hund wurde häufig um Martini gesehen. Er „war ganz tschegget und trug den Schweif weit in die Höhe“. Als Hütteler Galle (gest. 1927) einmal allein dort vorbeikam, hat er diesen tscheggeten Hund gesehen, der bis auf einige Klafter zu ihm hingesprungen ist. Hütteler Galle hat sich gefürchtet, aber er wusste nicht, was tun und konnte auch nicht fliehen. Da hat der Hund den Schweif fallen gelassen und ist plötzlich verschwunden. Dieser Hund wurde auch von anderen wiederholt beobachtet, so vom Burer Max, einem sehr nüchternen und waghalsigen Menschen. Es handelt sich wohl „um einen Geist, der etwas haben will“, wie die Leute sagen. Wenn man ihn richtig anredet, könnte man ihn vielleicht erlösen.

Auch das einsame Traultal macht auf den Berggeher einen geheimnisvollen, fast bedrückenden Eindruck. Es wurde schon erwähnt, dass hier der Volksvorstellung nach die Wetter gebraut wurden. Kein Wunder, wenn auch in dieser Gegend Ung’schichten beheimatet sind.

So haben einmal im Trautal in einem Stadel Jäger in Herbsteszeit übernachtet. Dann haben draußen die ganze Nacht zwei Widder zusammengestossen. In der Hiesners Hütte hat der Wurzengräber Huderers Klaus einmal übernachtet. Dann hat es ebenfalls „zu stoßen und zu neffen angefangen“. Er hat gemeint, es wären zwei Jäger, die ihn tücken wollten. So hat er hinausgeschrien: „Lasst Ruh, lasst Ruh! Gebt einem Fried!“ Aber dann hat er es genau gehört, als ob zwei Böcke zusammenstießen. Es war im November. Diese Erscheinung von stoßenden Böcken oder Widdern erinnert an die Erzählung vom Mortas Gstampfe in Gschnitz, wo einmal der alte Pranger in Simming droben zwei Stiere hat zusammenstößen sehen. (Vgl. S. 83.) (Feiser.) Auch im Simming hat der alte Erhartler beim Hüten ein Ung’schicht erlebt. Es schien, als wäre jemand vor der Hütte, deutlich hörte man den geisterhaften Tritt auf den Steinplatten. Der Erhartler hielt zur Abwehr einen Stock mit drei eingemeißelten Kreuzen. (Silier Ander.)

In der Alfeiers Kaser geht es die Nacht zu Hörbistzeiten um, als ob jemand in Keller und Gaden arbeiten würde. Milchmeltern werden herumgeworfen und umgestellt. Man hört deutlich das Klappern. Als ein alter Hiesner dort einmal beim Gamsengehn übernachtete, hat er das Ung’schicht deutlich gehört. Er hat seine Büchse gerichtet und wollte schießen. Aber es war nichts zu sehen.

Vom Gschnitztal auswärts geht es vorbei am „Staudenrearer“ und am „Stöftenschlager“ in den Trinser Mösern zum Hof Rafeis. Auf diesem Hof hatte man für den Geist eine eigene Kammer, die sogenannte Rafflkammer, bereitgestellt, wo er Tag und Nacht nach Belieben raffeln konnte. In dieser Kammer hauste der Hausgeist. In gleicher Weise gab es auch beim alten Geir Ander in Gschnitz (heute Troger) einen Geist, der sich immer in der Stube aufhielt, aber niemandem etwas Böses antat.

Auch in der abgelegenen Wildnis der Schmurzalpe „ging es um“. Die Schmurzalbe [Schmurzalpe] gehörte früher zum Hof von Raveis und genoss als „Rossalbe“ einen guten Namen. Beim „Schianberg“ sollen einmal die Rösser über die Felsen gesprengt worden sein. Seit dieser Zeit wurde die „Roßalbe“ aufgelassen. In der kleinen Kaser geistert ein Ung’schicht, so dass einmal ein Hirte nicht mehr geblieben ist. In der Nacht hat es immer an die Türe gepoltert und gekracht. Der alte Similer von Vinaders hat einmal dort übernachtet. Als das Ung’schicht wiedergekommen ist, hat er geschrien: „Geasche nit, schuiß i!“ Aber das Ung’schicht ließ sich nicht vertreiben. (Töchterler.)

Auf der Schattseite aber hörte man bei der Grazanne-Wiese häufig laut reden und schreien, aber in unverständlicher, welscher Sprache. (Grampler.)

Ob das sagenhafte Ungetüm bei der Kohlstatt zwischen Trins und Gschnitz ein Riese war oder ein anderes Nachtgespenst, wird nicht erzählt. Ein Pfitscher kam einmal allein des Weges, als auf einmal der Riese vor ihm stand. Er war so groß, dass der Pfitscher unten zwischen den Beinen durchmusste, sonst wär er einfach nicht vorbei gekommen. (Öttl.)

Eine ähnliche Vorstellung erlebte auch einmal der alte Modhäuser von Mauern in Haarland bei Steinach. Er befand sich auf der Rückkehr vom Sterzinger Markt, als ihm dieser Riesenloter wie ein Baum den Weg verstellte. Er musste „zwischen den Haxen durch“. (Schneiderin.)

Das bekannteste Ung’schicht machte jedoch beim Tostbauer in Trins in alten Zeiten viel von sich reden. Besonders im Jahre 1809, als die Bayern in Trins hausten, wurde das Gespenst oft gesehen. Die bayrischen Soldaten sagten jedoch, sie würden sich nicht fürchten, sondern wollten den Geist mutig anreden. Als es Nacht wurde, kam das Gespenst wirklich bei der Tür herein. Es ging zu einem Fensterbalken und ließ einen Fuß darüber hinaushängen. Da erst sah man im Halbdunkel, dass es ein Gespenst ohne Kopf war. Da fürchteten sich die Bayern und liefen auf und davon. Sehr häufig hörte man das Gespenst in der Nacht Stroh schneiden, eine Tätigkeit, die bei solchen Geistern überhaupt beliebt zu sein scheint. Auch beim Fürstbauern in Vinaders hatte ein solches Gespenst nichts zu tun, als immer nur bei Nacht Stroh zu schneiden. Aber viel schlimmer und grausiger ist die Vorstellung, dass das Gespenst nicht selten in der Dunkelheit den Leuten die eiskalte Hand gedrückt hat. So fürchtete sich alles im Hause. Manchmal ging der Geist am Abend in die Stube hinein und hat sich auf den Fensterbalken gekniet und lange Zeit beim Fenster hinausgeschaut. Einmal wollte ihn jemand auf den Rat eines Geistlichen hin anreden. Aber er brachte kein Wort zustande.

Nach alter Überlieferung konnte ein alter Tostbauer keine Ruhe finden, da er sich im Leben vergangen hatte. Früher war es Brauch, dass die reichen Bauern den Bettlern von den Dörfern her immer ein gehöriges Maß Mehl geschenkt haben. Diese Mehlkelle hatte ein genau festgesetztes Maß. Er aber hat die Mehlkelle heimlich kleiner geschnitzt, um den Bettlern weniger geben zu müssen. Zur Strafe fand er daher nach dem Tode keine Ruhe. Auf den Rat eines Geistlichen wurde dann später immer „etwas mehr Brot gebacken“ und an die armen Leute verteilt. So ist es auf einmal still geworden und das Gespenst für immer verschwunden.

Die Sage vom Geigenstein bei Trins wurde schon erzählt. (Vgl. S. 22/23.) Zu dieser Teufelssage kommt noch folgende Ergänzung hinzu:

Da ist einmal eine Frauensperson von Gschnitz heraus beim Geigenstein in Trins am Abend vorbeigegangen. Da kam ihr die ganze Gegend auf einmal verwandelt vor und doch wieder gleich. Gerade neben dem Geigenstein befand sich ein neues Wirtshaus, das sie noch nie gesehen hatte. Ein behäbiger Wirt trat heraus und lud sie freundlichst ein, hineinzukommen. Da hätte sie dem Wirt eine grausige Schlange um den Hals wickeln sollen, aber ohne einen Schreckenslaut von sich, zu geben. Sie wollte es wohl versuchen, aber dann hat sie die Angst vor der Schlange so gepackt, dass sie angefangen hat zu schreien, und alles war auf einmal erloschen, das Wirtshaus und der Wirt verschwunden und der Geigenstein reckte sich dunkel in die Nacht. Der Wirt aber hat noch aus der Dunkelheit gejammert: „Ietz mueß ich wieder warten, bis auf dem . . .-Boden ein Baum wächst, daraus eine Wiege wird gezimmert und das Kind, das dort liegen wird, das wird mich als Erwachsener erlösen.“ (Grampler.) Um welchen Boden es sich handelte, hat der Erzähler vergessen.

Auch auf Truna wurde bei der Hochplatze häufig ein wanderndes Licht gesehen und auf der vorderen Alm wandelte nicht selten ein Mann ohne Kopf herum. (Walzeler.) Lichter sah man auch am Warbelers Büchel und in der Vinetzer Gruebe. (Grampler.)

Auf der Gerichtsherrn-Alm [Gerichtsherrnalm] trieb ebenfalls ein Ung’schicht oder ein Kasermanndl sich herum, das den Leuten aber wohlgesinnt war, so dass sich niemand etwas draus machte. In der Nacht hat es fast immer geschlegelt. Man hörte deutlich, „wie es butterte“. Der Geist scheint überhaupt auf das Schlegeln und Buttern verrückt gewesen zu sein; einmal hat er ganz deutlich am Abend vom schwarzen Kamin heruntergeschrien: „Senner — hoasche gebuttert . . .?“ Sonst ist über diesen „mahreten Geist“ nichts bekannt.

Auch auf der anderen Jochseite, im Obernberger Tal, gab es allerhand Ung’schichten. Schon gleich beim Talausgang geisterte ein Ung’schicht beim sogenannten „Krustenhäusl“. Ein besoffener Knecht namens Hiesiler ist einmal des Weges gegangen und hat in seinem Rausch und Übermut in das Häuslein hineingerufen:

„Itz Krustner’s Tuifel — au! Itz kommt der Hiesiler!“ Auf diese Herausforderung hin hat es ihn plötzlich gepackt und zerschunden und zerschlagen und vor allem zerkratzt, dass er lange Tage im Bett liegen musste. (Vogelsberger.)

Noch mehr machte bis in die Gegenwart das Ung’schicht beim sogenannten „Schlögls-Stadele“ von sich reden. Dort hat es seit Menschengedenken immer gegeistert. Häufig brannte ein Licht. Nicht selten wurde auch ein großer Hund gesehen, der immer zwischen dem Stadel und der Häuslers Mühle hin und her ging. Auch bei der Häuslers Mühle brannte oft ein Licht. Das Ung’schicht beim Schlöglstadl galt beim Volk als volle Wirklichkeit. Kein Wunder, dass daher an derselben Stelle ein großes Kreuz errichtet wurde. Vor etwa vier Jahren wurde Stadel und Kreuz entfernt. (Vogelsberger u. a.)

Dass es in Kirche und Friedhof von Vinaders geisterte, wurde schon erwähnt. Hier trieb ja der Pfarrer Amort sein Unwesen, der im Jahre 1809 die Stiftungen von der alten Seelsorge Lueg nach Vinaders übertrug, wobei es nicht ganz sauber zugegangen sein soll. Der Geist wurde von einem Sterzinger Kapuziner auf die Wildnis der Schwarzen Wand am Tribulaun verbannt. Die älteren Bauern erzählen, dass ihre Väter bei dieser Bannung zugegen waren.

Zur Zeit, als der Pfarrer Amort noch in Widum und Kirche geisterte, waren beide Gebäude häufig zur Mitternacht hell erleuchtet. Einmal hat um zwölf Uhr Mitternacht im Friedhof ein Kanarienvogel gesungen. (Töchterler.) Auch bei der dortigen kleinen Totenkapelle hat es gegeistert. (Vogelsberger.)

Gleich nach der Kirche von Vinaders verengt sich das Tal. Weit greift der düstere Wald zur linken Seite herunter. Der Wildbach braust durch die Schlucht des Gewanke. Als letzter Hof liegt träumend der mit schmucken Fresken versehene alte Fürsthof. Dort machte ein Ung’schicht viel von sich reden. Bei Tag und vor allem bei Nacht ist es im Haus umgangen. Da hat es meistens „Stroah g’schnitten“, so dass man kurzwegs vom „Fürstens Stroahschneider“ sprach. Im Winter war dieses untere Fürstenhaus nicht bewohnt, da zum Hof noch ein zweites Haus in der Höhe gehörte. Einmal ging Moser Paulile etwas angeheitert in der Nacht vorbei. Da hat er in der Stube Licht gesehen und Musik gehört. Als er hineinschaute, sah er fremde Leute beim Tanz. Moser Paulile ist in seinem „Räuschl“ hinein. Aber er hat nie erzählt, was er erlebt und gesehen hat.

Der „Similer“, Bauer des Nachbarhofes, hat einmal gesagt: „Wenn doch der Stroahschneider auch bei uns einmal Stroahschneiden tät!“ In derselben Nacht hat es tatsächlich angefangen, auch beim Similerhof Stroh zu schneiden, bis in der Früh. Die Leute haben sich gefürchtet und waren froh, dass der Geist wieder Abschied nahm. Seltsamerweise hat dies Ung’schicht auch im Winter ausgestellt. Im Winter lebte es im untern Haus und im Sommer zog es auf das obere. Anscheinend wollte es allein sein. Der Quartierwechsel vollzog sich schon am gleichen Tag, wenn die Leute abzogen. Einmal hatte ein Knecht nach dem Umziehen beim oberen Haus etwas vergessen. Als er hinaufging, war das; Ung’schicht oben schon wacker beim „Stroahschneiden“.

Folgende Erzählung bietet ein besonders schönes Beispiel dafür, dass dem Volksglauben nach solche Geister und Ung’schichten immer für irgendetwas Böses Buße tun mussten und keine Ruhe finden konnten. Ähnlich wie beim Ung’schicht am Toasthof in Trins hatte auch ein alter Fürstbauer schweres Unrecht getan. Er hatte einen durchziehenden Soldaten über Nacht behalten und war mit ihm Freund geworden. Der Soldat übergab ihm dann 300 Gulden zum Aufbewahren, wobei er sagte, wenn er nimmer heimkomme, kann er das Geld behalten, aber er soll auch Messen lesen lassen. Nach Jahren aber kam der Soldat doch wieder gesund zurück und wollte die 300 Gulden verlangen. Daraufhin leugnete der Bauer alles ab und wollte nichts davon wissen. Zur Strafe konnte er nach dem Tode keine Ruhe mehr finden und musste als Geist herumgeistern und Strohschneiden. Der Geist ist vor kaum einem Menschenalter verschwunden. (Fürst und Töchterler.)

Beim benachbarten Similerhof machte das Ung’schicht den Leuten Angst und Bange. Einen Knecht hat es einmal so erschreckt, dass er um alles in der Welt nicht mehr schlafen wollte. „Ich leg mich nicht mehr nieder und nit um viel Geld“, hat er erzählt. „Denn mitten in der Nacht kam jemand in die Kammer und hat ihm einen Finger in den Mund gesteckt. Und er musste zubeißen und da war es ihm, als müsste er in weiches Wachs beißen". (Vogelsberger.)

Auf dem oberen Hof soll das „Moasenmandl“ gehaust haben. Aber besondere Vorkommnisse sind nicht bekannt. In letzter Gegenwart jedoch erzählt man sich’s wieder, als ob es dort geistern tät . . .

Verrufen war auch das dunkelbewaldete Tal vom Niederer-Berg, wo sich gerne alte Weiblein und Hexen herumgetrieben haben. Sehr häufig ging dort auch das Vieh am „Brande“ zugrunde. Der alte Staud (gest. um 1936) ist einmal einem solchen alten Weiblein „mit einem roten Ombrell“ begegnet. Auch einem andern Hirten begegnete ein solches „Weibits“, das die Kühe verzaubert hat; denn es ist hernach viel Vieh zugrunde gegangen. Sie hat zum Hirten gesagt: „Wenn du ihn aufbringst, bist du hin'“ Er hat sich gefürchtet, aber nichts erzählt. (Töchterler.)

Allerhand Ung’schichten trieben sich auf den abgelegenen Almen von Obernberg herum. Auf der Knoblskaser (beim Obernberger See) hauste ein Wichtile. Vielleicht handelte es sich um dasselbe Wichtile oder wirklich um ein Ung’schicht, mit dem einmal Honser Simon gerauft hat. Er ist seitdem „glatzet geworden“. (Töchterler.) Auch in der danebenstehenden Knobens Kaser (heute abgebrochen) hat immer ein „grauer Loter geklumpert, aber er hat den Leuten nichts getan“. (Töchterler.)

Ein alter Borthen-Bauer von Obernberg ging einmal in der Nacht „auf die Huhne“ (Spielhahnjagd). Von der Borthisse aus und vom Klinglerwald in der Höhe sahen sie plötzlich einen roten schimmernden Schein. Sie schauten gegen den See hinunter und sahen nun die ganze Knöbls-Kaser in Flammen gehüllt. Aber als sie hinuntersprangen, war alles wieder dunkel und die Kaser stand wie zuvor.

Ganz besonders verrufen war die Wildgrube. Dort hat es gegeistert. Noch treiben verbannte Knappen ihr Unwesen. Denn die letzten Bergknappen sind auf die Wildgrube geflohen, als die Pest zur Strafe ihres Übermutes ausgebrochen war. Sie haben ja einen Stier lebendig geschunden. Aber noch auf der Wildgrube hat die Pest die fliehenden Knappen eingeholt. Dort geistern sie nun herum. Als der alte Fürstbauer einmal zur späten Hörbsteszeit beim Gamsengehen in der einsamen Hütte übernachtet hat, da ist jemand mit Steigeisen auf dem Dach herumgestiegen und hat noch die Schindel heruntergeworfen. Aber in der Früh sah man keine Spur, obwohl ringsherum Schnee lag. (Fürst.) Der düstere Reiz der Wildgrube wirkt bedrückend. Dort bei der Wildgrube haben auch die Obernberger einmal eine Herde Rösser hinunter in eine grause Schlucht gesprengt. Man nennt den klaffenden Abgrund heute noch den „Rosshäufer“.

Talauswärts liegen auf steiler einsamer Höhe die sechs Berghöfe von Egg. Kein Wunder, wenn auch in dieser Einsamkeit manche Ung’schichten herumgegeistert haben. Aber die alten Leute wissen nicht viel zu erzählen. Sie sagen, ihre Väter hätten mit Absicht nie davon geredet, um sie nicht zu fürchten zu machen. Wer die einsame Lage dieser Berghöfe kennt, findet das leicht verständlich. Tatsächlich hatten manche Kinder auf einsamen Höfen eine gewaltige Furcht vor Ung’schichten und Geistern.

Beim alten Huisiler-Hof, der 1908 vom Blitz getroffen und vernichtet wurde, hat es gegeistert. Kein Wunder, denn beim untern Hof, der etwa 1906 abgebrochen wurde, hat der alte Fürstbauer das Gertrautenbuch in Pergament und alter Schrift gefunden. Es war hinter dem alten Getäfel versteckt. Heute steht nur noch ein Stadel und ein Wetterkreuz reckt sich einsam in den Himmel. Um den Stadel herum sind einmal drei dunkle Gestalten gesehen worden, die immer rund herumgegangen sind.

Viel gefährlicher und unheimlicher galt jedoch der Saxers-Futterstadel ganz oben am Waldrand. Dort hat es gegeistert, irgendetwas. Wenn man mit den Ochsen vorbeiging, wurde das Vieh „schrickig“ und wollte nicht mehr weitergehen. „Die Ochsen sind damisch geworden.“ Einmal sind sie auch davongesprungen.

In der Nacht hat nicht selten ein Licht gebrannt. Einmal ging der Knecht Ratgeb von Schmirn (der erst kürzlich aus der Gefangenschaft zurückgekommen ist!) in der Nacht vorbei und hat das Licht gesehen. Er wollte nachschauen, was es gäbe. Da hat er „das Gatterle nicht aufdermacht“, so dass er über den Zaun gestiegen ist. Als er drüben war, ging das „Gatterle von selber auf“. Da war ihm plötzlich so seltsam zumute, „Gestalten sind um ihn gewesen“ und er ist auf und davon. Auch beim Saxer-Hof selbst soll sich ein Ung’schicht herumgetrieben haben. (Vogelsberger.)

Drunten im Tal, am Weg nach Nößlach, aber geisterte beim Weißl und bei St. Jakob ein „weißes Ross“ ohne Kopf. Der alte Töchterler von Nößlach hat davon erzählt. In alter Zeit wich man dem einsamen Weg über St. Jakob sogar aus. Die Leute beim Hansler-Bauer sprechen heute noch davon. (Vogelsberger.)

In Nößlach selbst erzählt der alte Zagl-Bauer Johann Töchterler vom Ung’schicht am oberen Zaglhof, damals Mühlsteigehof genannt. Dort hat das Ung’schicht in der Nacht immer „Sprühdl gehackt oder Stroahg’schnitten“ wie beim Fürsthof. Es hat auch sonst besonders bei Nacht herumgearbeitet und gemährt. Gern und mit gewisser Vorliebe — wie der Geist von Canterville — hat es im Dunkeln die Leute „gehöbt“ oder die Hand gegeben. Aber die Leute waren an den Hausgeist so gewöhnt, dass sie sich nicht mehr fürchteten und sich nichts drausmachten. Einmal ist der alte Bauer etwas betrunken nach Hause gekommen. Es war schon dunkle Nacht. Wieder machte sich der Geist bemerkbar. Da hat den Bauer der Zorn gepackt: „Verschwind!“, schrie er ihn an. „Verschwind! Ich kann dich nicht brauchen! Ich habe das Haus ehrlich erworben! Sag, wenn du was brauchst, oder wenn dir was fehlt! Aber verschwind! Ich kann dich nicht brauchen!“ Daraufhin ist der Geist tatsächlich bei der Tür hinaus. Aber von draußen her hat er nun dem Bauer mit der Hand gewunken, er soll kommen. Doch der Bauer blieb im Haus und hat geschrien: „Ich geh nit!“ Immer noch hat der Geist mit der Hand gewunken. Aber der Bauer blieb im Haus und ließ sich nicht erweichen. Dann verschwand das Ung’schicht für immer. Aber noch heute fragen sich die Leute beim Zagl-Hof, was wäre wohl geschehen und gewesen, wenn der Bauer aus dem schützenden Haus ins Freie gegangen wäre . . .? Vielleicht wär ihm etwas geschehen, oder der Geist wär erlöst worden oder — wer weiß . . .? (Zagl.)

Ein anderes Ung’schicht hauste beim sogenannten Frocken-Stadele beim Erlerhof in Nößlach. Einmal haben die Knechte und Dirnen bei der Heuarbeit dort übernachtet. Da hat das Ung’schicht die ganze Nacht keinen Fried gegeben. Der alte Midi Kaspar von Steinach ist darauf mit einem Stadlbrett hinausgesprungen und hat geschrien: „Wenn du von uns etwas gut hast, dann hast du nicht zu rechnen bei uns!“ (Hofer Kathl.)

Auch das Ung’schicht auf der Hofers Kaser hat früher viel von sich reden gemacht. Die Kinder haben sich immer gefürchtet, dort die Nacht zu verbringen. Der alte Hummler Jocke hat zu den jungen Hoferkindern vor etwa siebzig Jahren gesagt: „Sein tut schon ein Geist in der Hofers Kaser, aber zu fürchten braucht ihr euch nicht! Er hat noch nie jemanden etwas getan!“ Als Hofer Kathl in jungen Jahren dort einmal übernachtet ist, hat es plötzlich in der Nacht einen Rumpler getan, als ob jemand einen Hackstock herunterwerfe. Merkwürdigerweise hatte der Hund nicht gebellt. Sie sind dann auf und davongelaufen und zum Hummlerbauer hinüber. Der Sage nach soll bei der Kaser ein bayrischer Soldat aus dem Jahre 1809 begraben worden sein. (Hofer Kathl.)

In nächster Nähe von der Hofers Kaser geisterte das sogenannte „Grüebl Büebl“, das in früherer Zeit viel von sich reden machte. Die Heimat dieses Ung’schichts war ein Stadel in den sogenannten Grüeblen, wo es sich immer herumtrieb. Wenn die Leute bei der Heuarbeit dort übernachten wollten, ist es die Nacht immer um den Stadel herumgegangen, hat Heu hereingeworfen und ließ die Leute nicht schlafen, bis der Stadel dann für immer gemieden wurde. Häufig hat in der Nacht ein Lichtlein gebrannt, das sogar hin und her wandelte. Der alte Hofer Nehdl (vor mehr als hundert Jahren) hat einmal mit anderen Nößlachern und Steinachern beim Zaglbauer einen lustigen Kirchtag zu Jakobi verbracht (St. Jakobs Kirchlein). Spät in der Nacht beim heimgehen haben die Burschen zum Grüebl Stadel hinunter gejuchzt, aber dann ist von dort herauf eine geisterhafte Antwort gekommen. Die Burschen sind zur Hofers Kaser gesprungen und haben gesagt: „Dem werden wir schon helfen, wenn wir bei der Kaser sind!“ Bei der Kaser haben sie dann von den Balken heraus gejuchzt, aber da ist plötzlich im Freien alles hell geworden und es hat gerumpelt und gekracht.

Auch dieser Sage liegt die Vorstellung von einem unerlösten Geist zugrunde, wie folgende Geschichte erzählt:

Einmal sind zu Weihnachten bei der Mitternachtsmesse zwei Einbrecher zum Hummlerhof gekommen und wollten mit Gewalt den „Kasten“ erbrechen. Daraufhin hat der Bauer, der Hauswacht hielt, hinausgeschrien: „Gehst du nit, schuiß i!“ Dann hat er wirklich hinausgeschossen und einen der beiden Einbrecher getroffen. Der Verwundete wurde von seinem Kumpanen bis zum Grüebl Stadl mitgeschleppt, wo er dann gestorben ist. Beim Heuziehen fanden dann die Bauern einige Monate später die ganz in Heu vergrabene Leiche. (Hofer Kathl.)

Viel grausiger und „fürchtiger“, für die Kinder ein richtiges Schreckgespenst, war der „glüahnige Hund“, der sich beim Hummlerhof und bei der Hofers Kaser besonders zur Zeit der Mitternachtsmette zu Weihnachten sehen ließ. Dieses Schreckgespenst wird den Kindern noch jetzt beschrieben.

Sehr gefürchtet und verrufen war die fast ebene Stelle auf dem Weg von Steinach nach Nößlach, Felper-Eben genannt. Dort sah man häufig ein Ung’schicht auf dem Gatterle zum Steidlhof hinunter sitzen. Nach anderer Darstellung geisterte hier ein altes Weiblein herum, Sieder Zenze genannt. Meist sah man sie, mit einem großen Korb den Weg herauf oder hinuntergehen. Sie soll ein altes Bettelweibele gewesen sein. Mehr weiß man nicht von ihr. Als Kinder haben sich die heute erwachsenen Leute von Steinach und Nößlach gefürchtet. In nächster Nähe wurde daher ein Heiligen-Bild mit der Jahrzahl 1834 angebracht. Nach anderer Darstellung ist an derselben Stelle ein Schatz begraben. (Zach Nanne und Hofer Kathl.) (Vgl. S. 127.)

Im Talgrund selbst geht es beim „Graßl“ an der Stafflacher Brugge um, und zwar auf der ganzen Strecke bis zum Lochiler hinauf bei Gries. Mit dem alten Bauern des Paulerhofes auf Egg ging einmal den ganzen Weg über unsichtbar jemand mit. Deutlich hörte er das Gehen und Schreiten. Trotz Neuschnees war keine Spur mehr zu erkennen. (Vogelsberger.)

In der Kirche von St. Jodok aber geisterte ein alter Mesner, Bruggiler Steffile. „Wahrscheinlich wird er am Licht gezwackt haben“, meint der alte Gatt von Vals. Dieser Geist hat noch vor Menschengedenken in Sakristei und Kirche von St. Jodok herumgepoltert. Den ganzen Tag ging es stieg-auf und stieg-ab. Niemand war mehr sicher vor ihm, bis ihn endlich der Pfarrer Sigmund (vor etwa 60 Jahren) in den Turm gebannt hat. Daher trieb der Geist nur mehr im Turm sein Unwesen und wurde kurzweg das „Joaser Turmmandl“ genannt. Der heute 90jährige Josef Gatt von Vals hat den Geist zur Zeit seines Kirchpropstamtes mehrmals gehört. Der Mesner Bruggiler Steffile ist 1884 gestorben. Es handelt sich daher um eine späte Geistergeschichte, die aber recht volkstümlich geworden ist. (Gatt Josef, Schullehrer und Bauer von Vals.)

Ungemein häufig sind nun Erscheinungen von feurigen Tieren, von glimmenden Lichtlein und ähnlichen Dingen. Der „glüahnige Hund“ von Nößlach wurde schon erwähnt.

Besonders „an Kreuzwegen“ standen feurige Katzen mit flackernden Augen und hochgebogenen Rücken, die auf die einsamen Nachtwanderer loszuspringen schienen. Aber so viel Katzen als bei der sogenannten „Sünde“ in Steinach werden in keiner Erzählung erwähnt. Da waren von der Brücke weg bis zum Sünde-Stadel alles voll Katzen, die gefaucht, geschrien und miaut haben. Ein alter Modhäuser Bauer ging einmal in der Nacht vorbei und musste mitten durch dieses Katzenheer hindurch. Er hat nichts gesagt, sondern ist einfach geradeaus gegangen, weil er nicht mehr umkehren konnte. Auch in Schmirn drinnen wurden früher „viel solche Lichtlen“ gesehen, vor allem das Staudenross, das glühend in dunkler Nacht durch das Erlengestrüpp sauste, oder das Staudenliechtl, das beim sagenhaften Staudenhof umherwandelte.

Zwischen dem Schupfenstadel (beim dortigen Gestaude) und dem Bach vor dem Ochsenbauer geisterte das Schupfenlichtl. Dieses Lichtl hat man früher oft und oft in der Nacht oder in den Abendstunden herumwandeln gesehen. Soweit es den älteren Leuten noch erinnerlich ist, soll hier einmal ein „Fackentreiber“ erschlagen und im Gestaude versteckt worden sein. Dieser geistert nun herum. Einmal ist ein Schmirner Bauer in einem kleinen Räuschl spät in der Nacht des Weges gekommen, als wieder das Schupfenliechtl herumgeisterte. Deutlich sah der Bauer — mit Namen Johann Stand — ein brennendes Kerzlein und eine Hand. Trotzdem es nicht ganz dunkel war, konnte er keine menschliche Gestalt sehen — nur das Kerzlein und die Hand. Er fürchtete sich aber nicht und schrie das Lichtlein an: „Schaug, dass’e weiter kimmsch, suscht schlog i’ der die Bete um ’en Grind!“ (Sonst schlag ich dir den Rosenkranz um den Kopf!) Die Erinnerung an das „Schupfenliechtl“ ist noch sehr lebendig. Einmal wollten Schmirner schauen gehen, haben sich aber doch wieder gefürchtet und sind umgekehrt. Auch der Blasigler ist einmal heimlich nachgestiegen und hat das „Liechtl“ beobachtet. Vor etwa 30—40 Jahren wurde es das letztemal gesehen. (Draxler.)

In der Schmirnerleite aber sah man früher gleichmäßig jeden Abend von den Häusern am Lorleswald aus ein wandelndes Lichtlein, wie das alte Burenweibele erzählt hat; Dies Lichtlein begann seinen Rundgang vom Yssl aus und schwebte dann geradenwegs durch den Wald herunter bis zum Lederhos-Stadele und verschwand dann beim Asten-Stadele. (Draxler.) In der Nähe des Saxerhofes in Schmirn geisterte ebenfalls das Schupfenlicht. Der Sage nach haben bei der dortigen Schupfe einmal zwei Landstreicher übernachtet und einer hat den anderen umgebracht. Nun muss er zur Strafe unruhig herumgeistern.

Auf der „Durren Woade“ geisterte der alte Peterler Bauer von Schmirn, der früher oft an Sonntagen gearbeitet hat. Man hat tersten Schmirntales (Kluppe) begraben sein. Auf der „Durren Woade“ „geräumt“ hat. [Anmerkung: vermutlich Druckfehler?] Angezogen war er mit einem weißen Mantel. Er soll auch in dieser abgelegenen Bergwildnis des hintersten Schmirntales (Kluppe) begraben sein. Auf der „Durren Woade“ weideten den ganzen Sommer über drei Ochsen, ohne dass ein Hirte notwendig war. Falls mehr Ochsen aufgekehrt wurden, stürzten die Tiere ab. Heute ist diese seltsame Alm infolge ihrer Gefährlichkeit aufgelassen worden.

Auch auf Pflutsch bei Steinach wurden von Mauern aus häufig solche Lichtlein gesehen, die immer hin und her geflogen sind. (Schneiderin.)

„Drei Liechtler“ wurden häufig beim Osler (Schoger) in Navis beobachtet. Die Leute haben sich nicht mehr vorbei getraut und sind einen anderen Weg gegangen. (Penz Rosina.)

Ein ganz seltsames und auffallendes Ung’schicht machte in alten Zeiten im Padaster von sich reden: „Der Padasterer Tamperer“. Dieser Tamperer hat im Sommer und Frühjahr im Padaster mit einer „Tamper“ geschlagen, dass es durch die dunklen Wälder hallte. Nach Angabe von Draxler bedeutete der Padasterer Tamperer immer ein Unglück. Aber die Hirten im Padaster und die Bewohner von Mauern haben sich an den Tamperer gewöhnt und er hat ihnen sogar gut gefallen. Die Leute haben sich gar nicht mehr gefürchtet, sondern haben sich gefreut, wenn er bei der Hofers Kaser getampert hat. „Er hats ganz nett gekonnt“, sagen sie. Bis zur Almabfahrt hat er immer um die Kaser herum getampert. Dann ist er mit dem Hirten herunter gezogen nach Mauern und hat zwischen dem Ruech und dem Hoferbauer seine seltsame Musik fortgesetzt. Aber die Bewohner von Mauern haben sich ganz an ihn gewöhnt. Nur die Schmirner sagen, dass sein Erscheinen Unglück bedeutet hätte. Einmal hat es einen Heuzieher, der sich vor dem Tamperer nicht fürchtete, sondern schneidig weiterging, mit Gewalt umkehren gemacht und ihn bis zum Haus verfolgt. (Schneiderin und Draxler.) Auf der Hofers Kaser war auch ein anders Ung’schicht, vor dem sich die Leute sehr fürchteten. Man sorgt sich dort noch heute, allein zu schlafen. (Draxler und Zach Nanne.)

Im schon viel vornehmeren Steinach aber hat sich ein „Hearischer Schlossgeist“ im alten Gerichtsgebäude aufgehalten, der fast an den Canterville Ghost von Oskar Wilde erinnert. Nacht für Nacht wandelte dieser seltsame Geist mit hohem Zylinder, ein dickes Buch unterm Arm, von Saal zu Saal. Die dortigen Gerichtsfräulein, die Töchter des damaligen Landrichters, aber haben sich an ihn so gewöhnt, dass sie sich nichts mehr draus machten. Sie ließen ihn ruhig herumgeistern, wie einen freundlichen Hausgeist. Wohl war früher versucht worden, den seltsamen Geist zu bannen. Aber nichts hat geholfen bis zum großen Brand von Steinach 1853. Damals brannte auch das alte ehemalige maximilianische Jagdschloss ab und im späteren, nüchternen Neubau scheint sich der Geist nicht mehr wohl gefühlt zu haben. Der Erzählung nach wurde der Geist beobachtet, wie er während des Brandes, mit seinem hohen Zylinder auf, Akten um Akten in die Flammen geworfen hat. Wahrscheinlich handelte es sich um einen alten, ungetreuen Gerichtsschreiber, der einmal Unrecht getan hatte. „Und das tut niemals gut.“ (Schneiderin und Zach Nanne.)

Auch im Navistal hat es von Geistern und Ung’schichten nur so gewimmelt. Beim Kerschbaumer vorbei führt der Weg nach abwärts, aber dort geschah es, dass man häufig mit Wagen oder Schlitten nicht mehr weiter konnte. Eine geheime Kraft hält den Wagen zurück. Beim Stöcklas Stadele ist der alte Knoticher am Feierabend vorbeigegangen, zum Josler hinauf auf Hoangert. Beim Heimweg aber in dunkler Nacht hat ihm ein Ung’schicht glühende Schindeln nachgeworfen. (Prechtl.) Beim Schogerbach hielt oft ein riesengroßer Mann die Vorübergehenden auf und ließ sie nicht mehr weitergehen. (Prechtl.)

An den Staudenrearer in Gschnitz aber erinnert ein Geist auf der Weirich-Alm, der einen Marchstein versetzt haben soll und die Nacht bei einem Bergmahd herumgeisterte. Wie der Staudenrearer hat er immer geschrien: „Wohin?, wohin?“ Da ist einmal ein gschnappiges Weibele spät am Abend ins Tal gegangen und hat ihn schreien gehört. Sie hat ihm kurzerhand geantwortet: „Tu ihn dahin, wo du ihn her hast!“ Da war der Geist erlöst.

Im Weireich war auch ein untreuer Tuxer Senner, genannt Hiendl, als Geist gebannt, der immerfort „hinter dem Ofen geraffelt hat“. Zu Zeit seines Lebens hat er Butter und Schmalz gestohlen. (Penz Rosina.)

Vor dem Ung’schicht auf der Stippler Kaser aber haben sich die Leute bis zur Gegenwart noch sehr gefürchtet. Stippler Franz und Sageler Hans haben das Ung’schicht jetzt noch erlebt. Einmal hat Stippler Franz beim „Huhnegehn“ in noch dunkler Nacht in der Alm ein Licht gesehen, als ob jemand drinnen wär. Er wollte schießen, aber er hat sich nicht getraut. Ein andermal ging ein seltsamer Mann bei hellichtem Tag zur Kaser hinunter und verschwand plötzlich vor der Hüttentür. Sageler Hans ist beim „Huhnegehen“ an der Kaser vorbeigegangen und hat das Licht gesehen und gehört, wie jemand Prügel hackte. Aber im Schnee war keine Spur von einem Menschen zu erkennen. Der Sage nach wär einmal ein alter Stoffen auf der Kaser oben gestorben, der noch keine Ruhe finden konnte. (Rögeler.)

Viel seltsamer Aberglaube hat sich bei den Jagdbräuchen aus ältesten Zeiten erhalten. Die Erinnerung an das schönste Wild der Alpen, an die Steinböcke, lebt teilweise noch weiter. Die Steinböcke wären deswegen absichtlich ausgerottet worden, weil sich Wilderer und Jäger gegenseitig bis aufs Blut bekämpft haben. Ganze Jagden hätten stattgefunden. In den Gerichtsbüchern des 16. Jahrhunderts findet sich sogar eine Stelle, wonach Bauern aus dem Wipptal bis in die Floite im Zillertal vorgedrungen sind, wo sie dem edlen Steinbockwild mit aller Leidenschaft nachstellten.

Auch die Erinnerung an die „Gamskugeln“, die sogenannten „Bezoarkugeln“ von den Steinböcken, hat sich im Volk erhalten. (Fürst.) Vom Wert der Steinböcke spricht auch folgende Redensart: „Die Hörner der Stoanböcke wurden mit Silber gewogen!“ Das heißt, ein Steinbock musste mit so viel Silber bezahlt werden, als seine Hörner gewogen haben! (Fürst.)

So mag zum Abschluss noch die Sage vom alten Gogl erzählt werden, der infolge einer Fußverletzung in den Bergen nicht mehr ganz sicher ging. Daher machte er sich „trittsichere Schuhe“. Zuerst musste er die Schuhsohlen hinter den Rinden eines Larchstockes vergraben, wo er sie ein Jahr lang stecken ließ. Zwei Tage vor Ostern hat er sie herausgezogen und mit einem geweihten, heimlich entwendeten Tauföl geschmiert. Beim Zusammenflicken wurde sogar heilige Watte, die beim Gottesdienst zu Ostern verwendet wird, zwischen die Sohlen gesteckt. Am Sonntag darauf ist dann der Gogl zum ersten Mal mit seinen neuen Schuhen in die Kirche gegangen. Aber als er in den unteren Chor hinaufging, wo sich die Junggesellen aufzuhalten pflegten, ist er so über die Stiege gefallen, und mitten auf die Weiberleut gerutscht, dass er die Schuhe noch am selben Tag zusammengeschlagen hat. (Fürst.)

Quelle: Wipptaler Heimatsagen, gesammelt und herausgegeben von Hermann Holzmann, Wien 1948, S. 153 - 172.