DIE SILBERKUGELN (Vers. I)

Im Eggertal war in alter Zeit eine Silberader, und, aus derselben kam gediegenes Silber an die Oberfläche, so daß solches wie Eiszapfen an einem Schrofen hing.

Aus dieser Ader stammte auch die vergrabene Silberglocke mit dem vollgefüllten Silberschatz auf dem Hamberg.

Als um die Mitte des vorigen Jahrhunderts ein Jäger, welcher gleichzeitig auch Scheibenschütze war, an den Schröfen des Eggertales herausstieg, sah er diese Eiszapfen.

Ihm blieb der Verstand still, Eiszapfen im Frühherbst, er dachte, "dös kinnen koane Eiszapfn sei'", nahm seinen Stutzen und schlug sie mit dem Schaftkolben herunter, er glaubte, es seien diese gediegenes Blei und trug sie im Rucksack mit nach Hause, um seinen Schießbedarf damit aufzufüllen.

Das Gießen der Kugeln ging dann schwer, und er meinte, es sei eine andere und bessere Art von Blei.

Wie aber auf den Schießständen hinter den Scheibenständen die Holzstöcke als Kugelfänger zerhackt wurden, um die Kugeln zum Umgießen zu gewinnen, da entdeckte ein Kenner, daß viele Silberkugeln darunter waren. Er verwunderte sich nicht wenig und wäre neugierig gewesen, wer derjenige gewesen sei, der sich den Luxus leisten konnte, mit Silberkugeln zu schießen, wir aber wissen es.


Hans Wurm sen. in 'Sagen aus Hart im Zillertal', in: Tiroler Heimatblätter, Heft 10 - 12, 1951, Seite 119