Die Bregenzerwälderinnen erscheinen den Schweden als göttliche Wesen

Als die Schweden nach der Einnahme von Bregenz sich an die Eroberung des Bregenzer Waldes machen wollten und auf ihrem Zuge bis hinter das Dorf Alberschwende kamen, erblickten sie plötzlich über sich eine große Schar weißgekleideter Wesen, welche, die Waffen schwingend, auf sie hinabstürzten. Staunen und Schrecken erfaßte die Schweden, so daß sie alsogleich die Flucht ergreifen wollten; denn sie hielten die weißen Gestalten für himmlische Wesen, die gegen sie zum Kampfe heranrücken. Es waren aber nur Frauen und Mädchen aus dem Bregenzer Walde, welche, als sie von dem Anmärsche der Schweden hörten, wie Heldinnen Hauen, Picken, Sensen und Heugabeln ergriffen, den Schweden entgegenzogen, sie auf ihrer wilden Flucht einholten und alle samt und sonders totschlugen. Als nun die Bregenzerwälderinnen später vernahmen, daß sie in ihrer weißen Kleidung den Schweden wie himmlische Wesen vorgekommen seien, hielten sie die Sache selbst für ein großes göttliches Wunder und gelobten zum Dank die weißen Kleider, die nur den Himmlischen gebühren, abzulegen und gegen dunklere umzutauschen. Noch vor einigen Jahren war im Gasthause zum Engel in Bezau ein solcher weißer Anzug zu sehen und wurde von der Wirtin als aus der Zeit vor dem Schwedenkriege herstammend bezeichnet.a)

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Nachdem die Schweden unter dem gefürchteten Feldmarschall Graf von Wrangel anfangs Jänner 1647 Bregenz eingenommen und geplündert hatten, schickte dieser zwei Abteilungen Reiter nach Lingenau im Vorderwalde, damit sie sich, wie es in dem Befehle hieß, „des Gerichtes Lingenau bestens gebrauchen und den Nutzen teilen sollen“. Die durch den jahrzehntelangen Krieg gänzlich verrohten Soldaten führten den Befehl gründlich durch, sie hausten furchtbar, plünderten, mordeten und erpreßten auf derart grausame Art, daß im Volke auch heute nach fast drei Jahrhunderten die Erinnerung daran nicht erloschen ist. Die Dragoner und Polacken des Wrangeischen Heeres zogen von Bregenz auf den Sulzberg, wo sie alles ausplünderten und die Leonhardskapelle verbrannten. Gegen das Ende des Sommers 1647 zog Wrangel mit seiner Armee von Bregenz nach Schwaben, nur je eine kleine Besatzung blieb in Bregenz und Lingenau zurück. Da die Weiber und Kinder von Egg, Andelsbuch und Schwarzenberg in den Alpen sich aufhielten, wollten die Schweden ihre Steifzüge auch dorthin ausdehnen. Die Wälderinnen aber hatten beschlossen, den verhaßten Feinden entgegenzutreten, um sie zu vernichten. Als die Schweden gegen den Fallenbach hinaufkamen, standen sie plötzlich einer Schar todesmutiger Weiber gegenüber, die mit Kolben, Gabeln und Prügeln bewaffnet waren und sich mit Todesverachtung auf die Soldaten stürzten. Alle wurden erschlagen und an der Roten Egg begraben. Da die Wälderinnen damals weiße Juppen trugen, glaubten die Polacken und Dragoner, daß sie weißgekleidete österreichische Soldaten oder gar himmlische Wesen vor sich hätten. Den Sieg nahmen die Wälderinnen hinterher selbst als ein Wunder des Himmels und gelobten, die nur den Himmlischen gebührenden weißen Kleider durch schwarze zu vertauschen. Deshalb soll seither die Tracht der Wälderinnen dunkel sein. Für die Taten am Fallenbach erhielten die Frauen in ihren Heimatgemeinden das Vorrecht, beim Opfergange in der Kirche um den Altar vor den Männern gehen zu dürfen.b)

Quelle: a) Josef Elsensohn, Sagen und Volksglauben im inneren Bregenzerwald, in: Progr. Gymnasium in Teschen, Teschen 1866, S. 33f, zit. nach Sagen aus Vorarlberg, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 105
b) Hans Nägele, Die Taten der kriegerischen Bregenzerwälderinnen in Geschichte, Sage und Dichtung, in: Feierabend, 15. Jg. (1933), 51. Folge, S. 61f, zit. nach ebenda