186. Scheintot begraben

Alte Leute erzählen: Als ein Kind in der gräflichen Gruft, die sich in der Hohenemser Pfarrkirche befindet, beigesetzt wurde, habe man auf der zur Gruft führenden Stiege ganz oben die Leiche einer Gräfin gefunden. Ihre Finger schienen wie abgekratzt oder abgebissen. Die Unglückliche sei scheintot begraben worden und habe so ein jammervolles Ende finden müssen. — Der Mesner und viele andere sagten, sie hätten oft ein leises Stöhnen gehört, das wohl von dieser lebend Begrabenen hergerührt habe.

Dieser Bericht dürfte sich mit dem Briefe eines gräflich Hohenembsischen Beamten decken, welcher enthält, daß ein Hohenemser Graf tatsächlich scheintot beerdigt worden ist. Daß die Sage von einer Frau erzählt, mag seinen Grund wohl in der Veränderung der Leiche durch die Verwesung und in dem Totenkleide haben.


Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 186, S. 116