408. Der Butz auf Formarin

Von Kreuzerhöhung bis Kreuzerfindung (14. September bis 3. Mai) dürfen die Bütze in den Alphütten hausen. Wer unter dieser Zeit in einer Hütte übernachten will, der muß um Herberge bitten, damit ihm nichts übles begegne. Da wettete einmal ein Bauer von Älpele seine weiße Geiß, es getraue sich niemand, in der hl. Nacht aus der zwei Stunden von Älpele entfernten Formariner Hütte den Rührstecken zu holen und gleich wieder zurückzutragen.

Obwohl in dieser Alphütte ein Butz war, machte sich doch ein Jäger in der hl. Nacht auf, die Wette zu gewinnen. Ein fünfspuriger Hund, ein geladenes Doppelgewehr und der erste Anschnitt von einem Agathabrot war ihm Schutz und Wehr. Kaum hatte der Jäger den Stafel betreten, da brachte ihm der Butz schon den Rührstecken entgegen. Der Jäger erklärte aber, er wolle den Rührstecken selbst aus dem Kübel nehmen. In der Hütte angekommen, kochte sich der Mann ein Mus und rührte es in den drei heiligsten Namen. Da schaute ein feuriger Geißkopf durch ein Loch vom Dache herab. Der Jäger erschrak nicht, sondern reichte eine Kelle voll Mus empor mit den Worten: „Witt au an Schleck?" Bevor er ging, schoß er hinauf; ein fürchterliches Gejammer erscholl. Auf dem Rückwege nach Formarin empfing ihn der Butz wieder auf dem Stafel und wollte ihm den Rührstecken abnehmen, was der Jäger nicht zuließ. Der Geist heulte erbärmlich, aber der Jäger trug den Stecken furchtlos wieder in die Alphütte zurück. Als er die Hütte verließ, schaute der Butz zur Dachlucke heraus und rief:

"Hättest du nicht Grandbeiß, Fürheiß und Anbeiß,
Ich wett dir helfa gwinna d'Zitgeiß!"

Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 408, S. 230f