Die wilde Fuhr

Vor Jahren lebte in Alkus ein ausgezeichneter Gemsenjäger, der in der Regel, wenn er auf's Hochgebirge stieg, am Abend vorher noch eine ziemliche Strecke Weges zurücklegte und in einer Almhütte übernachtete, um des andern Tages desto zeitiger "auf der Wart" zu sein. Am Jakobitage wollte er wieder einmal auf die Jagd gehen. Leider hatte er am Vorabende noch mehrere Geschäfte für sein Weib zu besorgen und so kam er erst auf den Weg, als es schon dunkel war. Der Weg führte anfänglich durch einen Wald und als er eine Strecke desselben zurückgelegt hatte, kam er an eine Lichtung, wo er rastete. Nun hörte er in der Ferne ein verworrenes Geschrei, konnte sich dasselbe aber nicht erklären; doch eher als er meinte, was der Lärm schon ganz nahe und so viel ihm vorkam, marschierten die Unholde den Weg herunter, den er passiren sollte. Man konnte schon deutlich Stimmen von Menschen und Thieren unterscheiden. Nun zweifelte der Mann freilich keine Augenblick mehr, daß er es mit der "wilden Fuhr zu" thun habe, und flüchtete sich in ein Gebüsch. Ohne ihn zu bemerken, trabten die nächtlichen Gestalten an ihm vorüber, an der Spitze einige riesengroße Kerle, hernach andere Ungeheuer, welche gar nicht zu erkennen waren, und den Schluß bildeten eine Anzahl ganz kleiner Männchen, etwa von der Größe einer Mäherkumpfes welche: "Hopp! hopp! hopp! schrieen. Nachdem Alles ruhig geworden war, setzte der Jäger mit eiligen Schritten seinen Weg wieder fort. (Bei Lienz. Bozner Zeitung 1881 Nr. 184.)

Quelle: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Tirol, Gesammelt und herausgegeben von Ignaz Vinzenz Zingerle, Innsbruck 1891, Nr. 16, Seite 11.