DIE "FAULE DIRN"

An einem ungewöhnlich heißen Sommertage arbeitete eine Dirne mit noch anderen Ehehalten auf einem Felde nächst Schwendau im Zillertale. Sie klagte aber beständig über die furchtbare Hitze und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Als sie einmal seufzend zum blauen Himmel emporblickte, gewahrte sie ein kleines Wölklein, das, von einem leichten Winde bewegt, dahinzog. Unwillkürlich sagte sie zu den anderen: "Mei, hot's dächt a sella Rachl sei, do öb'n". Kaum hatte sie aber diese Worte ausgesprochen, war sie auf einmal verschwunden, und die Dienstboten sahen nur noch von der Stelle, wo sie gearbeitet hatte, ein Wölklein aufsteigen.
Seitdem schwebt gewöhnlich an schönen Tagen dieses "Rachl" hoch in den Lüften über dem Dorfe Schwendau, und man nennt es im Volksmunde "die faule Dirn".

Quelle: Sagen aus Innsbruck's Umgebung, mit besonderer Berücksichtigung des Zillerthales. Gesammelt und herausgegeben von Adolf Ferdinand Dörler, Innsbruck 1895, Seite 40