St. Elsbethen

Zu den Zeiten des Faustrechtes saß auf dem Schlosse Itter ein junger reicher Ritter, der wegen seines schlechten Wandels der Schrecken der ganzen Gegend war. Im Schlosse Högau lebte damals auch ein alter Ritter, der reich und fromm war. Er hatte nur eine Tochter, Namens Elsbeth. Sie war tugendhaft, rein und schön, wie ein Engel. Der stolze Junker von Itter freite um ihre Hand, aber der Vater wies den Antrag ab mit den Worten:

"Meine Tochter wird mit einem frommen, armen Manne bei einem Bissen Brot glücklicher sein, als mit einem gottlosen Reichen."

Elsbethen © Berit Mrugalska
Weg vom Elsbethenkirchlein nach Hopfgarten Dorf
© Berit Mrugalska, 29. Mai 2005

Da ergrimmte der Werber und schwor Rache. Bald darauf warb der zwar arme, aber tugendhafte Ritter von Engelsberg um Elsbethens Hand und erhielt sie. Als das Brautpaar mit den Eltern der Braut und einigen Freunden bei dem einfachen Hochzeitsmahle auf Högau saß, drang der Burgherr von Itter mit einigen Knechten in den Speisesaal, ließ die Hochzeiter binden und nach seinem Schlosse führen. Dort sperrte er die Brautleute in einen tiefen Kerker und in einen andern den alten Ritter von Högau nebst seiner Gemahlin. Zu diesem sprach er:

"Mit einem frommen Manne wird deine Tochter bei einem Bissen Brot glücklicher sein, als mit einem gottlosen. Wohlan! Brot will ich ihnen Beiden geben; Wasser mögen sie sich selbst suchen. Nun wollen wir uns herzlich freuen des Glückes deiner Elsbeth bei dem frommen Engelsberger."

Diese Worte sprach der Junker mit lautem Hohngelächter und verschloß den Kerker. Die jungen Eheleute erhielten wohl Brot, aber keinen Trunk und schienen vor Durst zu verschmachten. In dieser Noth flehten sie mit innigem Vertrauen zu Gott und ihr Gebet ward erhört. Wunderbar erhellte sich der Kerker und im Himmelsglanze stand die hl. Elisabeth vor ihnen.

St. Elsbeth © Berit Mrugalska
St. Elsbeth (hl. Elisabeth), Holzrelief an einem Haus in "Elsbethen", Hopfgarten im Brixental
© Berit Mrugalska, 29. Mai 2005

Sie deutete auf die schwarze Mauer, aus der eine silberklare Quelle hervorsprudelte. Die Ermatteten labten sich und dankten Gott. Bald darauf trat ihr Quäler in das Gefängnis, das noch erleuchtet war, sah die Quelle, die aus der Wand rieselte, und das entzückte Paar. Dies ergriff den wilden Junker in seinem Innersten und er bat die Hartgekränkten tief erschüttert um Verzeihung, die ihm freudig gewährt wurde. Nun eilte er, Elsbethens Eltern zu befreien, und führte alle, wie im Triumphe nach Högau zurück, bekannte überall laut seine Schuld und erzählte vom Wunder im Kerker. Zur Sühnung erbaute der Junker am Fuße des Schloßhügels von Engelsberg eine Kirche, die zu Ehren der hl. Elisabeth eingeweiht wurde und heutzutage noch steht. (Nach Staffler I, 801.)

Quelle: Sagen aus Tirol, Gesammelt und herausgegeben von Ignaz V. Zingerle, Innsbruck 1891, Nr. 922, Seite 531f.