34. Der Ritter von Halbenstein

Auf der kleinen, mit einem runden Turme bekrönten Burg Halbenstein oberhalb Fronhofen, hauste vorzeiten ein Ritter, der wegen seiner unchristlichen Sitten verhaßt war in der ganzen Gegend. Da faßte das geplagte Volk in seiner Not den Plan, ihn zu ermorden. Sogar seine Hausmagd versprach Mithilfe. Als der Ritter eines Mittags an der Tafel saß, hängte sie der Verabredung gemäß an der Stelle, wo er seinen Platz hatte, einen roten Strumpf ans Fenster. Ein Bauer aus Eichenberg schoß mit einem Standrohre darauf und traf den Ritter ins Herz. Bei der großen Entfernung wurde dies als ein Wunder angesehen. Es war das Maß der Sünden des Verhaßten voll gewesen. Die Ruine Halbenstein ist heute fast gänzlich abgetragen und die Steine sind zum Baue von Bauernhäusern verwendet worden. Ein Teil der Burg und des Turmes war in den Achtzigerjahren noch vorhanden. Zuletzt wohnten in der Burg arme Leute. Ihre Kinder wollten abends nie ins Bett und fingen dann immer in der Nacht jämmerlich zu schreien an. Sie sagten, sie sähen einen Geißbock. Man gab ihnen endlich etwas Geweihtes in ihre Bettchen mit, darauf waren sie die ganze Nacht ruhig. - Vorher hatte der Bauerndoktor Geng von Bregenz in diesem ehemaligen Lehengute gewohnt. Dem machte es immer, wenn er vom Kräutersammeln heimkam, seine Zimmertür auf und einmal drängte sich sogar etwas zwischen ihn und die Zimmertür, sodaß er weder vor noch rückwärts konnte.


Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 34, S. 45f