229. Die Schindegg-Hex

Zu Röthis bei der Säge ist auf einem Scheiterhaufen eine Hexe verbrannt worden, es ist noch aufgezeichnet, in welchem Jahr. Sie hat aber auch gar fürchtig geleidwerket und geschändet und nicht das kleinste bißchen Verbärmnist im Leib gehabt. Recht manchen hat sie ins Elend gebracht. Und mag man es als eine Wahrheit zugeben: „Der Bauer ist wie ein Fälbenstock, sovielmal man ihn abhaut, schlägt er wieder aus" — wenn die Hex einem das Unglück zum Gespanen geschickt hatte, da half alles Schaffen und Schinden nichts. In den Händen ist einem alles verheit, vertrüllt und überzwerch gewesen, das fruetigste Werken hat kein Lingen mehr gehabt und die Rätzgete kein End. Manches Bürle ist so um Sack und Bändel gekommen und sein Gütle vergantet worden. — Wetter hat sie gemacht und es dann bachlen lassen grad wochenweis, daß das Heu an den Birlig und das Korn auf dem Acker verfault ist. Und hätten die Reben und das Obst auch noch soviel Brom gehabt, sie haben den Rottel haben müssen. Wenn es aber bei einem Streueschochen gebrenzelt hat, daß gezündelt worden ist, dann war die Hex gewiß nicht weit davon. In einem einschichtigen Häusle an der Frutz zuhin ist sie daheim gewesen. Einmal bei einer grausigen Wassergüße — es hat vom Himmel geleert wie mit Gelten — ist der Bach mannshoch auf ihre Hütte zugekommen. Da hat man sie gesehen hinter den Bänderhäg stehen, mit beiden Händen hat sie die Schoß ausgespannt und so dem Wasser eine andere Richtung gewiesen. Im Augenblick hat auch der Bach ein neues Bett gefressen und ist auf Sulz los durch alle Wiesen und Äcker. Viel hundert Mitmel vom besten Boden sind verschottert und voll Steinen gewesen lange Zeit. Das ist den Leuten da zu raß geworden und die Hex hat ihre Strafe überkommen. Dort wo man sie verbrannt hat, heißt es heutigentags noch das Schindegg.


Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 229, S. 136