Die Schälkle

Ernst und streng sind die Bregenzerwälderinnen Sonntag beim Kirchgang gekleidet.

An die schwarze, dicht gefältete Juppe aus Glanzleinen, die vom Gürtel umschlossen bis über die Brust hinaufreicht, stößt eng und dunkel ein glattes, schwarzes Leibchen vom gleichen Zeuge und verdeckt alles, was an der Tracht heiter und bunt ist. Kein Schmuck mehr ist an der ganzen Gewandung zu sehen und keine Zier, - es wäre denn der stille Glanz des schwarzen Linnens oder der fadenbreite blaue Streif an der Juppe. Der Sage nach ist diese einfache, dunkle Kirchgangstracht infolge eines Gelübdes aufgekommen.

In alter Zeit trieben die Wälderinnen große Hoffart. Nur den schwersten Goldfaden nahmen sie zur Stickerei an Fürtuch und Mieder und zu den Aermeln nur welsche Seide, teure, glänzende, großblumige Zeuge. Ganze Lasten Käse wurden dafür ins Welschland verhandelt. Die Armen aber, welche das Molken um Gotteslohn erbittend, in den Hinterwald kamen, gingen ziemlich leer aus. Am ärgsten war die Hoffart der Wälderinnen am Sonntag. Selbst beim Kirchgange dachten Weiber und Schmelgen nicht an Andacht und Gotteswort, sondern nur, wie sie in ihrem stolzen Staate einander überprunken könnten.

Allein die Strafe blieb nicht aus. Es kam ein Jahr, da schleppte sich mit der schimmernden welschen Seide der Tod in den Wald, das große Sterben, die Pest. Grausam wütete sie, ganze Häuser, ganze Dörfer verödeten.

In dieser schrecklichen Not ging das Volk in sich und die Frauen gelobten, wenn die Seuche erlösche, an Sonn- und Festtagen zur Buße über allen Schmuck ihrer Tracht glatte, schwarze zierlose Leibchen zu Tragen. Gar hässlich und armselig erschienen sie den Verwöhnten, - knechthaft, wie schlecht Kleider, welche Mägde tragen; Schälkle sind sie geheißen.

Quelle: Anna Hensler, in: Rund um Vorarlberger Gotteshäuser, Heimatbilder aus Geschichte, Legende, Kunst und Brauchtum, Bregenz 1936, S. 39