451. Bräuche am Tannberg

I. Eierstehlen

Vor etwa siebzig oder achtzig Jahren war am Tannberg noch ein höchst sonderbarer Brauch. In der Fasnacht gingen die Buben fleißig in die Häuser, um Eier auszunehmen und sich dann aus der Beute einen Schmaus zu bereiten. Hauptsache dabei war, sich von den Hausfrauen nicht erwischen zu lassen; wenn einem dieses Unglück passiert war, so mußte er eine Weiberpredigt anhören und gewärtig sein, von seinen Kameraden ausgelacht zu werden, wurde aber von keinem Menschen als Dieb angesehen. — Zwei Warthern ist es einmal schlimm gegangen. Sie gingen eben auch in den Rud auf die Eiersuche und durchstöberten die Krippen des leeren Kuhstalles, weil sie meinten, es könnte daria ein Hennennest gefunden werden. Auf einmal griff einer in das schmutzige Haar eines Pudelhundes, der ein giftiges Knurren hören ließ. Beide erschraken so sehr, daß sie bedenklich erkrankten und einen bösartigen Ausschlag im Gesichte bekamen. — Andere sahen im gleichen Hause auch einen gespensterhaften Hahn.

II. Rahmstehlen

Früher war am Tannberge der Brauch, daß die Buben in der Fasnacht heimlich aus den Kellern Rahm stahlen und die beliebte Luggmilch oder Maienbutter daraus bereiteten. Man lachte zu diesen Streichen und es kam häufig vor, daß man einem Bauern den Rahm stahl, während er eben einigen Burschen Auskunft erteilte, wo sie am ehesten Rahm erwischen könnten. In neuerer Zeit haben geizige Leute den betreffenden Burschen das Stehlen vorgehalten; von da an kam der Brauch außer Übung.

III. Maria Lichtmeß und Lätaresonntag

Am Lichtmeßtag brannten früher alle Leute am Tannberg, alt und jung, in der Kirche Kerzen. Die Hengartbuben bekamen von ihren Maika besonders schöne Rodel mit roten und blauen Bändern, die man dann über die Lehne herabbaumeln ließ. Vor etwa zwanzig Jahren haben die Geistlichen diesen Brauch abgeschafft.

Der Sonntag Lätare, an dem der Tannberg zu Österreich kam, wurde früher festlich begangen. Heute noch gehen die Hengartbuben an diesem Tage mit einem Fiskus, das ist ein Doppelliter Wein, zu ihren Maika.

Am Tannberg heißt es auch, wenn man am Karfreitag vor Sonnenaufgang die Zimmer mit dem Besen sauber auskehrt, so gibt es in diesen Räumen das ganze Jahr hindurch keine Flöhe.

IV. Klausentag

Etliche Tannberger gingen im Dezember einmal als Klos verkleidet am Bürstegg umher und benahmen sich im Wang bei Bürstegg, wo ein einzelnes Haus stand, recht wüst. Da war plötzlich ein überzähliger Klos bei ihnen und keiner hatte dessen Erscheinen bemerkt. Erstais die Masken über einen Friedhof gingen, verließ sie der überzählige.

Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 451, S. 251f