455. Die Kirche zu Prazalanz

I. Ein gewisser Werle

In der Santantöner Alma sollen viele verborgene Schätze sein. Doch konnte sie noch niemand erlangen.

Die jetzige Kirche steht genau über der verschütteten alten, der Turm über der Turmspitze. In der verschütteten Kirche unten sei eben das Allerheiligste ausgesetzt gewesen, als das Unglück kam, und es stehe jetzt noch unversehrt auf dem Altar. So haben vor alters fahrende Schüler erzählt, und mit einem gewissen Werle von St. Antöni sei einer von ihnen in den alten Kirchturm hinabgestiegen, daß sie von dort zu den Schätzen kämen. Aber sie hätten nicht ein einziges Wort reden sollen, und dem Werle ist eines entschlüpft, da war's mit dem Schatzfinden aus und dem armen Werle hat es ganz den Mund zerrissen. Bis zum Tod hat er das Malzeichen gehabt, und wenn man ihn fragte, wie es denn so gekommen sei, ließ er nichts verlauten und sagte, er nehme es mit unter den Boden.

II. Das alte Juenli

Als das alte Juenli aus Gantschier mit dem fahrenden Schüler in die verschüttete Kirche von Prazalanz hinabgestiegen war und, wie der Schüler selbst, aus jedem Tota (Fach) der Schatzkiste eine Handvoll Münzen genommen hatte, Gold, Silber und Kupfer, war er wieder heil ans Tageslicht gelangt, und es reute ihn, daß er nicht mehr eingepackt hatte. Da sagte der fahrende Schüler: „Du hättest wissen können, daß ich nicht so gierig ums Geld tue, da ich doch alle Häfen und Kisten weiß; hättest du nur besser zugegriffen!" Und sie gingen voneinander.

Dem Juenli wollte aber die Geldtrucke nicht mehr aus dem Sinn und er versuchte es allein. Richtig fand er den Turm, er legte sich Zeichen und fand hinab. Aber der Hund wich ihm nicht von der Kiste. Und nie konnte er sagen, wie er wieder heraufgekommen war. Verbissen und zerrissen war er und geschwollen. Ein paar Wochen später ist er dann gestorben.

Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 455, S. 254