DER JOLERBÜHEL

Am oberen End des Dorfes Bezau erhebt sich mitten aus dem Feld der Jolerbühel. Die Sage erzählt, wie er entstanden ist. Wo heute der Hügel ist, stand vor Zeiten ein reiches Bauernhaus, umgeben von einem schönen Feld. Da kam einmal ein unbekannter Bettler und bat den Bauer um ein Almosen. Der aber war geizig und hatte kein Herz und wies dem Bettler die Türe. Da drehte sich das unbekannte Männlein noch einmal um und sagte mit drohender Miene: "Warte nur, ich werde dir dafür etwas bringen." Kaum war das Männlein verschwunden, so schwärzte sich der Himmel. Bald hörte man vom Gebirge her, aus dem Gräfentobel herab, ein fürchterliches Tosen, und ehe man es sich versah, schoß das Wasser in Strömen aus dem Tobel und führte große Steine und Tannen mit und überschwemmte und überschüttete die Felder. Mitten in den tobenden Fluten erschien das unbekannte Männlein mit einem großen Drachen, den es an einer roten Schnur führte, und blieb ober dem Haus des Bauern stehen. Der Drache stieß alle vom Wasser herabgerollten Felsblöcke und Baumstämme mit seinem Schwanz gegen das Haus des Bauern, so daß es mit Mann und Maus verschüttet wurde und noch ein ganzer Hügel sich drüber häufte. Nachdem das Männlein so die Lieblosigkeit des geizigen Bauern vergolten hatte, führte es zur größten Verwunderung der Leute den Drachen an der roten Schnur mitten durch das Dorf hinab, schlug den Weg gegen Andelsbuch ein und verschwand. Keine Seele konnte erfahren, woher das Männlein gekommen und wohin es mit dem Drachen gezogen sei. Der Jolerbühel aber breitet sich mit seinem langgestreckten Rücken noch jetzt mitten im Felde aus als Beispiel und Warnung, wie Hartherzigkeit und Geiz zuweilen schon auf Erden bestraft werden.


Quelle: Die Sagen Vorarlbergs. Mit Beiträgen aus Liechtenstein, Franz Josef Vonbun, Nr. 18, Seite 61