DER BAUMEISTER

Es ist einmal ein armes Männlein gewesen, es hat gut können mauern und zimmern und wäre auch gern ein reicher Mann geworden; aber es hat fünf Kinder gehabt, und da ist es unmöglich gewesen, ein reicher Mann zu werden. Da einmal hat in seiner Pfarre das Wasser eine Brücke am Kirchweg fort, und die hätte sollen schnell gemacht sein. Man kommt zum Männle und fragt, ob es um hundert Taler in der und der Zeit die Brücke machen könne. Das Männle sieht wohl ein, es wäre ein schöner Lohn, und bittet um einen Tag Bedenkzeit. Man gibt sie ihm und es besinnt sich den ganzen Tag bis um zwölfe zur Nacht und sieht am End, daß es ihm in der Zeit nicht möglich ist. Schon will es traurig ins Bett, aber einermal klopft es ganz leislich an seiner Tür, und ein kleines Männlein kommt herein. Es wünscht eine gute Zeit und fragt den Maurer, warum er so traurig sei. Der Maurer erzählt ihm alles, wie es ist. Das kleine Männlein lacht und sagt: "Da ist bald geholfen; ich stell dir die Brücke in der bestimmten Zeit her, aber die erste Seele, die von deinem Haus über die Brücke geht, ist mein." Dem Maurer schaudert es anfangs, aber wie er merkt, wer das kleine Männlein sei, da fällt ihm gleich, ich weiß nicht was, ein und er geht den Vertrag ein. In der Zeit, wie das kleine Männlein gesagt hatte, steht die Brücke fix und fertig da, und der Teifel wartet schon mitten drauf auf die erste Seel aus des Maurers Haus. Der Maurer aber holt schnell den Geißbock aus dem Stall und jeucht ihn über die Brücke. Wie da der Teifel den Geißbock herträpplen sieht, so reißt er ihm vor Zorn den Schwanz aus, und seit derselben Zeit haben die Geißen kurze Schwänze. Der Maurer aber hat hundert Taler überkommen und ist ziemlich ein reicher Mann gewesen.

Die Bregenzerach © Berit Mrugalska
Die Bregenzerach in Au/Schoppernau, Vorarlberg
Im Hintergrund die Kanisfluh in der Abendsonne
Nach der Hochwasserkatastrophe im August 2005 muß auch diese Brücke saniert werden
© Berit Mrugalska, 17. Oktober 2005


Quelle: Die Sagen Vorarlbergs. Mit Beiträgen aus Liechtenstein, Franz Josef Vonbun, Nr. 10, Seite 57