DER GESOTTENE KUHHIRT

Die Knechte der Alpe Schiedlen saßen eines Abends um das Feuer herum in der Sennhütte und erzählten reihum Geistergeschichten. Einer von ihnen schüttelte von Zeit zu Zeit den Kopf und sagte lächelnd: "Pah, pah, pah! ich glaubs halt nicht." "Ja, wenn du so ungläubig bist", sagten die andern drauf, "und wenn du den Mut hast, so probier es und gehe jetzt in die obere Alp, von der wir heute früh gezogen sind, hinauf und hole den großen Melkkübel herab, der zusamt dem Kessel noch droben ist." Hans ließ sich das nicht zweimal sagen, nahm den Stock und verschwand. Hin und wieder, aus immer größerer Entfernung, hörten die Knechte noch einen lustigen Juzer. Nach einer halben Stunde wurde alles still. Lange warteten die Knechte auf Hansens Rückkehr, doch vergebens. Endlich legten sie sich ins Heu. Auch am anderen Morgen war von Hans nichts zu hören und zu sehen. Das kam den Knechten recht merkwürdig vor und sie ahnten nichts Gutes. Schließlich machten sich zwei von ihnen auf den Weg in die Alp, taten die Türe auf und riefen nach Hansen. Zuletzt fanden sie ihn im Kessel tot liegen. Seine Haut war ganz verbrüht und abgesotten. So waren mit ihm die Bütze verfahren, die er übermütig in ihrem Treiben gestört hatte.


Quelle: Die Sagen Vorarlbergs. Mit Beiträgen aus Liechtenstein, Franz Josef Vonbun, Nr. 34, Seite 68