137. Die Trud im Schwabenland

Eine Dornbirnerin hatte einen Mann, der war Knecht bei einem großen Bauern im Schwabenland. Dessen Weib, die Bäuerin, bekam fast alle Jahre ein Kind. Dann mußte der Knecht mit dem Fuhrwerk immer die ledige Schwester der Frau holen als Taufpatin. Er merkte bald, daß er der gefalle. Da er aber nicht darauf einging, so fing sie an, ihn zu hassen und zu seckieren. Sie blieb nach der Taufe immer noch einige Wochen bei ihrer Schwester und kam manchmal auch in die Kammer des Knechtes. Einmal sah sie dort ein Taschenmesser liegen, auf dessen Klinge drei Kreuze eingestochen waren. Sie verlangte das Messer als Geschenk, es gefalle ihr. Er aber wies sie ab und steckte das Messer ein.

Einmal kam er mit einer schweren Fuhr spät, naß und müde nach Hause und ging bald in seine Schlafkammer, die auf der „Bühne" war. Als er schon im Bette lag, hörte er Tritte und dachte, jetzt komme die Schwester der Frau noch und habe wahrscheinlich nichts Gutes im Sinne; er hielt sie allmählich für einen Schrättlig oder eine Trud. Sofort langte er nach seinem Messer und legte es, die Schneide aufwärts, auf seine Brust. Da tat es einen Sprung auf ihn und er fühlte eine Last, die aber gleich wieder weg war; dann hörte er wieder dieselben Tritte sich entfernen. Als er der Schwester der Frau am Morgen begegnete, wagte sie es nicht mehr, ihn anzuschauen. Er bemerkte, daß sie verbundene Hände hatte. Die Suppe trug nicht sie auf. Noch am gleichen Tage wollte sie fort und begehrte einen andern Fuhrmann,

während sonst immer der Knecht sie führen mußte. Der schimpfte sie noch wacker aus und drohte: „Komm mir nur noch einmal!" Die alte Frau in Dornbirn soll noch leben und das Messer ihres verstorbenen Mannes aufbewahren.

Quelle: Im Sagenwald, Neue Sagen aus Vorarlberg, Richard Beitl, 1953, Nr. 137, S. 93f