78. Schöpplod, schöpplod!

Vor langer Zeit lebte in Bezau eine reiche Bäuerin, die die Not des Nächsten zu ihrem Vorteil ausnützte. Die beste Gelegenheit bot ihr die Heunot hie und da im Frühjahr. Sie war durch ihre Wucherpreise weit über die Grenzen der Gemeinde bekannt. Zur Strafe mußte die Bäuerin nach ihrem Tode alljährlich am Feste Maria-Verkündigung mittags um zwölf in einem langen Mantel auf dem Johlerbühel erscheinen und den Bauern verkünden, wie sie es mit dem Heu halten sollten. Rief sie „schöpplod, schöpplod", so wußten die Bauern, daß der Frühling nahe ist; rief sie aber „rüpftod, rüpflod", so hieß es, den Heubedarf zu decken, ehe die Nachfrage zu groß wurde und die Preise zu hoch stiegen, denn der Frühling ließ noch lange auf sich warten.

Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 78, S. 63