DIE ROHRER MÜHLE

Nicht weit vom Weiler Rohr bei Zell stand im Wald früher eine alte, verlassene Mühle. Der Ort wurde von den Leuten gemieden, weil der Teufel dort sein Unwesen trieb. Es soll einen direkten Verbindungsgang von der Hölle zur Mühle gegeben haben. Wann immer er wollte, gelangte der Teufel durch ihn auf die Erde und holte die ihm verfallenen Menschen hinab in sein dunkles Reich.

Einmal soll er zwei gottlose Burschen von Zell zur Rohrer Mühle gebracht haben. Den einen schleuderte er hoch auf den Berg hinauf, den anderen warf er in den Ziller. Mit den beiden Seelen aber verschwand er unter die Erde.

Des Teufels beste Kundschaft waren die Knappen vom Goldbergwerk in Zell. Eines Tages fuhr eine schwarze Kutsche aus der Rohrer Mühle. Zwei Rappen waren vorgespannt, und auf dem Kutschbock saß ein schwarzes Mandl. In rasender Fahrt ging es zum Werkhaus. Dort holte sich der dunkle Kutscher einen Knappen aus dem Haus. Der wehrte sich wohl verzweifelt, aber es half ihm nichts. Er musste in den Wagen steigen, und in sausendem Galopp ging es zurück zur Mühle, wo das Gefährt verschwand. In derselben Nacht war im Knappenhaus ein Hutmann gestorben.

Ein anderes Mal ging spätabends ein Bauer den Weg von Klamm am Gerlosberg gegen Rohr hin, als ein feuriger Wagen dahergebraust kam, in dem vier schaurig-schwarze Gestalten hockten. Unheimlich daran war, dass die vier ihre eigenen Köpfe unter dem Arm trugen. Plötzlich war der Wagen verschwunden, der Spuk schien vorbei. Da kamen die vier kopflosen Geister auf den Bauern zu, packten den an allen Gliedern schlotternden Mann und schleppten ihn zur Mühle. Er wollte um Hilfe rufen, brachte aber keinen Ton heraus. Die Tür zur Mühle wurde zugeschlagen, der Bauer wurde seitdem nie mehr gesehen. Die Leute sagen, er habe zeitlebens im Zorn immer den Teufel gerufen.

Einen teuflischen Schrecken jagte der Satan auch jener Bäuerin ein, die vom Rohrberg herunter nach Zell zur Osterbeichte ging. Sie hatte sich den Wecker auf vier Uhr gestellt und wunderte sich, dass es noch stockdunkle Nacht war. Als sie an der Rohrer Mühle vorbeikam, saß ein kleines Löterl auf der Bank und redete sie an: "Lasst mich mitgehn?"

"Komm nur!" lud ihn die Bäuerin ein. "Bin froh, wenn ich nicht allein gehen muss."

Als sie zur Zeller Kirche kamen, schlug es vom Turm zwei Uhr. Die Bäuerin schüttelte verwundert den Kopf, da hörte sie hinter sich ein Lachen, wie wenn ein Ziegenbock meckert. Erst jetzt sah sie, dass ihr Begleiter, der die Uhr verstellt hatte, auf einem Bocksfuß hinkte. Zitternd hielt sie sich an der Kirchentür fest, bis der Teufel hinter dem Friedhof verschwunden war.

Quelle: Hifalan & Hafalan, Sagen aus dem Zillertal, Erich Hupfauf, Hall in Tirol, 2000, S. 48