Das Ilgabrünnlein bei Schwarzenberg

Die heilige Ilga war eine Schwester der beiden Brüder Merboth und Dieda, beide gleichfalls im Bregenzerwalde hochgeehrt. Sie stammten aus der französischen Schweiz, aus dem Geschlechte Montfort. Ilga verließ ihre Heimat, um in der Wildnis bloß dem Gebete und der Betrachtung leben zu können, und kam in die Gegend, wo jetzt das schöne Dorf Schwarzenberg ist. Ihre Nahrung waren Wurzeln und Kräuter. Anfänglich soll ihre Einsiedelei an der Stelle, wo jetzt die Pfarrkirche steht, später aber eine halbe Stunde weiter oben am Gebirge gewesen sein, dort, wo jetzt die Hütte des Vorsässes „am Berg“ sich befindet. Sie kam nach der Sage mit ihren Brüdern mehrmals zusammen, und aus den Tränen, die sie beim Abschiede vergossen, entstanden Quellen. So nahmen die drei Geschwister einstens Abschied auf der Höhe Lorennen und aus ihren Tränen bildete sich augenblicklich der Lorennenbrunnen mit gutem, unversiegbarem Wasser. An einer uralten Tanne, beim Brunnen gegenüber, ist diese Abschiedsszene in einem Gemälde

dargestellt. Weil Ilga in ihrer Einsiedelei Mangel an Wasser litt, so nahm sie in ihrer Schürze etwas Wasser aus dieser Quelle mit. Auf dem Wege dahin, etwa eine Viertelstunde von ihrer Wohnung in dem heutigen Vorsäß „Gmund“ (Gemeinde-Vorsäß), verschüttete sie einige Tropfen. Augenblicklich sprudelte an dieser Stelle eine frische Quelle aus dem Boden hervor, die noch heute den sehr beliebten Brunnen dieses Vorsässes bildet. Das übrige Wasser brachte sie bis zu ihrer Wohnung. Dort goß sie es auf die Erde aus. Daraus entstand die berühmte Ilgaquelle, die sich einige Schritte entfernt im nahen Walde befindet. Vor Zeiten soll bei dieser Quelle eine Kapelle gestanden haben, jetzt aber ist sie außerhalb des Waldes. In der neuesten Zeit wurde sie renoviert. Zu diesen Brunnen der heiligen Ilga wallfahrten viele Andächtige in ihren Nöten und Leiden. Besonders sind es Augenkranke, die sich an die heilige Ilga wenden, und mit Wasser des Brunnens die Augen waschen und meistens in Fläschchen auch nach Hause mit sich nehmen. Es sollen schon viele Heilungen vorgekommen sein. In der Kapelle hängen eine Menge Votivtafeln und Wachsfiguren, welche bezeugen sollen, daß auf die Fürbitte der heiligen Ilga das Augenübel behoben worden sei. Bei dem Tode der heiligen Ilga, oft auch Ottilie genannt, sollen alle Glocken am Schwarzenberg von selber geläutet haben.

Quelle: Josef Elsensohn, in: Feierabend, 3. Jg. (1921), 16. Folge, S. 70f, zit. nach Sagen aus Vorarlberg, Hrsg. Leander Petzoldt, München 1994, S. 269f