Das Stilluppgrund-Mandl

Wo heute das Gasthaus "Stilluppklamm" zur Rast einlädt, stand vor Zeiten ein kleines Haus, das einem Pechklauber gehörte. Damals geisterte die unerlöste Seele des Stilluppgrund-Mandls in der Gegend herum. Eines Tages, als die Frau des Pechklaubers am Spinnrocken saß, stand das Mandl plötzlich in der Stube und sagte: "Wenn's Gottes Wille ist, dann wirst du heut' noch fertig."

"Ob's Gottes Wille ist oder nicht, ich werd' auf jeden Fall fertig", erwiderte die Frau. Das Männlein verschwand, die Frau fuhr mit ihrer Arbeit fort. Vor ihr lag nur mehr ein kleines Häufchen Flachs, aber so sehr sie sich auch bemühte, es wurde nicht weniger. Tage, Wochen und Monate vergingen, der Faden wollte nicht länger werden, das Häufchen nicht kleiner. Übers Jahr stand das Männlein wieder in der Stube und wiederholte sein Sprüchl vom ersten Mal. Da beeilte sich die Frau zu antworten: "Ja, wenn's Gottes Wille ist, werd' ich wohl einmal fertig werden." Im Handumdrehen war der Rest des Flachses versponnen. Die Frau tat einen Seufzer und wollte dem Männlein danken, das aber war verschwunden.

Quelle: Hifalan & Hafalan, Sagen aus dem Zillertal, Erich Hupfauf, Hall in Tirol, 2000, S. 117.