DER GEIST AUF FELLENBERG

Wo die steilen Felsabstürze der Ahornspitze allmählich in üppige Alpenweiden übergehen, steht in einer vom schäumenden Fellenbergbach durchrauschten Thalmulde die Alpe Fellenberg.

Einst kamen bei hereinbrechender Dämmerung zwei Jäger auf diese Alpe, um dort zu übernachten. Der jüngere jedoch, ein übermüthiger Waghals, wollte durchaus in die etwas höher gelegene Karhütte gehen, weil er gehört hatte, daß es dort nicht recht geheuer sei. Dem älteren war zwar nicht viel darum, er gab aber endlich dem Drängen seines Kameraden nach. Beide stiegen nun zur Karhütte empor und suchten sich's dort bequem zu machen.

Bald saßen sie um ein loderndes Feuer und nahmen einen tüchtigen Imbiß. Dann luden sie für alle Fälle die Gewehre und suchten erst spät nachts das Heulager auf. Ihr Hund legte sich zu ihren Füßen auf den Boden und schnarchte alsbald mit den Jägern um die Wette. Gegen Mitternacht wurden sie aber plötzlich durch ein Gepolter aus dem Schlafe aufgeschreckt. Ein Feuer prasselte im Kaserraum, der Kesselbalken drehte sich knarrend hin und her, und dazwischen hörten sie immer etwas geschäftig "ummarpöff'ln". Sich suchten durch die Spalten zwischen den roh aneinandergezimmerten Balken hindurch zu sehen, konnten aber nichts bestimmtes erkennen.

Da rief auf einmal eine Stimme zu ihnen hinüber: "hatet's nid Beißendes und Reizendes, *) derriss i enk ze Lak und ze Stab." Darauf wurde es wie mit einem Schlage wieder mäuschenstill in der Hütte.

*) Unter "Beißendem und Reizendem" meint der Geist den Hund.


Quelle: Sagen aus Innsbruck's Umgebung, mit besonderer Berücksichtigung des Zillerthales. Gesammelt und herausgegeben von Adolf Ferdinand Dörler, Innsbruck 1895, Nr 18, Seite 16f.