Der Hochzeitlader

Ein junges Brautpaar aus Laimach war auf dem Weg nach Hippach, um für die abendliche Feier beim Wirt Gäste zu laden. Der Kürze halber nahmen sie den Steig über den Friedhof und kamen an einem frisch aufgeworfenen Grab vorbei. Neben dem Hügel lag das gebleichte Gebein des Toten, der zuvor in der Grube gelegen war. Wie der Zufall es wollte, stieß der Bräutigam mit dem Fuß gegen den Schädel, und der kollerte ein Stück voraus. Dem Mann war es selber zu dumm, aber um sich seine Verlegenheit nicht anmerken zu lassen, rief er keck: "Bist auch geladen!"

Am Abend, als das Fest dem Höhepunkt zustrebte, betrat ein Unbekannter das Gastlokal. Er bat den Bräutigam, kurz mit ihm nach draußen zu kommen. Der Hochzeiter hatte zwar kein gutes Gefühl dabei, weil er sich an den Totenschädel erinnerte, ging aber doch mit dem Besucher vors Haus. Da bedankte sich der Fremde für die Einladung. Gesehen habe er alles, der Bräutigam könne wieder hineingehen. Darauf verschwand der Spuk in der Nacht.

Mit einem Seufzer der Erleichterung ging der Hochzeiter ins Lokal zurück. Dort erkannte ihn aber kein Mensch mehr, wie auch für ihn alle fremd waren, die er da sah. Seit er die Gaststube verlassen hatte, waren nämlich nicht weniger als hundert Jahre vergangen.

Quelle: Hifalan & Hafalan, Sagen aus dem Zillertal, Erich Hupfauf, Hall in Tirol, 2000, S. 81f.