343. Der Rauschbrand
Im Walsertal hieß es, der Rauschbrand komme nicht von Alpgeistern, sondern von bösen Weibern, von Hexen. Da kam eine alte, heuchlerische, aber verbissene Schmalzbettlerin in eine Alpe und heischte Schmalz. War ihr die dargereichte Gabe zu klein oder erhielt sie gar nichts, so zeigte sie sich ja nicht erbost, sondern im Gegenteil recht freundlich und teilnahmsvoll, sann aber auf Rache. Sie ging in den Stall, besichtigte und lobte das Vieh über den grünen Klee und berührte schließlich noch vor ihrem Weggehen die schönste und fetteste Kuh. Bald darauf wurde der Brand mit dem vollen Abdrucke einer Menschenhand ersichtlich und das arme Tier mußte geschlachtet und verscharrt werden, ohne Nutzung des Fleisches. Dieser Volksglaube war vor sechzig Jahren noch stark verbreitet und ist heute noch nicht ganz erstorben. Geister und böse Leute hielt man für die Anstifter des Rauschbrandes.
Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 343, S. 198