218. Der Klushund

Fast im ganzen Lande vor dem Arlberg, besonders aber im Vorderland zwischen Kummenberg und Ardetzenberg, vorab in den so lieblich unter Weinhängen und Waldbergen, zwischen prangenden Baumgärten und einsamem Ried gelegenen Dörfern Klaus, Weiler, Röthis und Sulz waren die Schwestern Anna und Hedwig Hensler treue Sagenhüterinnen, einem alemannischen Geschlechte entstammend, das seit mehr als 300 Jahren hier beheimatet ist. Besonders Fräulein Hedwig Hensler verdanken wir u.a. die Kunde von Fenggen, Hexen und Zwingherren, von Heidenleuten und Pestzeiten und von mythischen Gestalten der auch heute noch blühenden Wingerte. — Den Klushund lassen die von F. J. Vonbun aufgezeichneten Sagen in der weglosen Ebene zwischen Brederis und Rhein seinen geisterhaften Weg suchen. In ältere Schicht wohl greifen die Erzählungen, die uns H. Hensler aus dem Volksmund übermittelt.

l. Bei St. Arbogast

Der Klauser Wald © Berit Mrugalska
Der Klauser Wald von St. Arbogast aus gesehen, Vorarlberg
© Berit Mrugalska, 16. Oktober 2005

Im Oberland wandert der Klushund selten die neue breite Heerstraße in der Rheinebene, er läuft meist den Bergrand entlang durch die Dörfer und nimmt dort die Jahrhunderte alten Wege, wo er seinen ersten Gang machen mußte. So trifft man ihn oft ums Zunachten im Klauserwald bei St. Arbogast als mannshohen schwarzen Zottelhund in schütterem Gehölz. Er zieht den Spuren der längst überwucherten alten Straße nach, von der man nur hin und wieder im felsigen Boden vom Fahren in früherer Zeit halb verwischte Geleise sieht. — Bei der Klauser Kirche kommt er dann herauf und streicht oben am Rietle vorbei. In Weiler läuft er niemals über die Dorfstraße bei der Kirche, wo vor hundert Jahren nur ein grasbewachsener Feldweg war, sondern wendet sich auf dem alten, wenig begangenen Weg, der Totengasse, Röthis zu. Von dort läuft er weiter nach Rankweil und durch den Valdunawald dem schwarzen See zu gegen Satteins. Nur selten sieht man ihn in Feldkirch.

II. In Röthis

Bei den Wingerten der Abts- und Kirchhalde in Röthis hat erst vor kurzem ein Bursche, als er nachts aus der Gesangprobe heimging, den Klushund gesehen. Aus den Reben herunter sprang ein Hund so groß wie ein Kalb und richtete sich wild und drohend vor ihm auf mit erhobenen Pratzen. Auf seinen Hilferuf liefen ein paar Kameraden herbei, die weiter unten ihren Heimweg hatten. Urplötzlich verschwand das Untier, die Vorderfüße noch in der Luft. Der sonst immer beherzte Bursche aber stand leichenblaß und schlotterte vor Schrecken. Einige Tage lang lag er krank.

III. Im Valdunawald

Als einst in mondheller Winternacht der Hans Uri von Röthis mit seinen Rossen durch den Valdunawald fuhr, waren mit einem Male die willigen, vertrauten Tiere nicht mehr weiter zu bringen; es war wie verwunschen. Darum hieb er mit dem Geißelstock zweimal kreuzweise über das Gespann. Da raschelte Schwarzes durch den Wald hinab und es rauschte ungeheuer. Die Rosse aber zogen wieder vorwärts.

IV. In Altenstadt

Noch vor wenigen Jahren sprang der Klushund einer Frau, die nachts von Altenstadt nach Feldkirch ging, auf den Rücken und sie konnte ihn nicht los werden. Erst dort, wo beim Kapuzinerkirchlein das rote Holzkreuz über die Mauer ragt, schwand seine Macht und er mußte zurückbleiben. Das zu Tod erschöpfte Weib aber hatte noch lange von der Last dieses bösen Geistes zu leiden.

V. In der Felsenau

Vor Geweihtem und Heiligem wird die Gewalt des Klushunds zunichte. Einst gingen zwei Tisner Burschen in windstiller Nacht von Frastanz her durch die Felsenau. Da begann es auf der linken Wegseite im Wald fürchterlich zu rascheln. „In Gottes Namen, was ist das?" stieß der eine aus. Dem ändern, der den Himmel nicht anrief, ward im selben Augenblick die linke Gesichtshälfte hoch aufgeschwollen und so sah man ihn noch lange hernach, denn ihn hatte der Klushund anblasen können.

Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 218, S. 130f