Wichtelen und Zwerge

Es fällt schwer, aus den vielen sagenhaften Gestalten und Vorkommen der Wichtelen, Nörggeler, Nolpen, Kasermanndler und Venediger Manndler, und wie dieses Völklein immer geheißen hat, ein klares Bild zu gestalten. „Venediger Manndlen“ nannte man die Zwerglein in Gebieten mit reichem Bergsegen oder im Zusammenhang mit Goldbrünnlein. Kasermanndler heißen die kleinen Zwerglein, die auf Kasern und Almen lebten. Als bekanntester Ausdruck für diese seltsamen Wesen galt im Wipptal der Name „Wichtelen“. Die Wichteler lebten in Großvaterszeiten noch vielfach in Häusern, Höfen, Almen der Seitentäler und des Haupttales selbst. Es gab kein Tal, wo nicht ein oder zwei solcher Wichteler vorkamen. In manchen Tälern, vor allem im Navis, da geisterte und wimmelte es geradezu von solchen purzeligen Gestalten. Aber diese Wichteler waren im allgemeinen nicht beliebt bei den Bauern, vor allem nicht im Navistal, denn ganz besonders häufig handelte es sich um z’nichte Wichteler, deren ganzes Arbeiten und Leben nur auf Schabernack und auf Bosheiten auszugehen schien. Sie tratzten und ärgerten die Menschen in Haus, Stall und Stadel, wo sie nur konnten. Viele andere aber lebten in gutem Einvernehmen mit den Menschen und waren ihnen wohlgesinnt, besonders bei guter Behandlung.

Und wie schauten nun diese Wichtelen aus? Übereinstimmend gewinnt man aus den vielfältigen Erzählungen das eine klare Bild, dass es sich um kleine, kleine Männlein gehandelt hat. Das Matreier Schlossmännlein wird als kleines Manndl beschrieben, bekleidet mit einem gelben Schurzfell und auf dem Kopf ein rundes Hütl. Diese Vorstellung entsprach nun der Beschreibung solcher Wichteler ganz allgemein. „Ein kleines Männlein mit einem spitzen Hütlein auf“, beschreibt sie die Zach Nanne. Und gerade das spitze Hütlein ist wiederum eine allgemeine Eigenart der Sagenwelt.

 „Aus Märchen und Sagen erfährt man, dass alle lichtscheuen Wesen, die Geister und Zwerge nämlich, die unter der Erde, in Höhlen und in Bergen wohnen, fast ausnahmslos ein spitzes Hütlein tragen, das sie vor den Blicken der Sterblichen verbirgt.“ 55) Dahin gehört wohl die Sage von der Tarnkappe, woran möglicherweise im Wipptal die Tarntaler Köpfe in Navis erinnern. Ganz gewiss nicht aus reinem Zufall befinden sich in nächster Nähe dieser Berge auch noch Riesennamen, so die Tirschenköpfe und der Reckner.

55) Mailly, Deutsche Rechtsaltertümer, S. 96

Ein solch seltsames Männlein, das irgendwo in einer alten Mühle sitzt, mit einem staubigen Hütlein auf und rundherum alles voll Federn, mag in dem alten Kinderspruch weiterleben, der heute noch von den Kindern in Steinach beim Auszählen aufgesagt wird:

„Eine — zwei — drei — pigge — pagge — pei
Pigge pagge Besenstiel!
Hockt a Manndl auf der Mühl,
Hot a stabigs Hüatl au, Dumidum voll Federn drau!“

In einigen anderen, aber sehr seltenen Beschreibungen wird ein viel deutlicheres Bild über Art und Aussehen der Wichtelen gegeben. Aber trotzdem gibt es nur wenige Fälle, wo die Wichtelen tatsächlich gesehen worden sind.

Das Wichtele beim Klumperer in Innerpirchet konnte man nur von hinten sehen. Es schaute aus wie ein kleines Männlein. (Hofer K.) In der Modhäusers Kaser in Laponnes saß auf einmal ein „kleines Löterle“ mit einem schneeweißen langen Bart auf einem Holzbalken oben.  (Silbergasser.) Das Weinold-Wichtele in Navis wird als kleines Männlein beschrieben, das immer nur gelacht hat. (Holzmann Ander.) Das Wichtele in der Alberer-Albe im Valsertal schaute aus „wie ein kleines Fackl“ (= Ferkel). (Gratl Hans.) Die Wilden Fräuelein in Schmirn waren nicht größer als ein kleines Kind von drei oder vier Jahren; sie konnten mit den Armen gerade noch zur Bank herauf reich en. Wenn jemand die Tür öffnete, schlüpften sie wie Katzen in Eile zwischen den Füßen der Erwachsenen hinaus. (Cajetan Gratl.) Auf der Hofers Kaser im Padaster wird ein Wichtele beschrieben „grad so wie ein Manndl“. (Traxl.) In Obernberg erschien in der Knöbls Kaser beim See auf einmal ein katzgraues Manndl über dem Feuer. Tiefer geht die Beschreibung nicht mehr.

Solche Wichtelen lebten nun auf vielen Höfen des Wipptales als gute oder böse Hausgeister oder auch als Kasermanndler:

So trieb ein Wichtele beim Fiedlerhof im Valsertal sein Unwesen. Es war ein sehr boshaftes Geistlein, das sich zu einem Plaggeist für Haus und Hof entwickelte. Das Wort „Plaggeist“ dürfte von solchen Hausgeistern abstammen. Dieses Nörggile hat am Abend beim Schlafengehen den Letzten oder die Letzte, die aus der Stube herausging, „gehebt“. Da haben dann die Dirnen geschrien und die Knechte geflucht. Niemand wollte beim Schlafengehen der Letzte sein. Wenn ein Ochsengespann beim Hof vorbeizog, dann schaute das Männlein irgendwo vom Dach oder zu einem Stallfenster heraus und schrie laut auf: „Fux, Fux!“ Dann begann das Fuhrwerk zu „fuxen“ — wie der Ausdruck lautet und kam nicht mehr weiter.
Besonders lästig benahm sich dieses Wichtele bei der eiligen Heuarbeit im Sommer, wo man sich ohnehin über jede Störung ärgert. Jedes Mal, wenn ein Fuder Heu beim Tennentor hereinfuhr, hielt das Wichtele die Greie (Wagen) mit Gewalt zurück. Einmal hat ein grober Knecht dem boshaften Nörggile Gleiches mit Gleichem heimgezahlt. Als das Nörggile wiederum „Fux, Fux!“ schrie und den Wagen zurückhielt, hat er die Geißel genommen und hat es windelweich geschlagen. Daraufhin hat aber auch das Nörggile aus dem Spiel Ernst gemacht und hat den Knecht an einen Stecken zusammengebunden, dass er sich nicht mehr rühren konnte und fürchterlich geschrien hat. So ist er nun auf dem Boden gelegen, während das Nörggile wie eine Katze auf den alten Eschenbaum gekraxelt ist, von wo es boshaft und befriedigt heruntergeschaut hat. Dann hat es wieder gelacht und gespottet und immerfort gerufen:

„Der Fidler-Knecht hat g’fuxt!
Der Fidler-Knecht hat g’fuxt!“

Aber seit diesem Tag ist der Hausgeist am Fidlerhof für immer verschwunden . . . (Lutzer, Gratl Hans und Steckholzer Vinzenz.)

Das Kasermannl oder Nörggile auf der Postalbe in Padaun hat in jeder Nacht allen möglichen Unfug getrieben, so dass es mit der Zeit niemand mehr wagte, in der Kaser eine Nacht zu verbringen. Fast ständig hat es Sprühdel (Holz) gehackt, Feuer angemacht und in Küchel und Gaden herumgearbeitet. Seine besondere Vorliebe bestand darin, ganz langsam zur Stubentüre zu schleichen und dort zu drücken und zu neffen und zu schnaggeln, als ob es hereinkommen wollte. Aber es hat die Tür immer nur ein wenig, kaum spaltbreit geöffnet. Mit der Zeit haben sich die Leut so gefürchtet, dass auch im Sommer niemand mehr in der Kaser geschlafen hat. Selbst bei Tage spürte man das Nörggile. Wenn man bei der Kaser vorbeiging, dann „hat immer das Güggerle genaggelt, als ob jemand heimlich herausschaute.“

Einmal ist der alte Godner beim Steckholzer und der Gratl von Vals am Abend zum Pflerscher-Bauer auf Hoangart gangen. Beim Vorbeigehen hat der Godner zur Kaser geschrien:
„Wenn ich zurückkomm, dann machen wir ein Schmeißl! (Raufen)“. Beim Rückweg spät in der Nacht hat das Nörggile vor der Kaser gepasst und den beiden Nachtwanderern zugerufen:
„Itzen können wir ein Schmeißl machen!“ Aber die beiden sind wie der Teufel auf und davon und hinter ihnen hat das Kasermannl gepfiffen . . .

Der Schneider Seape aber wollte dem Kasermannl einmal seine Bosheit austreiben. Er hat eine frischgeschliffene Hacke genommen und hat gesagt: „Itz geh ich einmal hinauf passen!“ Dann ist es in der Nacht losgegangen. In der Küchel draußen hat das Nörggile Sprühdel gehackt, Feuer auf gemacht und herumgearbeitet. Dann ist es wie üblich zur Tür geschlichen, aber ohne aufzumachen, so dass der Knecht mit seiner Hacke umsonst gepasst hat; aber hinausgetraut hat er sich nicht. Am andern Tag hat wieder ein Knecht in der Stube gepasst. Da ist dann wirklich „ein Männl dahergekommen, es war ganz grau und trug einen weißen Bart“ (30 cm lang). Der Knecht ist so erschrocken, daß er sich nicht zu schlafen getraute . . .

Mehrmals wurde das Nörggile im Tennen gesehen. „Es war ganz grau!“ Einmal ist der Senner und der Kühbub dem Nörggile im Tennen nachgestiegen. „Itz müssen wir den Teufel suchen!“ Da haben sie im Tennen einen Wischer gehört, dass sie sich fürchteten. Aber dann sind sie doch auf die „Litze“ (Überboden) nachgestiegen, haben eine Gabel genommen und in das Heu gestochen. Daraufhin ist ein „kleines graues Männlein herausgeschossen und hat geschrien und ist verschwunden und wurde seit diesem Tage nicht mehr gesehen . . (Steckholzer Vinzenz und Anna.)

Die Nörggiler, wie man sie im Valsertal nennt, hausten auch auf vielen abgelegenen Almen. So trieben solche Nörggiler auf der Ploade-Alm ihr Unwesen, wo sie die Nacht die Leute gedrückt haben. (Gatt Josef.)

Die Erzählung vom Kasermannl auf der Schmölzer-Kaser bietet das seltene Beispiel dafür, dass ein solches Kasermannl Erlösung gefunden hat. Es steckt also doch mitunter der Glaube dahinter, dass es sich um erlösungsbedürftige Seelen oder Geister handelt. Da sind einmal Heuzieher mitten im Winter an der Kaser vorbeigegangen und einer hat übermütig hineingerufen:
„Kasermannl! Wenn wir z’ruggkommen, dann geist du uns Buttermilch!“ Bei der Heimkehr ist tatsächlich das Kasermannl vor der Tür gestanden und hat ihnen eine Schüssel voll Buttermilch angeboten. Die Heuzieher haben sich nicht gefürchtet, sondern haben die süße Buttermilch getrunken. Da freute sich das Mannl und schrie auf: „Itz bin ich erlöst!“ (Steckholzer Vinzenz.)

Ein ähnliches Wichtele lebte auf der zum Hof gehörigen Fiedlers Kaser in der Alterer Alm. Einmal kam es in der Nacht zu einem Senner, der in der Stube schlief. Er hörte es tappen und schlürfen. Aber er fürchtete sich nicht und dachte sich: „Tu, was du willst. Ich will meine Ruhe haben.“ (Fürst.) Dieses Kaser- manndl war immer auf Bosheiten bedacht. „Wie ein Fackl“ ist es in der Kaser herumgesprungen, dann über den Sölder oder in den Stall. Es verschwand auf einmal, ohne dass sich etwas Besonderes zugetragen hat.

Erinnert nicht der Name „Alterer“ an einen Alten, der dort in dieser Bergwildnis hauste, eigentlich eine Gegengestalt zu den früher beschriebenen Riesen? . . . Der Zillertaler Künstler Matthäus Schiestl hat diese seltsame Sagengestalt besonders schön dargestellt. Auch im Zillertal gab es ähnliche Sagengestalten, so der „Hauserer Wiesengeist“, der im Stillup-Tal lebte und abends schöne Lieder durch das Tal sang. Sein Ausspruch ist in der Tiroler Sagenwelt weit bekannt und bezeugt das hohe Alter solcher Bergzwerge:

„Iaz woaß i die Hauserer Wies
Neunmal Wald und neunmal Wies!“

Aus dem Gschnitztal ist ein ähnlicher Spruch überliefert, wenn das Kasermanndl in der Modhäusers Kaser gesprochen hat:

„N'Salcher Wald
Gedenk i neunmal jung
Und neunmal alt.“

Wichteler haben sich auch im Padastertal aufgehalten, so auf der Hofers Kaser, wo es der alte Hofer Ander (gest. 1917, 75 Jahre alt), noch mehrmals gesehen haben will. Er erzählte immer, es sei „grad so ein Manndl“ gewesen. Auch in der Schwobns Kaser im innersten Padastertal hauste ein freundliches und gutmütiges Wichtele, das der Sennin bei der Arbeit half und das oft am Feuer sitzend gesehen wurde. (Schwobin.)

Auf dem alten Pastehof in Tienzens, seit 1374 im Besitz der Familie Peer, somit der älteste Stammhof Tirols, hauste ebenfalls ein gutes, heimeliges Wichtele, gleichsam ein Sinnbild der Arbeitsamkeit des Hofes. Es war den Bewohnern des Hauses sehr, sehr wohlgesinnt und half bei der Arbeit in Haus und Tennen und Stall. Am liebsten stellte es sich beim Füttern ein. Einmal wollte der Bauer dem Männlein als Dank ein neues Gewand schenken. Aber da hat das Wichtele angefangen zu weinen und zu jammern und ist seit diesem Tage für immer verschwunden. (Pastin-Mutter.)

Im Obernberger Tal finden sich keine Wichteler. Wohl aber trieb ein Kasermanndl auf der Knobls Kaser am Oberberger See sein Unwesen. Einmal saßen einige Bauern beim Feuer und warteten auf das Abendessen. Da ging plötzlich die obere Dachlucke auf, wie sie heute noch besteht, und ein „katzgraues Manndl stieg stillschweigend herunter und setzte sich ans Feuer.“ Natürlich sprangen Bub und Knecht davon, darunter auch der Vater des jetzigen alten Borten-Bauern, damals noch ein Hirtenbub. Das Knöblmanndl wurde auch sonst oft gesehen.

Viel seltsamer und auffallender, fast wie Nebelmännlein mit Tarnkappe aus der alten Sage muten die Aal-Männlein an, die im Talhintergrund von Obernberg hausten und früher gerne nach dem Betläuten gesehen wurden. Der Ort galt als unheimlich und war besonders von den Kindern gefürchtet. Kinder wurden von Erwachsenen mit den Worten geschreckt: „Fürchtest du dich nit vor den Aalmanndlen?“ Der Weg führt noch heute über das Aal vorbei. Dort steht auffälligerweise als christlicher Schutz das sogenannte Aalkreuz. Das Wort „Aal“ bedeutet nach Karl Finsterwalder „die Au“. Es handelt sich daher wohl um eine Art Nebelgeister oder Wassermännlein.

Viel lebendiger wird es im Gschnitztal, wo die Wichtelen in vielen Höfen hausen, aber sich keineswegs großer Beliebtheit erfreuten. Es handelte sich häufig um „z’nichte Manndler“, die die Menschen tratzten und tückten, wo sie nur konnten. Sie warfen die „Riedel“ auseinander, die zum Füttern hergerichtet waren, sie zogen den Melkstuhl beim Melken weg, so dass der Senner rücklings in den Mist hineinfiel, und waren immer nur auf Bosheiten bedacht. Die alten Leute sprechen heute noch nicht gerne von diesen Plaggeistern.

So hausten die Wichtelen nach Erzählung des alten Salzerbauern ganz allgemein in der sogenannten „Warwelers Wand“, von wo sie dann herunter zu den Bauernhöfen gegangen wären. Ein solches Wichtele trieb beim Vöstenbauer in Trins Schabernack und Unsinn jeder Art und ersann immer wieder neue Unterhaltung. Ganz besonders gern riss es dem Senner den Melkstuhl unten weg, so dass er rücklings zu Boden fiel. Dann lachte das putzige Männlein von irgendeinem Winkel her herzlich auf, als ob es mit dem Scherz seine größte Freude gehabt hätte. (Salzer.)

Ein anderes z’nichtes Wichtele lebte auf dem Innerpirchet-Hof, beim Klumperer. Seine Spitzbübereien konnte man nicht mehr z’nicht nennen; denn sie wurden mit ausgewählter, immer neuer Bosheit durchgeführt. Zu heiligen Zeiten war es mit ihm überhaupt nicht mehr zum Aushalten. Zehnmal musste manchmal der Senner die „Riedel“ oder „Buschen“ machen. Aber immer wieder fuhr das Wichtele wie der Wind in das Heu und warf die Buschen wild durcheinander. Manchmal konnte man es auch von hinten sehen. „Von der Asche hat es kleine Häufelen gemacht,“ wie der alte Salzer erzählte. Als es kaum mehr zum aushalten war, hat der Gallen Kasse von Trins dem Wichtele heimlich aufgepasst, um es zu schlagen. Aber das Wichtele rief boshaft aus der Dunkelheit heraus: „Kasse, tuest passen?“ Später wollte er dem Wichtele sogar mit der Büchse beikommen. Er wartete am Abend heimlich hinter einem Heustock. Aber wieder rief das Wichtele plötzlich gerade neben ihm, so dass ihn der Schreck packte: „Kasse, willst du schießen?“ Seit diesem gefährlichen Auftritt ist es dann doch für immer verschwunden. (Salzer.)

Nach der Erzählung der alten Hofer Kathl von Steinach trug sich das Verschwinden folgendermaßen zu: einmal ist das Wichtele so wild im Tennen herumgefahren, dass der Senner überhaupt keine Riedel mehr machen konnte und die Arbeit aufgab. Aber der Zorn hat ihn so gepackt, dass er wütend zu schimpfen und zu schreien begann und den boshaften Geist mit der Geißel bearbeiten wollte. Daraufhin versteckte sich das „Büebl“ unter dem Brunnentrog und begann auf einmal so schön und so traurig zu geigen, wie es der Senner noch nie gehört hatte. Dann war seines Bleibens auf dem Hofe nicht mehr. (Hofer Kathl.)

Im Gegensatz zu diesen beiden Wichtelen zeigte sich jedoch das Wichtele beim Huiseler (Weber) als sehr fleißig und gutmütig. Wenn man am Abend eine Arbeit hergerichtet hatte, dann war sie in der Früh geschehen. Die Leute brauchten das ganze Jahr kein Holz zu hacken. Die Wichtelen bekamen zu essen wie andere Leute. Aber als ihm die Bauern einmal Geld gegeben hatten, jammerte es und sagte:
„Jetzt sind wir ausgezahlt!“ (Salzer.)

Nach anderer Angabe hat das Wichtele beim Weber nur in der Nacht gearbeitet, nie bei Tage. Wenn man am Abend eine Arbeit hergerichtet hat, dann war sie in der Früh gemacht. (Grampler.)

Noch stärker verbreitet war der Wichtele-Glaube in Gschnitz selbst, wo heute noch das Gedenken sehr lebendig ist. Aber in vielen Fällen spricht man nicht gut von den Wichtelen. Ja, die Alten sagen sogar: „Gut, dass sie verschwunden sind!“ So hat beim untern Trogerbauer, früher „Geir“ genannt, ein Wichtele in der Hausgemeinschaft gelebt und vor allem beim Füttern mitgeholfen. Es wurde auch ganz selten gesehen und soll immer ein viel zu kleines, ganz schäbiges Gewand getragen haben. Das dauerte den Bauer und er ließ ihm ein neues Gewand machen, das er heimlich vor die Türe legte. Da hat das Wichtele „einen Reahrer aufgetan“ und hat gesagt: „Jetzt hast du mich bezahlt und ich muss gehen!“ (Hiesner.) Auch beim Bodner-Bauer soll ein Wichtele gewesen sein. Aber es ist nichts mehr erinnerlich. Vom Wichtele beim Rödererhof auf Stauden wird erzählt, dass es oft gelacht habe. Als der Knecht beim Prangerbauer einmal Heu führte, hat das Wichtele wieder gelacht, worauf der Knecht mit der Geißel zugeschlagen hat. Dann hat das Wichtele gejammert:

„Och und Weh,
Und nie kein reicher Bauer mehr!“

Daraufhin ist das Wichtele auch von diesem Hofe verschwunden, wo es immer so gerne Bosheiten getrieben hat. (Feiser.) Am liebsten hat es dann gelacht, wenn sich die Arbeit gewehrt hat oder schlecht gegangen ist. Aber mitgeholfen hat es nicht. (Feiser.) Sehr gerne hat es auch den Melkstuhl beim Melken weggerissen.

Ein rechter Weiberleut-Narr war das Wichtele beim Hanserbauer. Wenn die Weiberleut am Abend schlafen gegangen sind, dann hat er sich unter die Stiege gestellt und hat die Weiberleut heimlich am Kittel gezogen oder den Kittel aufgehebt, dass sie kreischend aufgesprungen sind.

Dasselbe Wichtele hat den Senner bei der Stallarbeit so geärgert und getratzt, dass der Senner einmal Melkstotz und Melkstuhl weggeworfen hat. „Ich tue nicht mehr! Ich hab genue!“ Seit dieser Zeit hat das Wichtele gemolken. Der Senner brauchte nur die Melter herzurichten. (Schneiderin.)

In der einsamen und düsteren Bergwildnis des innersten Gschnitztales lebten noch viel mehr solche geheime Geister und Sagengestalten, wie schon viele Bergnamen schließen lassen.

Ein Wichtele hauste in der Pranger-Kaser in Laponnes. Aber es ist kein besonderer Vorfall darüber bekannt. (Silier Ander.)

Wohl aber machte das Kasermanndl in der Modhäusers Kaser in alten Zeiten bis zur Gegenwart herauf viel von sich reden. Das Gedenken an dieses Kasermanndl ist heute noch so lebendig und wird so plastisch geschildert, so dass manche Bauern noch daran glauben. Als einmal die Dirnen im Winter auf die Männer warteten, die von Simming herab Heu zogen, ließ sich auf einmal „ein kleines Löterle“ sehen, das einen ganz schwarzen Butterknollen in der Hand hielt. Es sagte zu den Weibern, sie sollten „Kribes-Krabes-Kreuz“ machen, das heißt, ein Kreuz über dem andern, darauf wurde der verzauberte Butterknollen weiß. (Öttl.)

Ein anderes Mal wurde dasselbe Männlein gesehen, wie es schweigend und ernst auf dem Herd gehockt ist und eine „schwäbische Pfeife geracht“ hat (krumme Pfeife). Der alte Liertler hat sich gefürchtet und ist auf und davon. (Silier Ander.) Einmal sind Heuzieher bei argem Schneewetter in die Kaser gegangen und haben Feuer gemacht. Da deutete auf einmal ein junger Bub zum Gebälke hinauf und schreit: „Schautets augen!“ Da ist ein Manndl mit langem, schneeweißem Bart oben im Gebälk gesessen und hat heruntergeschaut. Alle sind erschreckt auf und davon. (Hiesner.) Dieses Männlein lebt noch heute und man sieht und hört immer noch etwas, erzählen hartnäckig die alten Gschnitzer. Ein anderes Mal hat es Rahmmus gekocht, wobei es aber statt Mehl Asche einsäte. Aber es wurde doch ein echtes, fettes Rahmmus.

Die Modhäuser oder Liertlers-Kaser gehörte einst zum Trogerhof, wo eine arme Dirn angestellt war. Als sie an einem Abend im Winter beim Hoangert saßen, sagte der Bauer zur Dirn: „Wenn Du Dich traust, den Melkstuhl von der Kaser zu holen, dann geb ich Dir die schönste Kuh!“ Die arme Dirn hatte wohl Angst hineinzugehen. Aber sie dachte an ihre Mutter und wagte den Gang zur einsamen Kaser, wo ihr ein altes Manndl tatsächlich den Melkstuhl gab, wobei es sagte: „Weil Du auf dem Weg gekommen bist, wird Dir nichts geschehen.“ Als nun die Dirn zum Hofe zurückgekehrt war, wollte der Bauer die Wette nicht anerkennen. Aber am folgenden Morgen lag die beste Kuh tot im Stall. (Hiesner.) Dasselbe Kasermanndl hat die berühmten Worte gesprochen, die wir schon zuvor erwähnt haben:

„n'Salcher Wald
Gedenk i neunmal jung
und neunmal alt!“

Ein anderes Mal hat es gesagt: „Wenn du mich viel gefragt hättest, dann hätte ich dir viel gesagt, dann hättest aus der Jute Gold sieden gekonnt!“ (Feiser.)

Neben diesem Kasermanndl wurde am Lauterer See in Simming oft ein Venediger Manndl gesehen, worauf später noch Bezug genommen wird. Sehr bekannt waren die sogenannten „Glättemanndlen“, die manchmal im wilden Berggebiet der Glätte gesehen wurden. Einmal haben ihrer mehrer Leute auf den Bergmahdern in einem Stadel übernachtet. Sie haben über das Glättemanndl gesprochen und meinten, wenn es heute Nacht kommen sollte, „da wollen wir uns nicht fürchten, sondern es anreden“. Dann ist es tatsächlich in der Nacht gekommen und bis in der Morgenfrüh stumm und drohend auf dem Stadelbrett gehockt. Aber niemand hat die Schneid gehabt, ein Wort zu sprechen. Beim ersten Glockenklang des Betläutens ist es plötzlich verschwunden. (Feiser.) Auch ein alter Hiesner hat das Glättemanndl gesehen. Es war sehr schlechtes Wetter, die Leute haben sich geärgert und geflucht. „Da ist es dann gekommen und gehüpft und gehüpft.“ (Hiesner.)

Vom Navistal werden besonders liebliche und anziehende Sagen über die Wichtelen erzählt. In keiner anderen Darstellung wird das gutmütige und humorvolle Element der Wichteler so hervorgehoben wie gerade bei den Erzählungen aus dem Navistal, wo die Wichteler in so vielen Höfen und fast in allen Almen gehaust haben, so auf der Peer-Albe, am Weirich, auf der Stipler-Alm, Zecheter-Alm und sonstwo.

Das Weinold-Wichtele in Navis hat immer bei den „Schießen“ (Gucklöchern im Unterdach) herausgeschaut und gelacht, wenn der Knecht mit dem Ochsengespann in den Tennen fahren wollte. Dann kam das Fuhrwerk nicht mehr weiter, bis der Knecht das Wichtele mit der Geißel bearbeitet hatte. Sonst aber war es ein arbeitsames Wichtele, das sich besonders gern in der Kuchel betätigte. Einmal war das ganze Gesinde, Bauer und Knecht, am Abend in der Stube beim Rosenkranzbeten. Da schlich sich ein Bursch bei der Haustür herein, der gerne zur Dirne heimlich auf Hoangert gehen wollte. Er dachte, die Dirne wäre in der Kuchel beim Abspülen, weil man gerade das Klappern der Teller hörte. Aber anstatt dessen war das Wichtele mit Abspülen beschäftigt. Flugs warf es dem neugierigen Knecht einen Kübel Abspülwasser in das Gesicht. (Holzmann Ander.)

Wichteler hausten auch bei einem Bauern in Sistrans, der jedoch von Navis stammte. Um alles in der Welt wollte es ihm nicht gelingen, die Plagegeister loszuwerden. Daher verkaufte er Haus und Hof, verlud Kisten und Kasten auf einen Wagen und wollte nach Stubai übersiedeln. Aber als er endlich alles aufgeladen hatte, lachte und kicherte es plötzlich höhnisch vom Wagen herunter und eine boshafte Stimme spottete:

„Aha — ha! Itz können wir doch gehn über,
Mit meinem Geputz und Gehüder!“

Damit wollte dieses z’nichte Wichtete zum Ausdruck bringen, dass es auch übersiedeln wollte und dann tatsächlich übersiedelt ist. (Holzmann Ander.)

Ein recht übermütiger Geselle verärgerte dem Senner beim Schneiderhans ständig die Arbeit. Wenn der Wastl Buschn gemacht hat, dann hat es ihm dieselben immer überworfen, so dass er von vorne anfangen musste. Der Wastl hat geschimpft und das Wichtele hat gelacht. (Rögiler.)

Wie schon erwähnt, gab es kaum eine Alm im Navistal, wo nicht solche Wichteler beheimatet waren. Aber das Verhältnis zu den Menschen war im Allgemeinen gut und von reizvollem Humor.

Auf der Schneideralm machten es sich die Wichteler zum Hauptspaß, die Leute bei Nacht nicht schlafen zu lassen, so dass die Kaser tatsächlich in der Nacht unbewohnt war, die Leute gingen anderwohin schlafen. Als der Surmer Hies vor etwa 60 Jahren dort gehütet hatte, wollte er es trotzdem probieren, da er sich nicht fürchtete; aber er konnte trotzdem die ganze Nacht nicht schlafen, so sehr tückte ihn das Wichtele. Am nächsten Abend hat er sein Bettzeug gepackt und wollte hinauf zu einem Stadel beim sogenannten Hirsch-Stoan. Als er die Decken gepackt hatte, ist das Wichtele gekommen und hat treuherzig gerufen:

„Ich nehm auch mein Gepäck und G’hüder und geh mit dir auch über!“

Dann ist ihm nichts übriggeblieben, als in der Kaser zu schlafen. Im folgenden Jahr ist es dem Schneider Wastl gelungen, das Wichtele für immer zu vertreiben. Aber man weiß nicht, wie es geschehen ist. Das Wichtele hat „gereart“ und geklagt:

„Jetzt mueß ich gehen
Und hab nichts als weiße Knafflen
auf dem roten Röckl!“

Dieser Ausspruch mutet seltsam an. Nach Aussage des alten Rögeler müsste das ganze Wichtele weiß werden; dann erst wäre es erlöst. Aber es hatte nur weiße Knafflen. Alles andere war noch rot. (Rögiler.)

Etwas boshafter betätigten sich die Wichteler in der Weirichalm und sogar auf den dortigen Mahdern, wo sie oft in der Nacht zu den Heustädeln gekommen sind. In der Kaser des Peerhofes von Weirich hat es sogar die Leute in der Nacht wie die Trude gedrückt. Heimlich hat es allerhand Zeug, so Erde und Gras, in die Kost hineingeworfen. Auch im Keller hat es sein Unwesen getrieben. Es hat die Dirnen erschreckt, dann wieder plötzlich bei ganz ruhiger Luft eine Türe krachend, zugeschlagen und so weiter. Auch am Peerhof, nicht nur auf der Alm, hauste ein Wichtele, vielleicht handelt es sich um dasselbe. Das Wichtele in der Zöcheter Alm hat gerne die Leute bei Nacht wie die Trude gedrückt. Außerdem ließ es das Vieh ab oder band zwei Kühe an einer einzigen Kette zusammen.

In einem einzigen Falle wird ein Wichtele erwähnt, das nicht im Haus und Stall, sondern im Freien lebte und die Leute beim sogenannten „Wiesegatterle“ nicht vorbeilassen wollte. Als einmal ein alter Bauer nachts vorübergehen wollte, ließ es ihn einfach nicht mehr vorbei. Mehrmals ging er zurück und wieder vor. Aber als er zur gleichen Stelle kam, hielt es ihn wieder zurück, so dass er auf den unteren Weg gehen musste, um heimzukommen. (Prechtl).

Beim Feiserbauer, bei der Tremlmühle, bei Stöckls Stadl und im Stöckls Stadele sowie beim Schogerbach trieben Wichteler ihr Unwesen und haben die Leute geneckt, wo sie nur konnten. Bei der Tremlmühle ging eine neugierige Dirn einmal schauen, was los wäre. Aber da hat ihr das Wichtele Steine nachgeworfen und längere Zeit „war sie ganz lötz“. (Prechtl.)

Beim Feiser haben die Wichteler den Knechten in der Nacht immer wieder die Betten heruntergezogen und recht spöttisch gelacht.

So folgt zum Schluss noch die reizvollste und humorvollste Erzählung vom Wichtele am Galtbüchel im Navistal:
Es war den Menschen besonders wohlgesinnt und trieb Schabernack nur aus Humor und zur Unterhaltung, aber nicht aus Bosheit. Die liebste Arbeit war ihm das Schlögkübeltreiben. Stellen wir uns doch dies wundervolle Bild vor: Der grolle, bauchige Schlögkübel und das kleine Männlein, das ihn treibt! In diesem Bild liegt eine Welt von Volkshumor! Als der alte Rögeler dort Senner war, hat es ihn immer in der Früh geweckt und hat geschrien: „Hons, aufstiahn!“ Ob der Hans nun wollte oder nicht, ob es ihm zu früh war oder zu spät, er musste einfach aufstehen. Wollte er nicht, dann hat es ihm jedes Mal die Decke heruntergerissen. Dabei hörte man ein wundersam gutmütiges, heiteres Lachen. Da dachte sich der Hans, ich werd dir schon beikommen. Er hat sein Bett etwas weiter gegen den Stiegenaufgang geschoben, so dass das untere Ende gerade dorthin zu stehen kam. Als nun das Männlein in der Früh wieder geweckt hatte, stand der Hans trotzdem nicht auf, sondern hielt die Decke mit aller Kraft fest. Auch das Männlein riss und zerrte an der anderen Seite; eine Zeit lang dauerte dieser Kampf um die Decke. Plötzlich aber hat der schlaue Hans die Decke losgelassen und freute sich schon heimlich, dass nun das Männlein über die Lucke hinunterfalle, da es so stark angezogen hatte. Aber stattdessen ist es nicht hinuntergefallen, sondern hat von einem anderen Winkel aus so heiter und froh gelacht und wollte nimmer aufhören zu lachen, als ob ihm dies Spiel um die Decke die größte Freude gemacht hätte. Wann und wie es dann verschwunden ist, wird nicht erzählt. (Rögeler.)

Auch im Ellbögner Gebiet bis Patsch heraus haben sich in früherer Zeit die Wichteler aufgehalten, obwohl das Gedenken an diese putzigen Gestalten fast ganz erloschen ist. Aus allen Erzählungen kann folgendes Bild gestaltet werden:

Sie lebten bei einzelnen Ellbögner Bauernhöfen und haben dort allerlei „Unfurm“ getrieben, die Leut getickt und getratzt, wo es nur ging, aber gelegentlich auch bei der Arbeit wacker mitgeholfen. „So kloane Tözler seins gewesen“, erzählt der alte Larcher. Ein solches Wichtele trieb sich beim Oberegger-Bauer herum, aber besondere Vorkommnisse sind nicht bekannt. Das Wichtele beim Tengler in Patsch machte jedoch viel von sich reden. Dieses Wichtele hauste auf dem Unterdach und wurde dort auch manchmal gesehen. Von dort hat es immer hinunter ins Haus geschrien und weinend gejammert:

„Ach — im Chrisam-Pfoatl ist koa Knaffl drein!“
(Im Taufhemd fehlen die Knöpfe!)

Aus diesem Ausspruch erkennt man die alte Vorstellung von einem ungetauften oder ungültig getauften Kind, dessen „Taufhemd“ ohne Knöpfe war und daher auf Erlösung wartete. Ob und wie diese Erlösung stattgefunden hat, ist den Leuten nicht mehr erinnerlich.

Viel bunter aber haben es die sieben Wichteler beim Lotterer-Bauern getrieben. Wenn der Senner am Abend „die Buschen aufgemacht hat“, waren sie am Morgen wieder wild durcheinandergebracht. Hinter den Heustöcken aber passten und kicherten die Wichteler vor Freud. Man hat sie wohl gehört, aber gesehen hat sie niemand. Im Stall jedoch haben sie das Vieh losgelassen oder manchmal zwei Kühe an einer Kette angebunden und den Senner auch sonst wie getratzt. Da hat ein Bauer geraten, er möge sieben rote Mäntelchen machen lassen und dann im Tennen oder Stall über Nacht aufhängen. Am andern Morgen waren die roten Kittelchen alle mitsammen verschwunden und von den Feldern her hörte man noch das Weinen und Schreien der abziehenden Wichtilen, die für immer fortgezogen sind.

Bei einem anderen Bauer in Ellbögen — der Name ist nicht mehr erinnerlich — hat das Hauswichtile immer mitgegessen, aber dafür auch fleißig mitgearbeitet und der Segen war nie vom Hofe gewichen. Einmal ist ein neuer Knecht gekommen, der war dem Wichtile neidig, dass es in der Früh zu viel Mus essen würde. Man sah wohl den Löffel, wie er in die Pfanne hineinlangte und große Brocken herausfischte, das Wichtele selbst blieb jedoch unsichtbar. Den Knecht packte der Zorn und Geiz. Mit seinem Löffel hieb er in die Luft und suchte das unsichtbare Wichtile zu treffen. Dann hat es plötzlich geschrien und ein roter Blutstropfen ist in die Muspfanne gefallen. Von der Luft her hörte man eine drohende Stimme:

„Och und weh
Und koa reicher Bauer mehr!“

Seit diesem Tag hat das Wichtile nimmer Mus aus der Pfanne gegessen, dafür aber war auch der Segen vom Hof gewichen und der Bauer ist auf die „Gant“ gekommen (aufgehaust).

Ein weit bekanntes und in Sagenerzählungen öfters erwähntes Kasermanndl lebte auf der Ziroger Alm am Brenner, daher „Ziroger Manndl“ genannt. Der alte Lutzer erzählt, dass sein Großvater in jungen Jahren (um 1790) auf dem Wolfenhof am Brenner als Hüterbub lebte. Einmal musste er im Herbst auf die Ziroger Alm hinauf. Da schien ihm, als ob jemand in der Kaser wäre. Behutsam schaute er bei dem unteren Spalt der Türe hinein und da sah er kleine Füßlein, die geschäftig hin und her trippelten. Der kleine Hirtenbub erzählte das im Tal und da sagte man ihm: „Dann hast du das Ziroger Manndl gesehen!“ (Lutzer.)

Der alte Hogeth-Bauer von Nößlach, ein berüchtigter Wilderer, hat einmal auf der Ziroger Alm übernachtet. „Da ist so ein Ballen hereinkommen und hat nimmer Ruh geben, bis er aus der Hütte g’sprungen ist“; es war das Ziroger-Manndl. (Steckholzer Vinzenz.)

Beim Ziroger Manndl scheint es sich nicht um ein Wichtele, sondern um einen verbannten Geist gehandelt zu haben. Ursprünglich hat es auf der Straße bei Schelleberg sein Unwesen getrieben. Aufwärts hielt es die schweren Fuhrwagen zurück und abwärts schob das riesenstarke Männlein, dass oft Ross und Wagen schier zu Trümmern ging. Zur Strafe wurde dann der Geist als Kasermanndl auf die Alm Zirog verbannt, wo es nicht mehr schaden konnte. Auffallend an dieser Sagengestalt ist die riesenhafte Stärke des Männleins, was schon die Fuhrleut zu spüren bekamen. Auf der Ziroger Alm aber soll der Geist einmal riesige Steine vom Joch gegen den Almboden gelassen haben. Der Hirt hat die Steine mit Gras zugedeckt, um sie zu kennzeichnen. Am folgenden Morgen aber waren alle Riesensteine wieder verschwunden. Das Ziroger Manndl hat sie an Ort und Stelle zum Joch hinaufgetragen. (Lutzer.)

Das Ziroger Manndl ist — wie erwähnt — eine im ganzen Wipptal bekannte Sagengestalt. Schon J. J. Staffler erwähnt in seiner Tiroler Topographie das Ziroger Manndl, das die Fuhrleut getratzt hatte. Eine ältere Darstellung dieser Sage bringt Alpenburg in seiner Tiroler Sagensammlung unter dem Titel:

„Der Schneider-Putz auf der Zirock-Alm“. Demgemäß war das Ziroger Manndl ein verbannter Schneider, der im Leben das Mein und Dein nicht zu unterscheiden verstand, weshalb er nach dem Tode herumgeisterte. Dadurch wurde er der Schreck der Fuhrleute, bis der Geist endlich als Kasermanndl auf die Zirogalm verbannt wurde. Im Sommer aber musste er sogar auf die Hühnerspiel- Spitze hinauf. Von dort soll er oft herunterschreien: „Ach! ist denn noch nit bald der jüngste Tag!“ Auch die vorhin erwähnte Sage von den Steinen, die er herunterrollt, und am nächsten Tag wieder aufs Joch bringt, findet sich vor. „Jeden Stein, den der Geist zutale rollt, und er muss deren viele abrollen, muss er wieder zur Höhe hinauftragen oder wälzen“.

Alpenburg nennt diese Darstellung „einen Zug und Nachklang der antiken Sisyphos-Mythe“, vielleicht nicht mit Unrecht. 56)

56) Vgl. Alpenburg, Mythen und Sagen, S. 182.

Ein berühmtes Manndl war die Gestalt des „Kübler-Heiß“ oder des Matreier Schlossmanndls, das bis zum Bahnbau auf Schloss Trautson herumspukte. Ein um 1863 niedergelegtes schriftliches Protokoll berichtet vom Kübler Heiß folgendes: „Als sich die Kinder am Schlossabhang herumtummelten, sahen sie plötzlich ein kleines Männlein am Rasen sitzen, das mit einem gelben Schurzfell bekleidet war, am Kopf ein rundes Hütl, neben ihm zwei Säcke, mit Geld gefüllt. Das Männlein bat die Kinder flehentlich, eines möge doch ganz nahe zu ihm kommen, als ob es ihm die Schätze übergeben wollte. Die Kinder aber lachten und sagten, in dem Sacke seien ohnehin nur Erdäpfel! Nun aber öffnete das Männlein die Säcke und da sahen die Kinder, dass es lauter Goldmünzen waren. Doch keines der Kinder wagte sich ganz nahe hin. Wochen vergingen und täglich sahen die Kinder das Matreier Schlossmanndl, ohne dass sie sich jedoch so nahe hin getrauten, als es das Manndl verlangte. Einmal aber bildeten alle Kinder eine Kette, um sich dem Männlein ganz zu nähern. Da griff aber das Männlein nach einem Mädchen, um es zu erhaschen. „Schreiend wichen die Kinder zurück und eilten rasch zur Schule.“ Seit diesem Tage hatte man den „Kübler-Heiß“ das letzte Mal gesehen . . ? 57)

57) Das Protokoll von ungefähr 1860 ist in: Tiroler Heimatblätter 1930 (Wipptaler Heft) von Konrad Egg veröffentlicht.

Man sieht aus diesen wenigen Beispielen, wie viele solcher seltsamer Wichtelen einstens herumgeisterten. Vielfach waren sie der gute Geist des Hauses, oft aber ersannen sie Tücke auf Tücke und Bosheit auf Bosheit. Ihr Verschwinden ist immer mit einem Gewaltstreich oder etwas Ähnlichem verbunden. Die guten Wichteler verschwanden meist dann, wenn man ihnen etwas geben wollte, Geld oder Gut. Dann beginnen sie laut zu weinen und lassen sich nicht mehr sehen. Viele Eigenschaften der Wichtelen, wie sie hier erzählt wurden, entsprechen ganz allgemein den Eigenschaften der Kobolde und Hausgeister in den deutschen Märchen und Sagen, so zum Beispiel das Lachen und Spotten der Wichtelen. Daher kamen die alten Redensarten: „Lachen als wie ein Kobold!“ 58) Auch das spitze Hütchen, dann der Aufenthalt in Stall und Haus oder die Vorstellung vom Aussehen der Wichtelen, die manchmal „wie ein kleines Fackl“ herumhüpfen, findet sich immer wieder in den gemeindeutschen Märchen. „Dem weinenden Nix wie dem lachenden Kobold ist das Geheimnis zauberhafter Töne kund“, wie Grimm ganz allgemein sagt; auch dafür gibt das Wichtele in Innerpirchet ein auffallendes Beispiel, als es wundersam zu geigen begann. 59)

58) Grimm, Mythologie, S. 285.
59) Ebda. A 294.

Eine rein alpenländische Form stellen jedoch die Kobolde oder Wichtelen auf den Almen dar, wegen ihres Aufenthaltes in den Almen kurz „Kasermanndln“ genannt. Vielfach handelt es sich um verzauberte Senner, die auf den Almen ein Unrecht getan hatten und dafür büßen müssen. Dass die Kasermanndln den Zug der Perhta begleiten, wird im Wipptal nur in einem Falle erzählt. Wohl aber erinnern manche Sagen an den Abzug der Kasermanndler im Herbst.

So ging spät am Abend einmal eine Dirne vom Wiesefleckhof im Padaster zum Stall hinaus. Da hörte sie laut beten und wunderte sich, dass eine Prozession unterwegs wäre. In Wirklichkeit aber seien es die abziehenden Kasermanndln gewesen. (Zach Nanne.)

Eigenartigerweise wird nun im Navis die Sage erzählt, dass auch die Kasermanndler am Martiniabend von der Alm abfahren. Diese Sagengestalt wird daher dort in Verbindung mit dem Mortas Gstampfe gebracht.

Wenn jemand wundershalber der Abfahrt der Kasermanndler zuschaut, erlebt man etwas Übles, wie es einmal ein Schmiedgesell erfahren hat. Der hat heimlich bei einem Fenster hinausgeschaut, um den Zug zu beobachten, aber da hörte er plötzlich ihr Singen: „Fenster zu, Fenster zu“, und von dieser Stunde an war er blind geworden, so dass ihm kein Doktor mehr helfen konnte. Dann riet ihm ein alter Pater, er möge am nächsten Martiniabend wieder beim Fenster knien, aber diesmal den Rosenkranz beten. Er befolgte den Rat und dann sangen wieder die seltsamen Stimmen: „Fenster auf, Fenster auf!“ Und er war wieder sehend geworden.

Dies ist schon die dritte Sage der gleichen Art, die uns im Wipptal begegnet. (Prechtl.)

Wenn sich die Wichtelen-Sagen im Wipptal bis zur neuesten Zeit in so vielfältigen, reichen und lebendigen Bildern erhalten haben, dann muss man sich vorstellen, wie stark dieser Glaube in alten Zeiten verbreitet gewesen war. Kein Wunder, dass daher die letzten Erinnerungen von längst vergessenen Sagen nur noch in Berg- und Flurnamen wie ein heiliges Vermächtnis aus alter Zeit weiterleben. Der Alterer-Berg und die Alterer-Alm im Valsertal wurden schon erwähnt. Dort hauste gewiss ein solch altes, runzeliges Bergmanndl, wie es uns Matthäus Schiestl so schön beschreibt. Tatsächlich hauste auch dort ein Wichtele, wie wir schon erzählt haben. Auch Altach in Trins mag nach einem solchen Alten, einem runzeligen, meeralten Zwerg benannt sein. Besonders auffallend jedoch ist der im Tribulaungebiet nicht seltene Bergname „Nennes“:

Ein Hinter-Nennes gab es in Obernberg, in Trins und im Gschnitz. Während der Name in Obernberg, wohl auf das „Hintere Ende“ des Tales zurückgeht, liegt bei den Bezeichnungen im Gschnitztal, wie Egger vermutet, das alte Wort „en“, „Ennes“ oder „Nen“, Nennes“ zugrunde (vergl. Nena = Kind im spanischen Dialekt, sonst „niño“).

Auf der gegenüberliegenden Seite am wildzerrissenen Kamm vom Kirchdach gegen den Habicht ragen die beiden Felsentürme der Ilmspitzen in wunderbar lichtumflossene Höhen. Zerrissene Schluchten und Abgründe, steilaufragende Kare und drohende Wände versperrten den Menschen schon früher den Zugang, so wie dieses Berggebiet auch heute abseits vom Touristenverkehr liegt. „Elbengast“ nennt schon das maximilianische Jagdbuch (um 1500) diesen Berg. „Dasselb Pirg Eibengast ligt auch im Tal Snytz am hineinziehen an der rechten Hand und stoeßt morgennshalben an das Kirchdach und an die Kalkwanndt. Daran ist nit nach den meisten Gembsen. Und dasselb Wild hetzt man aus der Pod-Grueben (Pock-Grueben) und aus der Galldreygrueben. Und flücht in die Wand / heißt im Ghenng. Daran feld man das Wild aus. Und kumen ungeverlichen bei den zehen oder viertzehen Gembsen in das Gjaid. Und das ist auch ein guets / lustigs Gembsgejaid, dann das ein liechts pirg und das wild auszefellen wol sehen und zu den wenden wol gen mag.

Es gab also nicht am meisten Gemsen in dieser Bergwildnis, obwohl sich heute gerade dort das Gemswild mit Vorliebe aufhält, wie Verfasser am 20. Dezember 1945 erleben durfte. Vielleicht scheute man das Gebiet aus irgendeinem Grunde. Denn die Ilmspitzen scheinen wohl ein Heim für das sagenhafte Volk der Elbe gewesen zu sein, fast wie ein Rosengärtlein. Die Ableitung des Namens „Elbengast“ lässt keinen Zweifel aufkommen, dass hier uralte Elfenvorstellungen zugrunde liegen. Der Name „Elbengast“ ist ein gemeinbekanntes Wort in der deutschen Elfensage. So kommt im Titurel ein Zwerg des Namens Elbegast vor. Es sind zwar keine Sagen heute noch überliefert. Nur der alte, 87-jährige Silbergasser hat wörtlich erzählt (1938): „Bei der Thaursäule sein halt a sölle Löterlen oben gewesen. So hat man halt früager derzählt.“

Die hochgelegenen, immer sonnebeschienenen Ilmspitzen inmitten der einsamen, dunklen Wildnis des Gschnitz- und Pinnistales bieten auch heute noch, dem Auge des Beschauers ein wunderbares, schier märchenhaftes Bild. Sowohl Gestein als auch die zerrissene Form erinnert an die schönsten Dolomitenlandschaften in Südtirol. Am höchsten Grat aber sieht man auf einem wuchtigen Felsturm ein kleines, gebücktes Männlein, beim Volk heute vielfach „der Rucksackträger“ genannt, allerdings eine neuere Bezeichnung. Der alte 87-jährige Silbergasser von Gschnitz hat sich noch erinnert, dass dieses Männlein früher einen Namen gehabt hat. Aber wie der Name lautete, ist ihm entfallen. Auch die anderen Gschnitzer erinnern sich an diesen Namen nicht. Ein zweites Männlein ragt an der Westseite aus dem Felsengewirre.

Gerade diese auffallenden Felsgestalten, die den Eindruck eines Zwerges machen, mögen die Phantasie des Bergvolkes in alter Zeit angeregt haben.

Auffallend ist die Tatsache, dass unterhalb der Ilmspitzen, auf der Pockgruebe, in alter Zeit ein Goldbrünnlein geflossen ist. Der alte Hanserbauer von Gschnitz hat das Brünnlein noch gekannt und hat jedes Jahr so viel Gold abgeschöpft, als ein Paar Ochsen wert waren. (Silbergasser.)

Die Goldbrünnlein erinnern ja immer an die sagenhaften Zwerggestalten (vgl. S. 125).

Noch auffallender jedoch ist ein anderer Name, der sich im Talgrunde gerade unterhalb der Ilmspitzen und der Thaursäule befindet, nämlich ein Rosengarten. Der heutige Stögerhof und die dortigen Felder werden von den alten Gschnitzern noch heute der Rosengarten genannt. Dieser in Nordtirol so seltene Name, der an den Rosengarten des Zwergkönigs Laurin erinnert, mag abschließend als bester Beweis für die Annahme gelten, dass in grauen Urzeiten Elfen und Zwerge auf den lichtumflossenen Höhen der Ilmspitzen ihre Wohnstätte hatten und ihr König hieß vielleicht Elbogast — ein wunderbares Gegenstück zum Rosengarten des Königs Laurin in Südtirol. So war das Gebiet der Ilmspitzen von Natur aus wie geschaffen für ein Rosengärtlein in Nordtirol, nur dass der Zwergkönig Laurin fehlt. Wenn die Sonne am Abend auf die rotglühenden Felsen strahlt, wenn die Windwolken um Zacken und Grate fliegen oder wenn sich die Wetterwolken zusammenballen, dann mögen wir vielleicht dasselbe Gefühl einer geheimnisvollen Bewunderung empfinden, wie es einstens unsere Vorfahren in naturgebundenen Vorstellungen erlebt haben!

Noch eine Reihe Flur- und Bergnamen lassen mit Recht den Schluss auf solche kleine Bergmännlein oder Geister zu: So hausen die „Fopp-Manndler“ auf Bergspitzen oder in Felsspalten und foppen den Bergler (Egger), vielleicht das personifizierte Echo. Einen „Föppeler-Spitz“ gibt es im Venntal. 60) Ähnlich ist das Götzmanndl, Ätz, Ätzl, Nätzl, Pfeifermänndl oder Trogermänndl.

60) Das Venntal von H. Holzmann in Schlernschriften Bd. XX, 1935, wo sämtliche Flurnamen des Venntales gesammelt sind.

„Als Norggen, Nörgglein, die vom Weinberg- bis zum Eisnörgglein als Elben die Landschaft beleben, hausen hier die Nolpen: Nolp, Nölplein, das Nolpener Kar’l im Wattental. Nolpenheime sind übrigens wohl auch Noppas in Tux, Noppenau im Pflersch und Nurpens im hintersten Weerberg.“ (A. Egger.)

Aus solchen reizvollen Sagen und Geschichten, aus Berg- und Flurnamen strahlt noch immer das kindlich einfache Erleben unserer Vorfahren in den Bergen, wo jeder Spitz und jede seltsame Bergform, jeder Wald und dann die Behausungen der Menschen selbst mit geheimnisvollen Wesen — seien es Unholden oder Lichtelfen — belebt war. Nur wenige Überreste haben sich in den letzten noch erhaltenen Sagen von diesem einstigen „Reichtum“ der Berge bis auf unsere Zeit retten können . . .

Quelle: Wipptaler Heimatsagen, gesammelt und herausgegeben von Hermann Holzmann, Wien 1948, S. 99 - 119.