Die Gömmachtperchte

In der "Gömmacht", der Nacht vor Dreikönig, geht nach altem Volksglauben die Muttergottes mit dem Kind von Hof zu Hof und hält in den Stuben kurze Rast. Auf dem weiß gedeckten Tisch steht ein kleiner Imbiss, auch die Wiege steht bereit, das Jesukind aufzunehmen. Gesehen hat die himmlischen Besucher freilich noch keiner - bis auf einen Knecht am Schwendberg, der seine Neugierde nicht bezähmen konnte und das Verbot zu schauen mit einer List zu umgehen versuchte. Als alle Hausleute schliefen, schlich er in die Stube, legte sich unter den umgedrehten Backtrog und spähte durch ein Astloch hinaus.

Um Mitternacht kam der hohe Besuch. Die Mutter Maria stellte das Kind auf den Boden und sagte: "Geh und mach das Astloch zu!" Im selben Augenblick erblindete der Knecht. Das war eine harte Strafe, denn kein Doktor konnte ihm helfen. Im darauf folgenden Sommer kehrte ein Kapuziner auf seinem Bettelgang auf dem Schwendberger Hof zu. Der Knecht vertraute sich ihm an und bat um Rat. Der fromme Bruder meinte, er solle sich in der nächsten Gömmacht wieder unter den Backtrog legen und fleißig beten. Das helfe am ehesten.

Der Knecht befolgte den Rat, und siehe da: Die Gottesmutter betrat die Stube, stellte abermals das Kind nieder und sagte: "Geh und mach das Astloch auf!" Der Knecht hielt sich vor lauter Angst die Hand vor die Augen. So kam es, dass er erst später, als die Besucher wieder gegangen waren, merkte, dass er wieder sehen konnte. Von der Neugierde aber war er für sein Lebtag lang geheilt.

Quelle: Hifalan & Hafalan, Sagen aus dem Zillertal, Erich Hupfauf, Hall in Tirol, 2000, S. 93.