430. Hexerkünste

I. Der Meisterschütz

Unser Mesner Tobias Wolf erzählt: Ein Jäger von Lech wollte einmal mit seinen Bekannten wetten, er könne vom Dorfe Lech aus in die Hütte auf der Schafalpe schießen und werde auch sagen, in welchem Balken die Kugel stecke. Natürlicherweise wäre das unmöglich gewesen, weil man von Lech aus die entlegene Hütte auf der Schafalpe gar nicht sieht. Trotzdem getraute sich niemand zu wetten, weil man überzeugt war, daß dieser Mann mehr könne als andere.

II. Die Oberländerinnen

Einmal ging dieser Jäger mit einem anderen von Zürs herab. Als beide das Dorf beinahe erreicht hatten, kamen zwei Oberländerinnen mit großen Paketen über den Tannberg bei der Parzelle Tannberg daher. Da sagte der Jäger zu seinem Begleiter: „Möchtest du nicht einmal sehen, wie diese Oberländerinnen ihre Juppen über den Kopf nehmen und davonspringen" Sein Kamerad war einverstanden, und sofort nahmen die Frauen ihre Juppen über den Kopf und begannen zu laufen.

III. Der Krämer

Ein Mann konnte sich in allerlei Dinge verwandeln. Einmal sah er einen Krämer mit einer schweren Kraxe des Weges kommen. Da dachte er bei sich: „Wart, jetzt verwandle ich mich in einen ebenen Baumstock; der Krämer wird wahrscheinlich auf mir rasten und ich werfe ihn dann kopfüber in den Bach." Der Krämer kam und setzte sich wirklich samt einer Kraxe auf den vermeintlichen Stock. Der Hexer aber vermochte sich nicht mehr zu rühren, weil in der Kraxe zufällig geweihte Sachen lagen; er mußte warten, bis es dem Krämer gefiel, wieder weiter zu gehen. Der hatte aber keine Eile; gemächlich nahm der Händler Speck und Brot aus seiner Tasche und begann zu essen. Während des Essens schnitzelte er bisweilen gedankenlos am Stock herum. Endlich stand er auf und auch der Zauberer erhob sich mit blutigem Hinterteil.

Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 430, S. 240f